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Die Meinung
02. März 2020

Mercosur nützt weder dem Klima noch den Menschen

Das Mercosur Handelsabkommen untergräbt unsere Klimaziele. Das Nachhaltigkeitskapitel ist durch nicht einklagbare Standards ein Tiger ohne Zähne. Es braucht verbindliche Regelungen zur Durchsetzung von Umwelt- als auch Arbeits- und Sozialstandards.

Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament

Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament
Anna Cavazzini ist handelspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament
Foto: © Martin Jehnichen

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat mit großer medialer Inszenierung einen europäischen Grünen Deal auf den Weg gebracht. Europa soll bis zum Jahr 2050 als erster Kontinent klimaneutral werden. Doch bleiben schon die Klimaziele der EU-Kommission für 2030 vage. Ein Blick in die Mitgliedstaaten zeigt, wie Grün wirkt. In Österreich hat die neue Regierung auf Druck der Grünen im Koalitionsvertrag verankert: Das Land wird bis 2040 klimaneutral.

Während Ursula von der Leyen und ihre Kommission noch von einer nachhaltigen Politik durch den Grünen Deal sprechen, erwirkt das Handelsabkommen der Europäischen Union mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay genau das Gegenteil. Mehr Fleisch und mehr Ethanol werden in Europa importiert, in der Folge wird der Regenwald im Amazonas weiter abgeholzt. Das zeigt eine Studie der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, die auf meine Initiative hin erstellt worden ist.

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen unter anderem:

  • Es drohen weitere Abholzung des Regenwaldes zugunsten billiger Fleischexporte nach Europa.
  • Die billigen Agrarexporte aus Südamerika setzen auch die kleinbäuerlich geprägte europäische Landwirtschaft weiter unter Druck.
  • Durch die Fokussierung auf den Export von Primärrohstoffen wird zudem eine weitere Diversifizierung der südamerikanischen Wirtschaft gehemmt.

Mercosur muss vom Tisch

In dem jetzt ausgehandelten Abkommen gibt es keine verbindlichen Mechanismen zu Umwelt- und Klimaschutz, zum Pariser Klimaabkommen und zu Arbeits- und Sozialstandards. EU-Kommission und Bundesregierung müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Mercosur muss vom Tisch.

Besorgniserregend sind vor allem die in der Studie festgestellten Ergebnisse für Klima und Umwelt. Die im Abkommen enthaltenen Vorgaben zum Schutz des Regenwaldes und des Klimas erweisen sich als wirkungslos. Die EU weicht mit ihren unverbindlichen Absichtserklärungen nicht vom vorherrschenden handelspolitischen Paradigma ab, sondern provoziert mit der festgeschriebenen Handelsliberalisierung weitere Emissionen. Das Abkommen untergräbt so die Bemühungen um die Eindämmung des Klimawandels und der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens.

Dramatische Folgen zeigt Mercosur auch für die Landwirtschaft. Größter Treiber der Entwaldung Südamerikas ist die industrielle Landwirtschaft. Insbesondere für Weideland für Rinder oder Anbauflächen für Soja oder Zuckerrohr wird der Wald wie im Amazonas abgeholzt. Der Fleischimport aus Südamerika setzt kleinbäuerliche Betriebe in Europa weiter unter Druck. Zudem ist die Qualität eben dieser Importe nicht gewährleistet: Denn trotz größerer Importmengen vereinfacht das Abkommen Zollkontrollen. Dass es derzeit bereits Probleme bei der Einhaltung von Standards gibt, zeigen die jüngsten Gammelfleisch-Skandale in Brasilien und der unglaublich hohe Einsatz von Pestiziden und Gentechnik in der dortigen Landwirtschaft.

Mercosur nützt weder Klima noch Menschen

Das von der EU-Kommission gefeierte Mercosur-Abkommen steht damit in direktem Widerspruch zum Grünen Deal von Kommissionspräsidentin von der Leyen. Während das Klimapaket einen deutlichen Beitrag der Landwirtschaft im Kampf gegen die Erderhitzung einfordert und den Einsatz von Pestiziden in der EU begrenzen will, begünstigt der Mercosur-Vertrag die Einfuhr von mit Pestiziden belasteten Lebensmitteln, vor allem aus Brasilien. Das Land ist ein El Dorado für den ungeschützten Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft. Mercosur externalisiert also nur den Einsatz von Pestiziden. Das Abkommen nützt weder Klima noch Menschen.

Erste EU-Staaten versagen sich bereits dem Abkommen. So hat Österreichs Regierung erklärt, dem Vertrag so nicht zuzustimmen und die belgische Region Wallonie hat ihren Widerstand erklärt. Damit könnte auch Belgien das Abkommen nicht ratifizieren.

Von der Leyen muss Handelspolitik radikal ändern

Deshalb muss die EU-Kommission endlich umdenken. Wer von European Green Deal spricht, kann den klimaschädlichen Handelsvertrag Mercosur in dieser Form nicht vorantreiben. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss den Widerstand in den Mitgliedstaaten jetzt nutzen und das Vertragswerk entscheidend überarbeiten. Der Grüne Deal bleibt eine leere Phrase, wenn die EU nicht auch ihre Handelspolitik radikal ändert.

Die Vorgaben aus dem Pariser Klimaabkommen müssen im ganzen Abkommen fest verankert und die Umwelt- und Sozialstandards im Nachhaltigkeitskapitel einklagbar sein, damit sie nicht zu Absichtserklärungen verkommen. Darüber hinaus brauchen wir verbindliche Regeln zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen entlang ihrer gesamten Lieferketten.

Anna Cavazzini ist seit 2019 Mitglied im Europäischen Parlament und handelspolitische Sprecherin der Grünen Fraktion.




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