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Die Meinung
28. April 2014

Verratene Verbraucher

Eine Weile sah es so aus, als ob die Kosten der Energie­wende in Zukunft wenigstens etwas gerechter verteilt werden könnten. Schließlich hatten fast alle Parteien im Wahl­kampf versprochen, die Strom­kunden zu entlasten. Doch mittler­weile steht fest, dass aus der angekündigten Entlastung nichts wird.

Malte KreutzfeldtJournalist und Autor

Malte KreutzfeldtJournalist und Autor
Malte Kreutzfeldt ist Wirtschaftskorrespondent der taz und Autor (Foto: Malte Kreutzfeldt)
Malte Kreutzfeldt ist Wirtschaftskorrespondent der taz und Autor (Foto: Malte Kreutzfeldt)

28.04.2014 –Die Versprechen waren niedrigere Stromsteuern, weniger Industrie-Ausnahmen bei der Ökostrom-Förderung oder kartellrechtlichen Maßnahmen gegen überhöhte Tarife. Auf die Stromsteuer-Senkung, die finanziellen Spielräume an anderer Stelle eingeschränkt hätte, hatte die SPD schon während der Koalitionsverhandlungen verzichtet. Gleiches gilt für schärfere Regeln für Stromanbieter, die die Gewinne von Stadtwerken und Energiekonzernen verringert hätten. Und auch bei den Industrie-Subventionen hat SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Verhandlungen mit der EU-Kommission nun durchgesetzt, dass sie nicht sinken, sondern vermutlich sogar noch ausgeweitet werden.

Dabei schien es vor der Bundestagswahl bereits breiter Konsens zu sein, dass die Privilegien vieler Industriebetriebe beim Strompreis völlig übertrieben sind. Praktisch alle Parteien wollten die Ausnahmen einschränken und nur jene Firmen von der EEG-Umlage befreien, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen. Wobei selbst für diese Unternehmen eine Befreiung nur teilweise Sinn macht: Zumindest in dem Umfang, in dem der Börsenpreis aufgrund der Energiewende gesunken ist, könnten auch wettbewerbs- und energieintensive Betriebe an den Ökostromkosten beteiligt werden, ohne dass ihnen irgendein Nachteil entstehen würde.

Doch davon ist seit der Bundestagswahl keine Rede mehr. Stattdessen haben sich Union und SPD einen absurden Wettstreit darum geliefert, wer der energieintensiven Industrie stärker entgegenkommt. Und auch Grüne wie Winfried Kretschmann mögen da nicht wirklich abseits stehen. Dabei gibt es für die Sorge um Konkurrenzfähigkeit keinerlei nachvollziehbaren Grund.

Die deutsche Wirtschaft steht im internationalen Wettbewerb hervorragend da, wie die jährlich steigenden Exportüberschüsse beweisen. Bei der energieintensiven Industrie, die von praktisch allen Abgaben und Umlagen befreit ist und nur den reinen Börsenstrompreis bezahlt, sind die Stromkosten in den letzten Jahren so stark gesunken, dass sich die europäischen Nachbarn bereits über den ungerechten Vorteil beschweren. Dass eine stärkere Beteiligung der Wirtschaft an den Energiewende-Kosten zu massiven Arbeitsplatzverlusten führen würde, ist also ein Märchen von Industrie-Lobbyisten, das von der Politik erstaunlich unkritisch weiterverbreitet wird.

Und selbst wenn höhere Strompreise einigen energieintensiven Unternehmen Probleme machen würden, ist keinesfalls gesagt, dass sich das auf Volkswirtschaft und Arbeitsmarkt insgesamt negativ auswirken würde. Denn wenn die Strompreise für energieintensive Industrien subventioniert werden, werden diese zwar wettbewerbsfähiger. Die Kosten dafür müssen jedoch andere tragen: zum einen die Verbraucher, deren Nachfrage nach anderen Produkten durch die höheren Ausgaben für Strom nachlässt, was wiederum an anderer Stelle zu Arbeitsplatzverlusten führen kann; zum anderen die nicht privilegierte Industrie, deren Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der erhöhten Kosten sinkt, was ebenfalls Arbeitsplätze kosten kann. Weil die energieintensive Industrie meist nicht besonders arbeitsintensiv ist, können die subventionierten Energiepreise am Ende sogar das Gegenteil dessen bewirken, was sie eigentlich erreichen sollen: In anderen Bereichen gehen mehr Arbeitsplätze verloren, als durch die Subventionen in der energieintensiven Industrie gerettet werden.

Als einziges Mittel gegen einen weiteren Strompreisanstieg verkauft Gabriel der Bevölkerung nun, dass er den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien beschränkt. Dabei handelt es sich jedoch um ein großes Täuschungsmanöver. Denn Einschnitte gibt es vor allem für Windkraft an Land, die einen Deckel bekommt, und bei Solaranlagen, bei denen selbst verbrauchter Strom künftig zum Teil mit der EEG-Umlage belastet wird. Ausgebremst werden damit ausgerechnet die beiden billigsten Formen erneuerbarer Energie, deren Ausbau die Stromrechnung ohnehin kaum noch spürbar belastet. Für die weiterhin teure Offshore-Windkraft, die wegen der hohen Investitionssummen vor allem von großen Konzernen realisiert wird, wurden die Bedingungen hingegen im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen wieder verbessert.

Insgesamt steht damit fest: Das Versprechen an die Verbraucher, für sinkende Strompreise zu sorgen, hatte gegen die klaren Interessen von Stromversorgern und Industrie keine Chance. Die Stromkunden werden weiterhin weit stärker zur Kasse gebeten als notwendig. Damit setzt die Politik die Akzeptanz der Energiewende aufs Spiel, denn interessierte Kreise lenken den berechtigten Ärger über die überhöhten Strompreise um in unberechtigten Protest gegen die Energiewende.

Gegen dieses unsoziale Komplott zu Lasten von Umwelt und Verbrauchern hilft nur eine möglichst breite Aufklärung über die wahren Hintergründe der steigenden Energiepreise. Denn nur wenn genug Menschen dafür kämpfen, die Strompreis-Abzocke zu beenden, ohne die Energiewende auszubremsen, wird die Politik noch zur Vernunft kommen.

Malte Kreutzfeldt ist Wirtschaftskorrespondent der taz und berichtet seit Jahren über die deutsche Energiepolitik. Mit der Frage, warum die Strompreise wirklich steigen und wie damit Politik gemacht wird, beschäftigt sich auch sein gerade erschienenes Buch „Das Strompreis-Komplott“.

Buchtipp:
Das Strompreis-Komplott: Warum die Energiekosten wirklich steigen und wer dafür bezahlt, Knaur-Taschenbuch, 7,00 Euro, ISBN: 978-3-426-78673-4




Kommentare

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Alfredo 28.04.2014, 18:04:22

+345 Gut Antworten

Wenigstens wird damit der engültige Ruin der SPD eingeleitet, die seit dem Gaszählerableser zur Arbeiterverräterpartei mutiert ist. Beim nächsten mal müssen wir diese Brut aus dem Parlament fegen, Kompliment an Angie, das hat sie wieder gut hingekriegt. Schade, daß es den Alten vom Berge nicht mehr gibt, ich würde mir die Bereinigung dieser Zustände etwas kosten lassen...

H. Römer 28.04.2014, 19:03:48

+336 Gut Antworten

BP_280914

 

Der Strompreis wird wahrscheinlich weiter steigen, weil die Regierung Angst vor den Arbeitszahlen der beruecksichtigten Industrie-Ausnahmen hat. Leider gibt es darueber nichts Einfaches zu lesen. D.h. man kann kaum abschaetzen, ob da nicht ein Missbrauch betrieben wird. Von Seiten der Industrie oder von Seiten der Politik. Denn die-so hat man den Eindruck- vermeidet jede Schieflage, die sie in ihrem Handlungspielraum

einengt und belastet dann eher die Allgemeinheit als Notausgang.

Eine ausgewogene Politik kostet halt Kopfzerbrechen und saehe anders aus.

Brügelmann, Hans-Joachim 29.04.2014, 09:47:04

+356 Gut Antworten

Genau wie Sie es beschreiben entwickelt sich der Energiemarkt

in Deutschland. Nicht die Interessen der Bürger/Verbraucher stehen im Mittelpunkt, sondern die der Industrie. Verlierer sind die Priavthaushalte und die mittelständischen Unternehmen ohne jeden Einfluß auf die Regierung.

Daher auch meine Kampagne mit --AVAAZ org. Bürgerpetitionen-- mit ähnlichen Zielsetzungen: Alle Energieformen durch Kostenvergleiche/KWh per Gesetz transparent machen.


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