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Die Meinung
12. August 2019

Neue EU-Richtlinie stärkt Bürgerenergie in Europa

Während in Deutschland die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Energiegenossenschaften wenig Anlass zur Freude bieten, hat sich die Situation auf europäischer Ebene zuletzt zum Positiven gewendet. Mit der Überarbeitung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie wurden erstmals „Renewable Energy Communities“ im europäischen Recht verankert.

Dr. Andreas Wieg, Leiter Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV

Dr. Andreas Wieg, Leiter Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV
Foto: © DGRV

12.08.2019 – Nach monatelangen Verhandlungen haben sich der Europäische Rat, die EU-Kommission und das EU-Parlament am 14. Juni 2018 auf die Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie geeinigt. Ein Knackpunkt war dabei die Frage, was man konkret unter Renewable Energy Community verstehen sollte. Die Definition musste einerseits anpassungsfähig genug sein, um mit den unterschiedlichen Energiegesetzen der Mitgliedsstaaten harmonieren zu können. Andererseits musste sie so auf die Zielgruppe zugeschnitten sein, dass ein Missbrauch vermieden wird.

Renewable Energy Communities sind demnach unabhängige rechtliche Einheiten, die demokratisch strukturiert sind und unter Kontrolle der lokalen Bevölkerung stehen. Zudem sollen sie offen für eine breite Beteiligung vor Ort und eher an dem Nutzen in der Region und weniger an den individuellen finanziellen Vorteilen der Kapitaleigner ausgerichtet sein. Mit diesem Ansatz sollen insgesamt die Bürger und ihre Kommunen in der Energiewende gestärkt werden.

Die Mitgliedsstaaten sind nun aufgefordert, Markteintrittsbarrieren und Diskriminierungen für neue und bestehende Bürgerenergieprojekte abzubauen. Sie müssen die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit Renewable Energie Communities erneuerbare Energien erzeugen, speichern oder verkaufen können. Zudem soll es ihnen erleichtert werden, mit den eigenen Anlagen erzeugte Energie an ihre Mitglieder zu liefern.

Chancengleichheit für kleine Akteure

Durch mehr Transparenz und Information soll ein Level Playing Field für die kleineren Akteure geschaffen werden. Chancengleichheit soll nicht nur durch größengerechte Gesetze, sondern auch durch die Entbürokratisierung von Vorgaben und Verwaltungsprozessen hergestellt werden. Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie haben die nationalen Gesetzgeber 18 Monate Zeit, die Vorgaben in ihr jeweiliges Energierecht umzusetzen.

Auch der deutsche Gesetzgeber ist aufgefordert, geeignete Rahmenbedingungen für Energiegenossenschaften und andere Bürgerenergieakteure zu setzen, etwa durch die Abschaffung nicht gerechtfertigter gesetzlicher oder bürokratischer Hindernisse. Insbesondere bei den Förderbedingungen von erneuerbaren Energien soll die Chancengleichheit im Wettbewerb hergestellt werden. Das war zuletzt ein großes Thema im Erneuerbare-Energien-Gesetz bei der Ausgestaltung der Ausschreibungsregelungen für Windenergieanlagen.

Erfreulich an den EU-Vorgaben ist zudem, dass kleine Anlagen weiterhin EEG-Vergütung erhalten können. Hierbei handelt es sich z.B. um Photovoltaikanlagen mit einer Kapazität von bis zu 500 Kilowatt oder eine Windenergieanlage mit bis zu drei Megawatt. Unterhalb dieser „De-minimis-Grenzen“ sind keine Ausschreibungen durchzuführen.

Positiv ist zudem, dass – unter bestimmten Voraussetzungen – innerhalb eines Gebäudes selbst produzierter und selbst verbrauchter Strom für Anlagen nicht mehr mit Abgaben und Gebühren belegt werden darf. Das gilt für Installationen kleiner 30 Kilowatt. Wenn mehrere solcher Eigenversorger in einem Gebäude zusammenarbeiten, beispielsweise in einer Energiegenossenschaft, dann sollen für sie auch die gleichen Rechte gelten. Das ist in Deutschland derzeit nicht der Fall.

Neue Ausschreibungsregeln in Deutschland

Neben den Neuerungen auf EU-Ebene hat es auch in Deutschland vor der Sommerpause noch gesetzliche Änderungen gegeben. Am 29. Juni 2018 ist die vom Bundestag beschlossene Neuregelung zur Beibehaltung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (BImSchG -Genehmigung) für die Windausschreibungen in Kraft getreten. Demnach müssen alle Windkraft-Interessenten eine solche Genehmigung für ihr Windprojekt vorlegen, um an dem Ausschreibungsverfahren überhaupt teilnehmen zu dürfen. Diese Neuregelung gilt für alle Ausschreibungsrunden bis einschließlich 1. Juni 2020. Die Teilnahmemöglichkeit von Bürgerenergieprojekten ohne BImSchG-Genehmigung ist damit wieder gestrichen worden.

Zur Erinnerung: Im Zuge des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2017 wurde festgelegt, dass Energiegenossenschaften und andere Gesellschaftsformen der Bürgerenergie für die Teilnahme an einer Ausschreibung zunächst keine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz benötigen. Zudem wurde ihnen ein längerer Realisierungszeitraum von vier Jahren und der jeweils höchste bezuschlagte Preis aus der jeweiligen Ausschreibungsrunde zugesprochen.

Ein Vorteil dieser „Bürgerenergieregelung“ ist allerdings erhalten geblieben: das Einheitspreisverfahren. Energiegenossenschaften und andere Bürgerenergiegesellschaften erhalten im Falle eines Zuschlags für ihr Windprojekt weiterhin den höchsten Gebotspreis, der in der jeweiligen Ausschreibungsrunde bezuschlagt wurde. Der Gesetzgeber wollte diese Regelung nicht streichen, damit das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz auch weiterhin kleine Akteure oder die so genannte Akteursvielfalt schützt.




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