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Die Meinung
07. Juni 2022

Leistet Deutschland einen fairen Anteil zur internationalen Klimafinanzierung?

Die internationale Klimafinanzierung ist nicht nur eine völkerrechtliche Verpflichtung, sondern eine Frage der Solidarität und der Gerechtigkeit. Versprechen der G7-Staaten wurden bisher nicht eingelöst. Auch Deutschland verspielt Vertrauen, der Etat wurde nur minimal aufgestockt.

Astrid Hake, Koordinatorin Ökumenisches Netzwerk Klimagerechtigkeit

Astrid Hake, Koordinatorin Ökumenisches Netzwerk Klimagerechtigkeit
Foto: privat

„Transforming now for 1.5 C“ lautet das Leitmotto der deutschen G7-Präsidentschaft. Ganz in diesem Sinne setzt die Abschlusserklärung der G7 Klimaschutz-, Energie- und Umweltminister:innen positive Signale für mehr Klimaschutz und mehr Engagement für die von der Klimakrise am stärksten betroffenen Länder.

Danach verpflichten sich die G7 erstmalig, die Klimafinanzierung für Anpassung in Entwicklungsländern bis 2025 gemeinsam mit anderen Staaten zu verdoppeln, und erkennen an, dass sie vulnerable Länder im Umgang mit Schäden und Verlusten durch den Klimawandel stärker unterstützen müssen. „Es ist kein verzagtes Weiter-so, sondern ein mutiges Jetzt-erst-recht“ so Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Ausgang des Treffens. Bewegt sich die Regierung damit in die richtige Richtung und erfüllt die Verpflichtungen und Zusagen aus dem Pariser Klimaabkommen?

Die internationale Klimafinanzierung ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung der Klimakrise. Die finanzielle Unterstützung der ärmeren Länder bei der Anpassung an die unvermeidlichen Folgen der Erderhitzung durch die Industrieländer als Hauptverursacher ist Ausdruck einer gerechten Lastenverteilung und in der UN-Klimarahmenkonvention festgelegt. Bereits 2009 haben sich die Industrieländer dazu verpflichtet, die finanzielle Unterstützung für ärmere Länder bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern.

Das Ziel wurde bisher verfehlt. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit haben immer wieder gefordert, dass das bestehende Ziel von 100 Mrd. US-Dollar international vor allem durch neue Zusagen und zusätzlich zur öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit erreicht wird.

Die deutsche Regierung hatte 2021 beim G7 Treffen versprochen, den deutschen Anteil der internationalen Klimafinanzierung bis spätestens 2025 von 4 Milliarden Euro auf 6 Milliarden Euro jährlich zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wird dieses Ziel bekräftigt, wenngleich ohne Angaben konkreter Zahlen: „Wir werden unsere Zusagen für den deutschen Anteil an den 100 Milliarden US-Dollar der internationalen Klimafinanzierung im Rahmen einer kohärenten Klimaaußenpolitik erfüllen und perspektivisch erhöhen.“ Das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit hätte an dieser Stelle ein klares Votum für einen deutlichen Anstieg der Klimafinanzierung erwartet wie in einem Appell vor der Bundestagswahl gefordert.

Bisher steht die Regierung hinter ihren Versprechen zurück. Für 2022 sieht der Haushaltsplan zwar eine Steigerung für Klimafinanzierung in Höhe von rund 150 Mio. Euro vor, was aber deutlich unter den gut 500 Mio. Euro liegt, die es an jährlichem Aufwuchs bräuchte, wenn Deutschland seine 6 Mrd. Zusage einhalten wollte. Und auch dieser moderate Zuwachs konnte erst nach zähem Ringen durchgebracht werden. Im ersten Entwurf für den Bundeshaushalt 2022 waren für die Klimafinanzierung 2022 weniger Haushaltsmittel als 2021 eingeplant, was ausgerechnet im Jahr der deutschen G7-Präsidentschaft als wenig ermutigendes Zeichen für die ärmeren Länder bewertet werden kann. Nach Auffassung vieler zivilgesellschaftlicher Akteure läge ein fairer Anteil Deutschlands angesichts der Wirtschaftskraft und der Mitverantwortung Deutschlands für die Klimakrise sogar bei 8 Mrd. Euro pro Jahr.

In Zeiten multipler Krisen nimmt die Konkurrenz um begrenzte Haushaltsmittel zu. Die düstere Gegenwart und die Prognosen verbieten es aber, gerade beim Klimaschutz als Querschnittsaufgabe an Zukunftsinvestitionen zu sparen. Der jüngste Bericht des Weltklimarats belegt die dramatischen Folgen des Klimawandels. Er zeigt auf, wie der globale Temperaturanstieg zu unbeherrschbaren Katastrophen und unberechenbaren Kosten führt, und unterstreicht die Dringlichkeit, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Beim Überschreiten der Kipppunkte werden ansonsten unumkehrbare Prozesse ausgelöst, die ein noch größeres Konfliktpotential als heute in sich bergen.

Denn schon jetzt sind in vielen Regionen die Grenzen der Anpassung an die Klimakrise erreicht. Klimabedingte Schäden und Verluste haben in den vergangenen Jahrzehnten beständig zugenommen. Entwicklungsländer sind von hiervon aufgrund ihrer geographischen Lage und ihrer hohen Verwundbarkeit überproportional betroffen. Es leiden bereits heute 1,7 Mrd. Menschen unter Dürren, Überflutungen, Zerstörungen oder Ernteverlusten in Folge von Extremwetterereignissen. Viele unserer Partnerkirchen und Partnerorganisationen im Globalen Süden berichten von anhaltenden Trockenperioden, Überflutungen und Verwüstungen. Die Gefahr ist real und bedroht die Existenz von Milliarden Menschen.

„Die häufigen Überschwemmungen der küstennahen Regionen, und eigentlich sind das nahezu alle Inseln, bedrohen die Landwirtschaft und ganz besonders die Süßwasserquellen des Landes, die die Menschen mit Trinkwasser versorgen,“ erzählt beispielsweise Tioti Timon, Leiter der theologischen Hochschule auf der Pazifikinsel Kiribati, die in wenigen Jahrzehnten im Meer versinken wird. Künftig können dauerhafte Überflutung von Millionenstädten, das Versalzen ganzer Agrarregionen, Wüstenbildung oder die Verwandlung von Regionen in Trümmerlandschaften durch immer heftigere Wirbelstürme auch bei bester Anpassung oft nicht verhindert werden. Ärmere Länder verfügen nicht über ausreichend Mittel, um sich weder gegen die Folgen der Klimakrise zu schützen noch Verluste und Schäden aufzufangen. Fehlende Investitionen in Anpassungsmaßnahmen treiben die Krisenspiralen weiter an.

Die internationale Klimafinanzierung ist also nicht nur eine Frage der völkerrechtlichen Verpflichtungen, sondern auch der Solidarität und der Gerechtigkeit. Deutschland, das weltweit zu den Ländern mit dem größten CO2-Ausstoß zählt, muss seiner Verantwortung nachkommen und sich entschiedener für die Bedürfnisse der vulnerablen Länder und Bevölkerungsgruppen einsetzen. Die Industrieländer haben die technischen Kapazitäten und das Kapital zur Entwicklung von Lösungen, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden. Aber die Zeit drängt. Nach Aussage des Weltklimarats müssen die globalen Emissionen bis 2030 um 45 Prozent reduziert werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Dem klaren Bekenntnis der G7 Klimaschutz-, Energie- und Umweltminister:innen zur Klimafinanzierung müssen jetzt konkrete Maßnahmen folgen, ein „Weiter-so“ ist nicht vertretbar. Laut dem Bündnis „Deutsche Klimafinanzierung“ verhandeln die für die Klimafinanzierung zuständigen Ministerien – Auswärtiges Amt, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Umwelt- und Wirtschaftsministerium – aktuell über eine Strategie, um die zugesagten 6 Mrd. Euro jährlich bis 2025 zu erreichen.

Es bedarf dazu einer klaren Zusage des Finanzministeriums, dass im Bundeshaushalt 2023 die Mittel für das BMZ nicht weiter gekürzt werden, sondern deutlich steigen. Mit Blick auf den anstehenden G7-Gipfel Ende Juni und die Weltklimakonferenz im November 2022 könnte Deutschland mit einem deutlich beschriebenen Zielpfad an Glaubwürdigkeit gewinnen, dass es mit seinen Versprechen ernst meint, und weitere Industrienationen zu einer höheren Klimafinanzierung motivieren. Dies ist dringender denn je.

Das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit ist ein bundesweites Bündnis kirchlicher Institutionen aus den Bereichen Umwelt und Entwicklung, das seit 2018 das kirchliche Engagement für Klimagerechtigkeit in Kirche, Politik und Gesellschaft stärken will. 




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