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Die Meinung
26. März 2018

Stadtwerke unter Druck – für Verbraucher keine schlechte Nachricht

Kein Stadtwerk wird bleiben, wie es ist. Jedenfalls nicht im Energiebereich. Zu stark sinken die Erträge im Kerngeschäft, zu groß wird der Konkurrenzdruck. Für Verbraucherinnen und Verbraucher kann das eine gute Nachricht sein – im Zweifelsfall haben sie Alternativen. Stadtwerke müssen ihre Pluspunkte kundengerecht in die Zukunft entwickeln.

Udo Sieverding, Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW

Udo Sieverding, Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW
Foto: © Verbraucherzentrale NRW

26.03.2018 – Bei den Stadtwerken als Energieversorger geht es nicht weiter wie bisher. Das zeigte zuletzt eine Studie im Auftrag des VKU, die Mitte Januar veröffentlicht wurde. „Die Ergebnisse in allen klassischen Wertschöpfungsstufen geraten zunehmend unter Druck“, heißt es in der Zusammenfassung der Befragung von 100 Stadtwerke-Vorständen und -Geschäftsführern. Zu begegnen sei dem mit „Anpassungen der Wertschöpfungsbreite und -tiefe“. Sprich: Das ganze Portfolio muss auf den Prüfstand. Erzeugung, Netz, Vertrieb, Dienstleistungen – alles. Überall.

Nur mit klugen Fokussierungen und Ergänzungen ihres Portfolios werden Stadtwerke im wachsenden Wettbewerb bestehen. Denn Digitalisierung und Dezentralisierung eröffnen zunächst einmal Chancen für neue Player, die dem Markt frische Impulse geben. Weil das in aller Regel Qualität und Preise in Bewegung bringt, ist das aus Verbrauchersicht positiv. Natürlich spricht aus dieser Sicht auch nichts dagegen, wenn sich die Stadtwerke als kommunale Akteure mit guten Angeboten ihr Geschäft sichern. Die Betonung liegt dabei aber klar auf den guten Angeboten – nicht auf den kommunalen Akteuren.

Dass die Energie-Erlöse der Stadtwerke zu kommunalen Haushalten beitragen, macht sie zwar relevant für die örtliche Allgemeinheit, für Bürgerinnen und Bürger. Da aber alle Bürgerinnen und Bürger zuhause zumindest einen Stromanschluss haben, finden sie sich auch in der Rolle als Kundinnen und Kunden wieder. Und stellen fest: Nicht alles, was die Kämmerei freut, ist auch in ihrem Sinne. So kehren sie den Stadtwerken den Rücken, verlassen – endlich, wie man aus Verbrauchersicht sagen muss – die teure Grundversorgung, suchen ihren Vorteil anderswo. Zum Wohle der Stadtkasse allein werden nur die wenigsten dem Stadtwerk den Vorzug geben. Egal in welchem Geschäftsfeld.

Dennoch kann die örtliche Verankerung einen guten Ausgangspunkt für die Neuaufstellung bilden. Kurze Wege und Erreichbarkeit lassen sich zu Vorteilen im Dienstleistungsbereich ausbauen. Das betrifft schon heute und in der Zukunft erst recht nicht mehr nur Kundencenter-Gespräche über Energierechnungen. Auch wer eine Solaranlage betreiben, eine Stromcloud mit Speicher nutzen oder eine Ladestation fürs E-Auto bauen möchte, könnte Service vor Ort als stichhaltiges Argument betrachten. Dafür müsste allerdings noch etwas anderes an vielen Orten in Bewegung kommen: Das Verhältnis zum Prosumer.

Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung sind die Trends der Stunde. Der Prosumer-Haushalt, der selbst sauberen Strom erzeugt, ist folgerichtig auf dem Weg zum Normalfall. Doch an vielen Stellen merken wir etwa im Beratungsalltag: Hier hakt es. Vor allem beim Zusammenspiel mit den Verteilnetzbetreibern, die oft den Stadtwerken gehören. Da werden Anschlüsse abgelehnt und Vorgänge verkompliziert. Solange hier keine Begegnung auf Augenhöhe stattfindet und Pionieren Steine in den Weg gelegt werden, zeigt sich keine effektive Ausrichtung auf die Zukunft. Zudem kann solches Gebaren auch größere Vertrauensvorschüsse zunichtemachen.

Welche Energie-Dienstleistungen ein Stadtwerk nun künftig anbietet, wie stark es noch in die klassischen Geschäftsbereiche investiert – diese Fragen sind von Fall zu Fall zu beantworten. Die einzigen Devisen, die nirgendwo funktionieren werden, sind: „Weiter so“, und: „Egal, was die Kunden wollen.“ Was genau wo passt, ist schlicht eine Frage des jeweiligen Markts und Wettbewerbs.

Ziel der Politik darf es deshalb nicht sein, bedingungslos allen Stadtwerken eine Zukunft zu garantieren. Mit der Digitalisierung kommt ein längst überfälliger Strukturwandel in einen Bereich, in dem die Trägheit auf Kundenseite und hohe Markteintrittsbarrieren lange Zeit auch den verschlafensten Unternehmen noch ein Auskommen gesichert haben. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Und ja: Es wird Verlierer geben. Nicht alle Stadtwerke werden vielleicht 2030 noch existieren, und ganz sicherlich keines so, wie es jetzt ist. Es kann aber auch echte Gewinner geben. Wer zu dieser Gruppe zählen will, muss sich jetzt kundengerecht aufstellen.

Als eine aussichtsreiche Zukunftsstrategie nennt die eingangs zitierte VKU-Studie übrigens Kooperationen. Rund 76 Prozent der Befragten fürchten allerdings die damit einhergehenden Abhängigkeiten. In Zeiten der Vernetzung müsste deshalb vielerorts wohl zuerst die Idee eines monolithischen Unternehmens verabschiedet werden, das für sich allein besteht. Denn wenn Konsumenten Produzenten werden und Echtzeit keine Metapher mehr ist, ist eine Philosophie der Autarkie vielleicht der sicherste Weg ins Abseits.

Udo Sieverding ist Bereichsleiter Energie und Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW.




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