17.11.2014 – Die Kompromissformel der EU-Regierungschefs, obgleich in einer harten und langen Verhandlungsnacht erreicht, drückt auch die Hilflosigkeit der Europäer in Sachen Klimaschutz aus. Wie zu lesen ist, verabschiedet sich die EU-Kommission von ehrgeizigen Klimaschutzzielen aus angeblicher Rücksicht vor der Wirtschaft und den Interessen einzelner Mitgliedstaaten allen voran Großbritannien und Polen.
Wie wirken diese Nachrichten im Rest der Welt, vor allem in jenen Ländern, die heute schon immer stärker spüren, dass die Klimafolgen nicht nur trockene Ergebnisse von Klimamodellrechnungen sind? Im Mekong Delta, Heimat von etwa 15 Millionen Einwohnern Vietnams, überflutet das Salzwasser immer größere Teile der Reisfelder. Die Flut erreicht zudem inzwischen Flussabschnitte, die bislang kein Salzwasser kannten. Die Folge ist, dass die Böden für die Landwirtschaft kaum noch taugen.
Gerade in den letzten Monaten haben viele Reisbauern hohe Ernteausfälle durch außergewöhnliche Niederschläge und steigende Fluten erlitten. Überraschend ist nicht, dass diese Ereignisse passieren, überraschend ist, dass sie schneller und heftiger ausfallen als von allen erwartet. In Vietnam kennt man in der Landwirtschaft keine Subventionen. Für viele Bauern bedeutet der real existierende Klimawandel den Ruin. Der vietnamesische Umweltminister Nguyen Minh Quang hält 80% des Mekong-Deltas mittel- bis langfristig für verloren. So jedenfalls im Gespräch mit dem Staatssekretär des Bundesumweltministeriums Gunther Adler am 20. Oktober 2014.
Aber auch in Hanoi, hat man den Eindruck, ist der Mekong noch gefährlich weit entfernt. Ob die 80% zu hoch gegriffen sind, kann derzeit wohl niemand sicher bestätigen. Fakt ist, einen Plan für die Umsiedlung der Reisbauern hat in Hanoi niemand. Mit Planwirtschaft und Fünf-Jahrplänen wird man den aus dem Klimawandel resultierenden Problemen nicht wirklich beikommen. Die vietnamesischen Reisbauern werden weitgehend auf sich allein gestellt bleiben. Wie sie reagieren, wenn weite Teile der Böden für die Landwirtschaft unbrauchbar geworden sind, kann heute niemand absehen.
Wir in Europa sind für die Probleme, die der Klimawandel in Vietnam aber auch in anderen Staaten der Erde verursacht, sicherlich nicht direkt verantwortlich zu machen. Aber durch eine politische Agenda in der EU, die das Klimaproblem nur noch mittelwichtig priorisiert, wird man vietnamesischen Reisbauern kaum entgegnen können, wirklich alles getan zu haben, den Klimawandel zu begrenzen.
Dr. Michael Zschiesche ist Vorstandsvorsitzender des 1990 gegründeten Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (UfU) in Berlin und Halle. UfU ist ein wissenschaftliches Institut und eine Bürgerorganisation. Es initiiert und betreut wissenschaftliche Projekte, Aktionen und Netzwerke, die öffentlich und gesellschaftlich relevant sind, auf Veränderung ökologisch unhaltbarer Zustände drängen und die Beteiligung der Bürger benötigen und fördern.