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Die Meinung
27. April 2015

Änderung des BaFin-Auslegungsschreibens stärkt Bürgerenergie

Im Juli 2013 standen Bürgerenergiegenossenschaften urplötzlich vor einer praktisch unüberwindbaren Hürde: Sie fielen fortan unter das Kapitalanlagegesetzbuch. Dann die Nachricht, für die viele gekämpft haben: Die BaFin ist von ihren Kriterien abgerückt. Eine Bilanz.

Dr. Verena RuppertVorstand Bündnis Bürgerenergie e. V.

Dr. Verena RuppertVorstand Bündnis Bürgerenergie e. V.
Dr. Verena Ruppert ist Vorstand und Geschäftsführung des Landesnetzwerks Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V. Zudem ist sie Aufsichtsrätin bei der UrStrom BügerEnergieGenossenschaft Mainz eG und Mitglied im Vorstand des Bündnisses Bür
Dr. Verena Ruppert ist Vorstand und Geschäftsführung des Landesnetzwerks Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V. Zudem ist sie Aufsichtsrätin bei der UrStrom BügerEnergieGenossenschaft Mainz eG und Mitglied im Vorstand des Bündnisses Bürgerenergie e.V. (Bild: Dr. Verena Ruppert)

27.04.2015 – Energiegenossenschaften unterliegen nicht mehr dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Diese Nachricht löste Anfang März Überraschung, verhaltene Freude, aber zugleich auch vorsichtige Zweifel bei den Energiegenossen aus. Konnte das wirklich sein?

Seit seinem Inkrafttreten im Juli 2013 hatte das KAGB die Energiegenossenschaften zunehmend beschäftigt. Zunächst gar nicht so sehr als Bedrohung wahrgenommen, weil Genossenschaften in ihrem Selbstverständnis operativ tätig sind, entwickelte es sich zu einem starken Hemmschuh für viele Projekte, die Energiegenossenschaften angehen wollten. In den Fokus gerieten Kooperationsmodelle mit Kommunen, Stadtwerken, aber auch anderen Energiegenossenschaften oder die Beteiligungen an anderen Unternehmen. Bis dahin alles alltägliche Projekte von Genossenschaften. Aus Sicht der BaFin waren Beteiligungen keine operativen Tätigkeiten, die Genossenschaften dann offene Investmentfonds und damit registrierungspflichtig.

Immer mehr Energiegenossenschaften befürchteten, unter die Registrierungspflicht nach dem KAGB zu fallen, was gerade die meist ehrenamtlichen Vorstände vor praktisch unüberwindbare Hürden gestellt hätte. Bei einer Registrierungspflicht wäre ein umfangreicher Kriterienkatalog zu erfüllen gewesen, bei dem Vorstände beispielsweise umfassende Qualifikationen hätten nachweisen müssen wie z.B. Erfahrung in der Fondsverwaltung.

Da es von Seiten des Gesetzgebers keine klaren Leitlinien gab, wuchs die Verunsicherung und jedes neue Auslegungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) steigerte die Verwirrung bei den Bürgerenergieakteuren. Immer mehr Energiegenossenschaften stellten sicherheitshalber eine Registrierungsanfrage. Die Auslegungsschreiben der BaFin wurden immer restriktiver, so dass am Ende sogar im Raum stand, dass die Satzungen von hunderten Genossenschaften hätten geändert werden müssen. Diese sahen genossenschaftsrechtlich konform eine uneingeschränkte Beteiligungsmöglichkeit an anderen Unternehmen vor.  Damit bestand laut BaFin theoretisch die Möglichkeit, sich mehr als in geringem Umfang zu beteiligen und damit nicht mehr als operatives Unternehmen anerkannt zu werden. Der Eindruck von Willkür und Ausgeliefertsein entstand und auch das Gefühl, dass hier Bürgerenergie bewusst behindert wird. Viele Genossenschaften fuhren ihre Aktivitäten stark zurück und gingen keine neuen Projekte mehr an. Auch die Zahl der Neugründungen von Energiegenossenschaften sank dramatisch, auf nur noch 29 im Jahr 2014.

Die Geschichte ist umso absurder, als die Erfassung von Genossenschaften durch das KAGB eigentlich gar nicht gewünscht war. Genossenschaften sind eine seit langem bewährte und sehr insolvenzsichere Unternehmensform. Ein Garant dafür ist das Genossenschaftsgesetz, das eine regelmäßige Prüfung der Genossenschaften durch die Prüfungsverbände vorsieht – und zwar auch inhaltlich und nicht nur formal. Es besteht also ein guter Schutz für die Beteiligten, der weit über den durch das KAGB oder das Kleinanlegerschutzgesetz zu erreichenden hinausgeht. Zur Erinnerung: Anlass für eine erhöhte Sorge gab auch die Prokon-Pleite. Aber Prokon war BaFin-geprüft und hatte alle geforderten Kriterien erfüllt.

Viele haben sich für eine Herausnahme der Genossenschaften aus dem KAGB eingesetzt. Viele Gespräche wurden geführt, von den Verbänden, allen voran dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband, aber auch vom Bündnis Bürgerenergie und den Aktiven vor Ort mit ihren politischen Entscheidungsträgern.

Die Erleichterung bei den Bürgerenergieakteuren ist groß, dass die BaFin nun vom Kriterium des „operativ tätigen Unternehmens außerhalb des Finanzsektors“ abgerückt ist und die Auffassung vertritt, dass Genossenschaften in der Regel einem Förderzweck folgen und nicht einer festgelegten Anlagestrategie. Nach wie vor dürfen Genossenschaften jedoch nicht primär Investmentzwecke verfolgen, denn dann greift das KAGB wieder. Auch darf nicht vergessen werden, dass nicht das Gesetz geändert wurde, sondern nur die Auslegung durch die BaFin. Es wird jetzt darauf ankommen, dass die Prüfungsverbände beim genossenschaftlichen Förderzweck aufmerksam hinschauen und nicht schwarze Schafe eine erneute veränderte Auslegung verursachen.  

Es ist ein gutes Zeichen, dass gemeinschaftliche Anstrengungen etwas bewirken können. Der Einsatz hat sich gelohnt. Viele der auf Eis gelegten Projekte dürften nach dem neuen Auslegungsschreiben wieder umsetzbar sein. Neue können angegangen werden, ohne Sorge darüber, was die BaFin wohl dazu sagt. Vor allem für die meist ehrenamtlichen Vorstände bedeutet das eine große Entlastung in der täglichen Arbeit. Einige Projekte werden allerdings verloren sein, denn das Zeitfenster für ihre Realisierung oder die Beteiligungsmöglichkeit für die BürgerInnen ist geschlossen. Eng wird es auch für manches Wind- oder große Photovoltaik-Projekt werden, das zunächst gestoppt wurde und das jetzt vielleicht in die Pflicht zur Beteiligung an den Ausschreibungen hinein läuft.

Die Energiegenossenschaften haben eine Hürde weniger zu bewältigen bei ihrem Engagement für den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Es bleiben andere. Dennoch ist die weitgehende Befreiung der Energiegenossenschaften vom KAGB ein ganz wichtiger Schritt dazu gewesen, dass die BürgerInnen auch zukünftig Treiber der Energiewende bleiben können.

Dr. Verena Ruppert ist Vorstand und Geschäftsführung des Landesnetzwerks Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V. Zudem ist sie Aufsichtsrätin bei der UrStrom BügerEnergieGenossenschaft Mainz eG und Mitglied im Vorstand des Bündnisses Bürgerenergie e.V.




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