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Die Meinung
27. März 2023

Reform Strommarktdesign: Die EU erhöht den Druck auf Deutschland

Der neue Vorschlag für die Reform des Strommarktdesigns ist ein starkes Signal für den Ausbau von Speichern in Europa und erhöht den Druck auf nationaler Ebene. Zu Recht, denn mit der aktuellen Regulatorik wird Deutschland die Ausbauziele nicht erreichen.

Benedikt Deuchert, Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy

Benedikt Deuchert, Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy
Benedikt Deuchert, Head of Business Development & Regulatory Affairs, Kyon Energy
Foto: Kyon Energy

Die EU-Kommission hat am 15. März den lange erwarteten gesetzlichen Vorschlag für die Reform des Strommarktdesigns veröffentlicht. Im Fokus stehen Änderungen des Marktdesigns für erneuerbare Energiequellen und für gesicherte Erzeugungsleistung. Diese zielen darauf ab, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Energiepreisschocks und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und dabei die Sozialverträglichkeit von Strom zu sichern.

Daneben schlägt die EU-Kommission auch vor, Investitionen in Energiespeicher und in Demand-Side-Response-Lösungen (DSR) durch einen stärkeren Fokus auf zukunftsgerichtete, langfristige Absicherungsinstrumente und die Schaffung einer Nachfrage nach Flexibilitätsdiensten voranzutreiben. Damit setzt die Kommission einen ganz neuen Fokus auf Energiespeicherung und die Nutzung verbrauchsseitiger Flexibilität in Europa. Sie benennt klar die Rolle von Speichern für das künftige europäische Energiesystem: aktuelle Herausforderungen wie Energiepreisspitzen und extreme Preisschwankungen auf den Strommärkten werden auch darauf zurückgeführt, dass es nicht genug Speicher gibt.

Starkes Signal für den Speicherausbau

Der Vorschlag der EU-Kommission bezieht sich auf die bestehende EU-Strombinnenmarktverordnung 2019/943 sowie die Strombinnenmarktrichtlinie 2019/944 und ergänzt diese. Der Kern der vorgeschlagenen Änderungen für Speicher liegt in den neuen Artikel 19c bis 19f, die die Kommission in die Strombinnenmarktverordnung aufnehmen will. Diese Artikel verlangen, dass die nationalen Regulierungsbehörden alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen, der den Bedarf an Flexibilitätsoptionen zur Integration von erneuerbaren Energien ins Stromnetz analysiert. Dabei sollen Speicher und DSR berücksichtigt werden. Basierend auf dieser Analyse sollen die Mitgliedsstaaten nationale Zielwerte für den Ausbau festlegen. Staaten, die Kapazitätsmechanismen anwenden, müssen sicherstellen, dass nicht-fossile Flexibilitätsoptionen gefördert werden. Auch Staaten, die keine Kapazitätsmechanismen anwenden, sind dazu angehalten, Förderungssysteme zu schaffen, um Flexibilitätsoptionen zu fördern.

Damit setzt die Europäische Kommission ein starkes Signal für die Entwicklung von Speichern in Europa und erkennt an, welche Rolle sie im Strommarkt einnehmen. Sie fordert verbindliche nationale Ziele für den Ausbau von Speichern und beschreibt die möglichen Werkzeuge, um eine tatsächliche Zielerreichung sicherzustellen.

So stärkt der Vorschlag auch die Verbindlichkeit der Aussagen, welche im deutschen Netzentwicklungsplan getätigt werden. Für Deutschland hat die Bundesnetzagentur letztes Jahr den benötigten Ausbau von Speichern bis 2037 für PV-Batteriespeichern auf 67,4 GW beziffert und zusätzlich eine benötigte Leistung von Großbatteriespeichern in Höhe von 23,7 bis 24,2 GW festgeschrieben.

Europarechtlich muss dieser Ausbau an Speichern nun auch validiert werden. Die EU macht klar, dass Angaben wie die Prognose des Speicherausbaus im Netzentwicklungsplan keine dahingeschriebenen Zahlen sein dürfen. Auf die Prognosen müssen Verantwortlichkeiten und vor allem Maßnahmen zur Zielerreichung folgen. Damit sind die 23,7 GW bis 2037 verbindlich.

Deutschland muss Hürden für den Speicherausbau abbauen

Genau hier sehe ich großen Handlungsbedarf, denn mit dem aktuellen regulatorischen Rahmen werden wir in Deutschland die Ausbauziele nicht erreichen. Im Gegenteil scheint sich insbesondere bei der Bundesnetzagentur allmählich erst das Bewusstsein durchzusetzen, dass Speicher einen entscheidenden Beitrag für ein klimaneutrales Energiesystem leisten können und müssen.

Die EU-Kommission legt hier den Finger in die Wunde: Welche Strategie verfolgt der Staat zur Erreichung der Zielsetzung? Welche Maßnahmen sind konkret angedacht? Zwei Fragen, auf die bislang eine Antwort fehlt.

Um ein zu spätes und kostspieliges Nachsteuern möglichst zu vermeiden, sollten die Bundesnetzagentur und der Gesetzgeber schnellstmöglich die bestehenden Hürden abbauen, die den Speicherausbau in Deutschland aktuell ausbremsen: Noch immer schränkt beispielsweise der Baukostenzuschuss den Aufbau von Speicherkapazitäten in Deutschland massiv ein und müsste umgehend für Speicher entfallen.

Gleichzeitig endet 2026 die Übergangsregelung zur Netzentgeltbefreiung von Batteriespeichern. Ohne Folgeregelung würde der weitere Ausbau von Batteriespeichern in Deutschland dann komplett zum Erliegen kommen. Das Thema drängt, denn häufig dauert die Umsetzung von Speicherprojekten länger als drei Jahre und damit gibt es für neue Projekte keine Sicherheit mehr, ob die Netzentgeltbefreiung erhalten bleibt. Im ersten Schritt würde eine Verlängerung der Befristung z.B. um fünf Jahre in der nächsten Novellierung des EnWG ausreichen, um die Situation zu beruhigen und Zeit für eine langfristige Regelung und für die Klärung der Kompetenzen zwischen Wirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur zu schaffen.

Abschließend müssen zügig lokale Märkte für Flexibilität etabliert werden, damit Speicher ihre netzdienlichen Eigenschaften bei der Integration Erneuerbarer („Nutzen statt Abregeln“) voll ausspielen und ihre Erlöse absichern können. Nicht nur auf die schiere Menge an Speicher, sondern auch auf die richtige Positionierung im Netz kommt es an. Ein Redispatch auf Kostenbasis, wie er aktuell betrieben wird, schafft keinerlei Investitionsanreize zur Steigerung von Flexibilität an den neuralgischen Netzknoten und muss zumindest für Speicher durch ein marktbasiertes Verfahren abgelöst werden. Ein solches Verfahren ist ohnehin bereits europaweit in der Strombinnenmarktverordnung festgelegt.

Vorschlag sollte in Europarecht überführt werden

All diese Punkte stehen voll im Einklang mit dem Vorschlag der EU-Kommission. Denn dort ist klar vorgezeichnet, dass Mitgliedsstaaten einen großen Handlungsspielraum haben, wie sie die verbindlichen Ziele für den Speicherzubau erreichen wollen. Klar geregelt ist dort auch, dass zusätzliche Förderungen für Speicher unausweichlich werden, wenn die Ausbauziele insgesamt nicht erreicht werden – sei es, weil die bestehenden Hürden nicht hinreichend abgebaut wurden oder weil selbst nach Abbau der Hürden noch keine ausreichende Investitionsbereitschaft in Speicher besteht. Kapazitätsmärkte und Subventionen für Speicher können, müssen aber nicht Teil der Lösung sein, solange in Summe der Ausbau gelingt.

Der Vorschlag der EU-Kommission schafft zusätzliche Verbindlichkeit beim Speicherausbau und erhöht damit auch den Druck auf nationaler Ebene, bestehende Hürden schnell abzubauen. Denn sonst ist schon jetzt klar, dass ein Ausbau auf die anvisierten 67,4 GW PV-Heimspeicher und mindestens 23,7 GW Großbatteriespeicher bis ins Jahr 2037 eine große Herausforderung ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorstellungen der EU-Kommission nun auf politische Zustimmung stoßen und bald in bindendes Europarecht überführt werden.




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