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Die Meinung
04. Februar 2021

Schneller raus aus der Kohle – für die Menschen und das Klima

Im Schatten von Corona spitzt sich die Klimakrise zu. Die EU wird ihr Klimaziel für 2030 verschärfen. Dass Deutschlands Kohleausstieg erst 2038 kommen soll, passt damit nicht zusammen. Gleichzeitig kämpfen im Rheinischen Revier Dörfer um ihr Überleben. RWE will sie abbaggern, um Fakten zu schaffen und Armin Laschet denkt nicht daran, das zu verhindern.

Wibke Brems, stv. Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Energiepolitik und Klimaschutz der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW

Wibke Brems, stv. Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Energiepolitik und Klimaschutz der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW
Drei Frauen im Gespräch. Im Hintergrund eine Fahne für Hambi bleibt.
Wibke Brems im Gespräch mit Demonstrant*innen von Fridays for Future (Bild: Wibke Brems)

04.02.2021 – Der neue Bundesvorsitzende der CDU und Ministerpräsident von NRW Armin Laschet möchte gerne als Klimaschützer und Menschenfreund wahrgenommen werden. Dieses Image hat er sich über Jahre aufgebaut. In den Dörfern am Tagebau Garzweiler im Rheinischen Revier kann man derzeit erleben, dass die real-existierende Politik seiner Landesregierung mit dieser Inszenierung nur wenig gemein hat. Wenn es um den Erhalt der Heimat und den Umwelt- und Klimaschutz geht, schützt Laschet lieber die Interessen des Kohleriesen RWE als den Menschen vor Ort eine Perspektive zu geben.

Um die Widersprüchlichkeit zu verstehen, lohnt ein Blick zurück: Im Herbst 2018 versuchte die NRW-Landesregierung mit dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes dem Kohlekonzern RWE den Weg zur Rodung des Hambacher Waldes frei zu machen. Erst zehntausende Demonstrant*innen und das Oberverwaltungsgericht NRW stoppten die Zerstörungswut. Damit war der wochenlange Einsatz hunderter Sicherheitskräfte nicht nur der größte, sondern auch der sinnloseste in der Geschichte von NRW.

Die Euphorie über das erfolgreiche Verhindern der Rodung war noch nicht verflogen, als Ende Januar 2019 die nächste gute Nachricht kam: Die Kohlekommission hatte sich - für viele überraschend - zu einem fast einstimmig beschlossenen Kompromiss für den Ausstieg aus der Nutzung von Stein- und Braunkohle zur Stromerzeugung durchgerungen. Zwar war das Abschlussdatum 2038 für die „Umweltseite“ viel zu spät. Aber das Ergebnis wurde mitgetragen, weil neben dem Erhalt des Hambacher Waldes, ein stetiger Ausstiegspfad und ein Dialog über anstehende Umsiedlungen verabredet wurde.

In Geheimverhandlungen wurde der Kohlekompromiss massiv aufgeweicht

Armin Laschet zögerte keine Sekunde eine 1:1-Umsetzung des gefundenen Kompromisses zuzusagen. Lange hielt dieses Versprechen aber nicht: In den anschließenden Verhandlungen zwischen Kohlekonzernen, Bundesregierung und Kohleländern wurde der Kompromiss massiv aufgeweicht. Die Abweichungen gingen, wenig überraschend, einseitig zulasten des Klimaschutzes und der Menschen in den von Umsiedlungen bedrohten Dörfern. Alles Interessen, die bei diesen Geheimverhandlungen nicht repräsentiert waren.

Es war ein durchsichtiges Spiel: Auf Druck von NRW wurde im Kohleausstiegsgesetz beschlossen, dass der Tagebau Garzweiler energiewirtschaftlich und energiepolitisch notwendig sei, inklusive aller geplanten Umsiedlungen - sozusagen als Gegenleistung für den Erhalt des Hambacher Waldes.

In NRW verweist Ministerpräsident Laschet dann auf genau dieses Gesetz aus Berlin, das ihm gar keine andere Möglichkeit gäbe, als an den Umsiedlungen festzuhalten. Dass die Umsetzung aber wesentlich hinter den Empfehlungen der Kohlekommission zurückbleibt und damit weniger für den Schutz von Klima und Menschen im Revier leistet, wollte die Landesregierung freilich nicht zugeben, schon gar nicht Ministerpräsident Laschet.

Mehrere Studien bestätigen, dass der Kohleausstieg spätestens bei seiner gesetzlichen Verabschiedung im Sommer 2020 klimapolitisch längst überholt war. Berechnungen zeigten allein beim Ausstiegspfad aus der Braunkohle einen Unterschied von 140 Millionen Tonnen CO2 zum Verhandlungsergebnis mit RWE und Co.. Das ist mehr als die gesamten Emissionen aller Stein- und Braunkohlekraftwerke in Deutschland im vergangenen Jahr.

Würde man das Ergebnis der Kohlekommission ernst nehmen, könnten die Dörfer im Rheinischen Revier ohne Probleme erhalten bleiben

Im Dezember 2020 - fast ein halbes Jahr nach dem Beschluss des Kohleausstiegsgesetz – kam es dann zu der Veröffentlichung einer Studie, die überhaupt nicht im Sinne der Auftraggeber aus der Bundesregierung war. Schon auf den ersten Blick wird klar, warum Bundeswirtschaftsminister Altmaier sie über ein Jahr zurückgehalten hat, denn es bestätigt: Würde man das Ergebnis der Kohlekommission ernst nehmen und die Kraftwerke nach ihrem Alter kontinuierlich abschalten, müsste man deutlich weniger Braunkohle fördern und könnte die Dörfer im Rheinischen Revier ohne Probleme erhalten.

Das zeigt mehr als deutlich, dass der Kohleausstieg, wie er zwischen RWE und Bundes- und Landesregierung verhandelt wurde, vor allem die Interessen der Kohlekonzerne berücksichtigt. Klimaschutz und die Menschen an den Tagebauen hingegen werden mit Füßen getreten.

Mit sogenannten „Leitentscheidungen“ setzen Landesregierungen in NRW den Rahmen für den Braunkohleabbau. Im Oktober 2020 hatte das Kabinett Laschet einen Entwurf für die Anpassung an den Kohleausstieg vorgelegt, der weder leitet noch entscheidet. Die zur Umsiedlung vorgesehenen Dörfer sollen darin eine Schonfrist bekommen, verschont werden sollen sie aber nicht. Dabei sind Enteignungen für den Braunkohleabbau nur verfassungskonform, wenn es energiewirtschaftlich nicht anders geht.

Die Landesregierung muss ihre Leitentscheidung überarbeiten

Zwar bestätigt das Kohleausstiegsgesetz genau dies für die Umsiedlungen am Tagebau Garzweiler, die neue Studie aus dem Bundeswirtschaftsministerium zeigt jedoch genau das Gegenteil. Die Landesregierung muss das Gutachten ernst nehmen, ihre Leitentscheidung überarbeiten und darin klarstellen, dass keine Dörfer mehr für die Braunkohle vernichtet werden.

Im Sommer dieses Jahres wird darüber entschieden, wie stark genau die im Dezember 2020 beschlossene Verschärfung des EU-Klimaziels für 2030 ausfallen wird und welcher EU-Staat über die sogenannte „Lastenteilung“ wie viel zu diesem Ziel beitragen muss. Schon heute ist aber absehbar, dass es zu einer Verschärfung der EU-Klimaziele auf mindestens -55 Prozent bis 2030 kommen wird, das EU-Parlament fordert sogar -60 Prozent. Das bedeutet, dass Deutschlands Klimaziel auf mindestens -65 Prozent bis 2030 angehoben werden muss.

Das wiederum ist nur zu erreichen, wenn der Kohleausstieg in Deutschland bis 2030 abgeschlossen wird - begleitet von einem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien. Es gibt keinen anderen Sektor, in dem die Emissionen so einfach und so schnell reduziert werden könnten, wie in der Energiewirtschaft mit der Abschaltung von Kohlekraftwerken. Die Bundesregierung wird um eine Anpassung der Gesetze und Verträge zum Kohleausstieg also nicht herumkommen. Es ist vollkommen absurd, trotzdem auf Umsiedlungen zu bestehen.

Nur eine Politik, die die Notwendigkeiten der Klimakrise annimmt, statt sie zu ignorieren, kann wirklich allen Beteiligten Planungssicherheit und klare Perspektiven bieten. Armin Laschet streut den Menschen Sand in die Augen, wenn er weiterhin behauptet, im Rheinland würde bis 2038 Braunkohle abgebaut werden.

Es wird endlich Zeit, dass Laschet RWE die weitere Zerstörung von Heimat und Infrastruktur verbietet

Vor diesen Hintergründen ist es unfassbar, dass die Landesregierung trotzdem tatenlos zusieht, wie RWE Straßen zerstört, ein Dorf nach dem anderen dem Erdboden gleich macht und die Menschen aus ihrer Heimat vertreibt. Es wird endlich Zeit, dass Ministerpräsident Laschet RWE die weitere Zerstörung von Heimat und Infrastruktur verbietet!  

Auch im Hambacher Wald wird so lange keine Ruhe einkehren, bis der Wald nicht aus dem Besitz von RWE befreit ist. Die Landesregierung muss endlich die naheliegende Lösung umsetzen und den Wald in eine öffentliche Stiftung überführen. Außerdem wird es Zeit, dass Land und Bund endlich die Realitäten des Klimawandels und die Möglichkeiten der Erneuerbaren anerkennt und der Wirtschaft realistischere Planungs-Szenarien gibt. Diese Ignoranz in alle Richtungen wird nur dazu führen, dass Vertrauen in politisches Handeln verspielt wird.




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