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Die Meinung
25. Oktober 2022

Klimaneutrale Seeschifffahrt – Ziele über Bord!

Der Verkehrsausschuss im Europäischen Parlament enttäuscht mit den vorgelegten Klimaschutzmaßnahmen in der Seeschifffahrt. Sie enthalten viele Ausnahmen und setzen Ziele, die auf den knappen Energieträger LNG setzen. So dümpelt die Seeschifffahrt weiter beim Klimaschutz.

Jutta Paulus, Bündnis 90/Die Grünen und Abgeordnete im Europäischen Parlament (Mitglied im Umweltausschuss, im Industrieausschuss und im Transportausschuss)

Jutta Paulus, Bündnis 90/Die Grünen und Abgeordnete im Europäischen Parlament (Mitglied im Umweltausschuss, im Industrieausschuss und im Transportausschuss)
Foto: European Parliament

Am 19. Oktober 2022 hat das Europäische Parlament seine Position zur Verwendung klimafreundlicher Kraftstoffe im Schiffsverkehr abgestimmt („FuelEU Maritime“). Die neue Verordnung ist ein wichtiges Puzzlestück des Europäischen Green Deals und des Fit for 55-Pakets für ein EU-Treibhausreduktionsziel von 55 Prozent bis 2030. Doch trotz guter Zuarbeit aus dem Umweltausschuss und dem Industrieausschuss hat der Verkehrsausschuss einen wenig ambitionierten Text zur Abstimmung vorgelegt. Die von uns Grünen und anderen progressiven Abgeordneten eingebrachten Änderungsanträge wurden sämtlich nicht angenommen. Damit wird die Seeschifffahrt beim Klimaschutz weiter im Stauwasser dümpeln.

Dabei muss die Seeschifffahrt ihren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten - zu Wasser und in den Häfen. Der Schiffsverkehr von oder zu Häfen im Europäischen Wirtschaftsraum verursacht rund elf Prozent aller verkehrsbedingten CO2-Emissionen in der EU und drei bis vier Prozent aller EU-CO2-Emissionen. Weltweit werden jedes Jahr 1000 Megatonnen CO2 durch Schiffe in die Atmosphäre geblasen, Großteils durch das Verbrennen von Schweröl, dem schmutzigsten fossilen Brennstoff. Auch mehrere EU-Mitgliedstaaten und die Industrie fordern endlich ein Umlenken. Erneuerbare Treibstoffe nicht-biologischen Ursprungs müssen mehr gefördert und als Alternative vorgeschrieben werden.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Europäische Union bei der Weltschifffahrtsorganisation IMO für das Ziel der Klimaneutralität 2050 wirbt, aber zuhause keine gesetzliche Grundlage dafür schaffen will. Noch 2050 sollen Schiffstreibstoffe 20 Prozent der Treibhausgasintensität von 2020 haben. Da der Sektor weiter wächst, könnte das bedeuten, dass dann sogar mehr CO2 ausgestoßen wird als heute! Auch das Zwischenziel für 2030 könnte eine falsche Lenkungswirkung haben: so sollen gerade mal 6 Prozent weniger Emissionen pro Megajoule entstehen.

Das erreicht die Schifffahrt am schnellsten mit der Umrüstung auf LNG - in der größten Energiekrise seit 1973 erhöhen wir damit die Nachfrage nach dem knappsten Energieträger. Das ergibt keinen Sinn! Viel besser wäre ein Push für synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien gewesen. Denn neben Wind können nur diese eine fossilfreie Schifffahrt ermöglichen. Dafür hatte sogar die Industrie ambitioniertere Quoten gefordert. Zudem gilt die Verordnung nur für große Schiffe ab 5000 Bruttoregistertonnen; anders als im EU-Emissionshandel soll die Verordnung nicht ab 2027 auf Schiffe von 400 Bruttoregistertonnen ausgedehnt werden. Auch die dicke Luft in den Häfen wird vorerst bleiben, denn statt die Landstrompflicht auf alle Häfen auszuweiten, sollen Schiffe nur direkt am Kai der größten Häfen an die Steckdose.

Schlecht für das Klima, aber auch schlecht für die Gesundheit der Menschen! Zu allem Überfluss hat der schwedische Verhandlungsführer eine Fülle von Ausnahmen in den Text eingebracht: eisfeste Schiffe, kleine Reedereien (das sind mehr als 60 Prozent der europäischen Reeder!), Fahrten zu Inseln sollen von den Verpflichtungen befreit werden. Selbst die EU-Kommission kann nicht abschätzen, wie viel mehr Emissionen das bedeutet.

Fazit: Im Parlament haben wir den Kampf für mehr Klimaschutz im Seeverkehr verloren. Aber wir geben nicht auf! Vor uns liegt der Trilog, also die Verhandlungen mit Kommission und Rat der Mitgliedstaaten. Und im Rat gibt es durchaus Verbündete, die mit uns für eine zukunftsfähige Schifffahrt streiten werden.
 




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