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Die Meinung
01. April 2019

Solarstrom selbst erzeugen und verbrauchen – ein Beitrag zur Energiewende?

Den Solarstrom vom eigenen Dach selbst zu verbrauchen wird immer beliebter. PV-Speichersysteme in Haushalten sollten dabei einen Beitrag für das gesamte Stromsystem leisten, d. h. nicht nur für die Maximierung des Eigenverbrauchs, sondern auch für die Bedürfnisse des Gesamtsystems eingesetzt werden.

Christoph Heinemann, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts

Christoph Heinemann, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts
Solarsiedlung in Freiburg
Foto: Mangan02, Wikimedia CommonsCC BY-SA 4.0

01.04.2019 – Den eigens erzeugten Strom möglichst vollständig selbst verbrauchen – das wünschen sich immer mehr private Haushalte. Viele Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern betreiben bereits eine Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach oder möchten in eine solche investieren. Das Thema Eigenverbrauch wird dabei oft in einem Atemzug mit der Investition in private Speichersysteme (Batterien) diskutiert. Der Ausbau von Photovoltaik (PV)-Speichersystemen in Privathaushalten schreitet dementsprechend in großen Schritten voran – nicht zuletzt, weil er durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert wird. Ende April 2017 waren 61.300 Batteriespeicher mit einer nutzbaren Speicherkapazität von 400 Megawattstunden in Deutschland installiert. Das entspricht in etwa der Speicherkapazität eines kleinen Pumpspeicherkraftwerks.

Motivation zur Investition in Speichersysteme

Private Speichersysteme werden heute eingesetzt, um den Eigenverbrauch des selbsterzeugten PV-Stroms zu steigern. Scheint mittags die Sonne, wird diese Spitze der PV-Erzeugung gespeichert. In den Abendstunden, wenn die Bewohner und Bewohnerinnen relativ viel Strom benötigen, nutzen sie den gespeicherten Strom.

Interessant ist, aus welchen Motivationen heraus Haushalte in Speichersysteme investieren. Im wissenschaftlichen Mess- und Evaluierungsprogramm Solarstromspeicher der RWTH Aachen werden zwei Hauptmotivationen angegeben: die direkte Teilnahme an der Energiewende sowie die Absicherung gegen steigende Strompreise.

Beitrag der Speichernutzung für die Energiewende

Wir haben uns für diesen Beitrag gefragt, in welcher Form solche Speichersysteme heute einen Beitrag zur Energiewende leisten und wie ein möglichst nachhaltiger Eigenverbrauch von PV-Strom aussehen kann.

Durch das Ein- und Ausspeichern von selbst erzeugtem Strom in die Batterien und wieder zurück geht Strom durch Umwandlungsverluste verloren. Das macht immerhin etwa zehn Prozent aus. Dabei könnte dieser (verlorene) Strom dabei helfen, insgesamt weniger Strom aus fossilen Kraftwerken an anderer Stelle zu produzieren.

Gesamte Dachflächen für die Energiewende nötig

Für die Energiewende – insbesondere, um die Stromnachfrage mit Erneuerbaren Energien zu decken –  werden möglichst alle geeigneten Dachflächen zur Erzeugung von Solarstrom benötigt. Da Eigenheimbesitzende jedoch vor allem ihren Eigenverbrauch absichern wollen, bedecken sie häufig nur einen Teil des Daches mit PV-Kollektoren. Sie werden oftmals dahingehend beraten, die PV-Anlage so klein zu wählen, dass der Anteil des Eigenverbrauchs möglichst hoch ist. Der Indikator Eigenverbrauchsquote ist jedoch nicht mit der Wirtschaftlichkeit (Rendite) gleichzusetzen. Größere PV-Anlagen erzielen im Durchschnitt auch höhere Renditen. Auch wenn mittelfristig für die Energiewende ein Nutzen entsteht, wenn Batterien technologisch weiterentwickelt werden und die Kosten sinken, sollte das genutzte Kapital momentan in den Ausbau der PV-Kapazitäten anstatt in dezentrale Speicher investiert werden.

Netzentgelte und Ressourcen

Auch soziale Themen müssen berücksichtigt werden: Die Besitzer von Speichersystemen zahlen auf den selbst erzeugten und verbrauchten Strom keine Netzentgelte: Diese werden fällig für die Nutzung des allgemeinen Stromnetzes – und das, obwohl auch sie den Netzanschluss in sonnenarmen Stunden oder wenn der Speicher leer ist voll in Anspruch nehmen. Diese vermiedenen Netzentgelte müssen von den anderen Netznutzern übernommen werden.

Nicht zuletzt spielt auch die Ressourcenseite von Batterien eine Rolle bei der ökologischen Bewertung. Denn derzeit basieren 99 Prozent der geförderten Heimspeicher auf der Lithium-Ionen-Technologie. Die Lithiumgewinnung aus Salzseen macht derzeit rund 50 Prozent der weltweiten Lithiumproduktion aus und befindet sich überwiegend in Lateinamerika. Der Gewinnungsprozess ist sehr wasser- und ressourcenintensiv und beeinträchtigt die umliegenden Ökosysteme in den Anden stark. Daher sollte immer geprüft werden, ob durch Verschiebung der Stromnachfrage bei vorhandenen Großverbrauchern in Halthalten (Wärmepumpen oder Elektromobilen) nicht eine Erhöhung des Eigenverbrauchs auch ohne Investition in eine Batterie und den entsprechenden Ressourcenbedarf möglich ist.

Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor: PV-Speichersysteme in Haushalten sollten einen Beitrag für das gesamte Stromsystem leisten. Das bedeutet, dass die dezentralen Batterien nicht nur für die Maximierung des Eigenverbrauchs, sondern auch für die Bedürfnisse des Gesamtsystems eingesetzt werden sollten. Das gilt insbesondere, wenn Batteriespeicher in Haushalten öffentlich gefördert werden. Sie könnten beispielsweise dabei helfen, das Verteilnetz in kritischen Situationen zu stützen.

So kann ein Optimum nicht nur für den Haushalt, sondern auch für die Energiewende im Gesamtsystem herausgeholt werden. Für diese Einbindung in das Gesamtsystem bedarf es jedoch geeigneter IT- und Telekommunikationsschnittstellen.

Förderung gezielt ausrichten

Aus politischer Sicht trägt die Förderung von Batteriespeichern dazu bei, die Kosten für Batterie-Technologien zu senken. Das ist auch im Sinne der Energiewende. Vor diesem Hintergrund kann aus unserer Sicht die pauschale Befreiung von Netzentgelten bzw. Umlagen auf eigenverbrauchten Strom mittelfristig fortgeführt werden. Die Bedingung dafür: Batteriespeicher werden so eingesetzt, dass sie gezielt den Verteilnetzbetrieb unterstützen können und auch auf systemweite Speicherbedarfe reagieren. Damit werden Engpässe im Stromnetz vermieden und das Gesamtstromsystem gestützt. Langfristig sollte eine Befreiung jedoch nur in Stunden gelten, in denen die Speicher das System unterstützen. Denn auch Haushalte mit PV-Speichersystem nutzen das allgemeine Stromnetz in sonnenarmen Zeiten und sollten daher auch zu seiner Finanzierung beitragen.

Förderung an ökologische Kriterien bei Batterieproduktion binden

Mit Blick auf die nicht unerheblichen ökologischen Effekte und zum Teil sozialen Auswirkungen der Produktion und der Ressourcengewinnung für Batterien sollte eine finanzielle Förderung auch an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden.

Dachflächen vollständig nutzen

Finanzielle Vorteile durch die Maximierung des Eigenverbrauchs sollten nicht der alleinige Anreiz für den PV-Ausbau sein, weil sonst die Gefahr besteht, dass nur Teile des Dachpotenzials genutzt werden. Dachflächen sollten möglichst vollständig zur Stromerzeugung genutzt werden, nur so können fossile Energien effektiv verdrängt werden. Und: Privates Kapital sollte zunächst möglichst in den Ausbau der Solarstrom-Erzeugung auf den Dachflächen (und nicht in die Speicherung) investiert werden. So lässt sich der größte Beitrag zur Energiewende erzielen.

Alle Optionen zur Energieeinsparung und Lastverlagerung nutzenZusätzlich sollte der Energieverbrauch im Haushalt weiter gesenkt werden, etwa durch die Anschaffung effizienter Haushaltsgeräte. So kann sehr direkt Stromverbrauch reduziert werden, der nicht gespeichert werden muss. Zum anderen sollten Optionen zur zeitlichen Verlagerung von Stromverbrauch im Haushalt geprüft werden. Dabei geht es insbesondere um Großverbraucher wie Wärmepumpen mit Warmwasserspeicher und Elektromobile.

 

Christoph Heinemann ist Senior Researcher im Institutsbereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts. Er arbeitet zu Regulierungsfragen des Stromnetzes und der Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem.

Literaturhinweise

Öko-Institut e.V.: Energiewende im Haushalt? Neues Beratungstool für Batteriespeicher jetzt online

HTW – Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (2019): Bergner, J.; Quaschning, V.: Sinnvolle Dimensionierung von Photovoltaikanlagen für Prosumer, Berlin 2019. Online verfügbar, zuletzt geprüft am 12.03.2019

RWTH Aachen (2018): Figgener, J.; Haberschusz, D.; Kairies, K.-P.; Wessels, O. Tepe, B.; Sauer, D. U. Wissenschaftliches Mess- und Evaluierungsprogramm Solarstromspeicher 2.0, Jahresbericht 2018. Aachen, 2018, zuletzt geprüft am 27.03.2019




Kommentare

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Ulrich Wolff 02.04.2019, 10:46:22

+206 Gut Antworten

Die Meinung von Herrn Heinemann kann ich nur teilweise verstehen. Die Größe der PV-Anlage wird beim privaten Eigenheimbesitzer hauptsächlich begrenzt durch die 10KW Regelung, die eine darüber hinaus gehende Investition unwirtschaftlich und kompliziert macht. Natürlich ist es sinnvoll, dass die vorhandenen Speicher in einem späteren Stadium auch netzkonform eingesetzt werden. Dafür muss allerdings - neben der notwendigen IT-Struktur - auch eine nennenswerte Kapazität vorhanden sein. Diese wird nicht von heute auf morgen entstehen, sondern muss schon jetzt aufgebaut werden. Die Netzentgeldkosten schließlich werden z. Z. so berechnet, dass diejenigen, die mehr verbrauchen (also das Netz mehr nutzen) auch mehr zahlen. Da ich als PV Anlagenbesitzer das Netz weniger nutze, muss ich auch weniger zahlen. Das ist für mich ein vollkommen natürlicher Ablauf. Deutlich bedeutsamer für den sozialen Aspekt der Netzentgelte ist doch wohl die weitgehende Befreiung vieler Großverbraucher von diesen Kosten. Ohne diese Befreiung wären die Netzentgelte und damit die Gesamtstromkosten für alle Verbraucher deutlich günstiger.

Mit freundlichen Grüßen Ulrich Wolff

Denkender Bürger 03.04.2019, 11:19:07

+205 Gut Antworten

Wo das technisch möglich ist, macht es Sinn und stellt einen aktiven Beitrag zur Energiewende dar - keine Frage.

Nur funktioniert das leider nicht überall:

Wenn die Ausrichtung des Daches nicht paßt oder aber die Verschattung (z.B. durch Bäume) zu groß ist, dann ist der nutzen solcher Anlagen zu gering und der Sinn schlägt ins Gegenteil um.

Ich rede dabei nicht nur von einer Kosten-Nutzen Rechnung, sondern von der Tatsache, daß ja auch die Herstellung und Wartung einer solchen Anlage Rohstoffe und Energie benötigt, die im Betrieb erst mal eingespielt werden müssen, wenn die Anlage einen ökologischen Mehrwert haben soll.

Deshalb ist es wichtig, vor der Installation einer solchen Anlage erst einmal alle relevanten Faktoren zu ermitteln und zu prüfen. Sonst läuft man Gefahr, daß die Installation eine ökologische Verschlimmbesserung wird.

Und das kann ja nicht Sinn der Sache sein.

Uli 22.04.2019, 09:17:56

+206 Gut Antworten

Die „Die 10 KW Regelung“ ist einfach zu umgehen und zwar absolut legal. Ich baue eine Anlage bis 10 KW und die nächste einfach ein Jahr später. Diese gilt dann als Neuanlage und ich kann wieder bis 10 KW bauen ohne dass eine EEG Umlage fällig wird. @ denkender Bürger....ihre Angaben sind veraltet. Mittlerweile macht jede Ausrichtung Sinn. Mit einem entsprechenden Verschattungsmanagement sind auch Teilverschattungen wirtschaftlich darstellbar!


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