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Die Meinung
27. August 2018

Am Hambacher Wald entscheidet sich die Zukunft der Energiewende

Der im Rheinland gelegene Hambacher Wald ist bundesweit zum Symbol für die energiepolitische Zukunft Deutschlands geworden. Der BUND und viele umweltbewegte Bürger*innen kämpfen seit Jahren friedlich für den Stopp der Braunkohlenbagger und die Rettung des Waldes. Dort wird es sich entscheiden: Gelingt der schnelle Abschied vom Klimakiller Braunkohle oder setzen sich die alten Beharrungskräfte durch?

Dirk Jansen, Geschäftsleiter Bund für Umwelt und Naturschutz in NRW

Dirk Jansen, Geschäftsleiter Bund für Umwelt und Naturschutz in NRW
Foto: © Steffen Höft

27.08.2018 –Trotz der bereits erfolgten großflächigen bergbaulichen Zerstörung des noch vor Tagebaubeginn im Jahre 1978 etwa 4.100 Hektar großen Hambacher Waldes ist der übrige, insgesamt etwa 600 Hektar große Restwald von großer Bedeutung für den Naturschutz. Sowohl in Größe und Qualität ist dieser Eichen-Hainbuchen- und Buchenwald von herausragender Bedeutung. Es handelt sich um einen seit der Nacheiszeit kontinuierlich bestehenden Dauerwald mit einer großen Artenvielfalt. Als Beispiel dafür mag der Nachweis von 1.600 Käferarten dienen. Eine solche Vielzahl von Käferarten gibt es in Mitteleuropa nur in wenigen der ältesten und am besten ausgestatteten Wälder. Die Artenvielfalt spiegelt sich eine überregional einzigartige Artenvielfaltebenso in den großen Fledermausvorkommen wieder, darunter die besonders seltene Bechstein-Fledermaus. Die im Wald liegenden zwei Wochenstuben-Kolonien sind auch im überregionalen Vergleich einzigartig. Die jetzt von RWE geplanten Rodungen würden unmittelbar das Kerngebiet der östlichen von zwei Wochenstuben-Kolonien der Bechstein-Fledermaus zerstören.

Die Restflächen des Hambacher Waldes hätten deshalb nicht zuletzt wegen des Bechsteinfledermaus-Vorkommens zwingend als FFH-Gebiet für das europäische Natura 2000-Schutzgebietsnetz nachgemeldet werden müssen. Die Landesregierung hatte dies rechtswidrig unterlassen, um nicht die Fortführung des Tagebaus zu gefährden. Dabei dürfen gemäß FFH-Richtlinie wirtschaftliche Gründe bei der Auswahl der Gebiete keine Rolle spielen. Nach den fachlichen Vorgaben ergibt sich für den Hambacher Wald ein potenzielles FFH-Gebiet von 976 Hektar Größe.

Die Frage, ob eine nachträgliche FFH-Gebietsmeldung wie vom BUND vorgetragen tatsächlich zwingend vorgeschrieben ist, ist einer der zentralen Gegenstände der derzeit anhängigen Klageverfahren des BUND gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Denn eine Nachmeldung als FFH-Gebiet wäre das Aus für den Tagebau.

Bemerkenswert ist ferner, dass alle bergrechtlichen Zulassungen ohne die seit Mitte der 1990er-Jahre vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt werden. Die Bergbehörde beruft sich dabei auf die Genehmigung des Braunkohlenplans aus dem Jahre 1977 (!). Auch das ist ein klarer Verstoß gegen das Europarecht.

Klagen sollen Tagebau stoppen

Entgegen der RWE-Behauptung besitzt der Braunkohlekonzern zurzeit keine rechtskräftigen Genehmigungen zur Fortführung des Tagebaus Hambach. Derzeit führt der BUND drei Klagen zur Rettung des Hambacher Waldes. Bereits seit 2015 läuft das Verfahren gegen die bergrechtliche Zulassung zur Fortführung des Tagebaus von 2020 bis 2030. Darüber muss das Oberverwaltungsgericht des Landes in Münster entscheiden. Auch gegen die vom Land NRW auf RWE-Antrag verfügte Zwangsenteignung des BUND-Grundstücks im Tagebaufeld Hambach geht der BUND juristisch vor. Aktuell kommt es aber besonders auf die BUND-Klage gegen die Hauptbetriebsplanzulassung von 2018 bis 2020 an. Diese Genehmigung beinhaltet auch das „grüne Licht“ für die von RWE ab dem 1. Oktober geplanten großflächigen Rodungen im verbliebenen Kerngebiet des Waldes. Wegen der Eilbedürftigkeit hatte der BUND dazu einen Eilantrag eingereicht. Das Oberverwaltungsgericht muss jetzt entscheiden, um die Kettensägen zu stoppen.Dieser wurde in 1. Instanz vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen, weshalb der BUND unmittelbar Beschwerde einlegte. Auch hier muss jetzt das Oberverwaltungsgericht entscheiden – hoffentlich rechtzeitig, um die Kettensägen zu stoppen.

Der BUND ist optimistisch, sich letztendlich durchzusetzen. Das war uns schon einmal gelungen. Ende 2017 haben letztendlich unsere Klagen dazu geführt, dass erstmals seit 40 Jahren eine Rodungsperiode im Hambacher Wald ausfiel. Im Verlauf des gegen den damaligen Hauptbetriebsplan in zweiter Instanz geführten Eilverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht, haben RWE und das Land NRW aufgrund von Hinweisen des OVG auf die Durchführung von Rodungsarbeiten „freiwillig“ verzichtet und das Verfahren damit beendet, offensichtlich, um einer Entscheidung gegen sie zu entgehen.

Damals hatte NRW-Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) angekündigt, vor Erteilung einer neuen Zulassung ein unabhängiges FFH-Gutachten anzufordern und den Vorgang gründlich zu prüfen. Im Ergebnis erteilte das Land NRW dann bereits im März eine neue umfängliche Hauptbetriebsplanzulassung inklusive Rodungserlaubnis. Das Land NRW stützt sich auf ein reines Gefälligkeitsgutachten.Dabei stützte sich das Land ausschließlich auf ein von RWE in Auftrag gegebenes Gutachten. Aus unserer Sicht ein reines Gefälligkeitsgutachten, das einer fachlichen Überprüfung nicht standhält.

Brauchen wir den Tagebau überhaupt?

RWE wird nicht müde zu behaupten: Ohne die Fortführung des Tagebaus gingen die Lichter in Deutschland aus. Dieses Argument hält dem Fakten-Check nicht stand.

RWE fördert im Rheinland jährlich etwa 91 Millionen Tonnen Braunkohle (2017). Etwa 80 Millionen Tonnen davon gehen in die Großkraftwerke der öffentlichen Stromversorgung, der Rest in die sog. „Veredelung“. Zum Beispiel werden daraus Briketts hergestellt, die über Baumärkte vertrieben werden. Vor allem Kohle aus dem Tagebau Hambach wird dafür eingesetzt: 12 von insgesamt 39 Millionen Tonnen aus dieser Grube gehen gar nicht in die Stromerzeugung. Von den übrigen 27 Millionen Tonnen wird in den Kraftwerken Neurath und Niederaußem Strom erzeugt, der zu etwa 15 % der NRW-Bruttostromerzeugung beiträgt. Doch angesichts massiver Überkapazitäten im Bereich fossiler Stromerzeugung und vor dem Hintergrund von Rekord-Nettostromexporten ins Ausland ließe sich leicht auf den Hambach-Strom verzichten.

Dazu verfügt RWE noch über einen ausreichend großen Puffer, um mehrere Jahre weiter Kohle zu fördern, ohne den Wald weiter roden zu müssen. Zum einen „hinkt“ der Tagebaufortschritt hinter den ursprünglich geplanten Abbaumengen hinterher, zum anderen ließen sich durch eine andere Tagebautechnik, insbesondere durch ein steiler stellen der Arbeitsböschungen, zusätzliche Spielräume nutzen – selbst bei gleichbleibender Fördermenge.

Braunkohle contra Klimaschutz

Aber genau das wäre fatal. Unbestritten ist, dass Nordrhein-Westfalen als größtem Emittenten unter den Bundesländern eine Schlüsselstellung zukommt. Ein Drittel der deutschen Treibhausgasemissionen stammt aus NRW. Allein die Braunkohlenkraftwerke sind für einen CO2-Ausstoß von jährlich 80 Millionen Tonnen verantwortlich.

Die Braunkohle ist derzeit das größte Hindernis zum Erreichen der deutschen Klimaschutzziele.Die Braunkohle ist damit derzeit das größte Hindernis zum Erreichen der deutschen Klimaschutzziele. Wie unlängst ein Gutachten des DIW bestätigte, kann nur ein forcierter Braunkohle-Ausstieg das Erreichen des Klimazieles für den Energiesektor für das Jahr 2030 in Deutschland noch sicherstellen. Nach diesem Gutachten kann der Ausstieg ohne Gefährdung der Versorgungssicherheit so gestaltet werden, dass der Hambacher Wald nicht weichen muss.

Zur Schließung der „Klimaschutzlücke“ bis 2020 hilft zudem nach einer BUND-Studie nur das schnelle Abschalten der ältesten und ineffizientesten Braunkohlenkraftwerke. Und diese stehen im Rheinland: 15 von 18 der dort laufenden Kraftwerksblöcke sind zwischen 1965 und 1976 ans Netz gegangen.

Bezogen auf den Tagebau Hambach bedeutet all dies, dass die geplanten Abbaumengen mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung nicht kompatibel sind und deutlich reduziert werden müssen. Alle vorliegenden Szenarien, die zudem den vom Pariser Klimaabkommen vorgegebenen Rahmen einhalten, erfordern darüber hinaus eine noch schnellere und deutlichere Reduktion der Braunkohleverstromung. Nach Berechnungen des Öko-Instituts im Auftrag des BUND muss zur Einhaltung des Paris-Ziels sogar zwischen 89 und 95 Prozent der im Tagebau Hambach genehmigten Braunkohlemenge im Boden bleiben.

Braunkohlenmoratorium

ein Affront, dass RWE weiter Fakten schafftVor diesem Hintergrund ist es geradezu ein Affront, dass während die sog. „Kohlekommission“ in Berlin über den vorgezogenen Kohleausstieg debattiert, RWE weiter Fakten schafft und die Rodung im Hambacher Wald vorbereitet. Zusammen mit 16 anderen Initiativen und Verbänden hat der BUND deshalb ein „Braunkohlen-Moratorium“ gefordert. Es kann doch nicht angehen, dass der Kohlekonzern nach dem Motto „Augen zu und durch“ weiterbaggert und so nicht zuletzt auch den sozialen Frieden in der Region verhindert.

Mehr Infos: www.bund-nrw.de/hambach




Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Florian Heilbronner 29.08.2018, 16:53:13

+370 Gut Antworten

Wie immer deutlicher wird penetrieren 10 deutsche DaxUnternehmen jegliche Klimamodernisierung:

RWE, VW, Daimler, und andere. Sie hintertreiben massiv den Erhalt der Langfristigen Wohlstandssicherung.

Rudolf Koenig 20.09.2018, 06:48:48

+376 Gut Antworten

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ideologie und klimapolitischer Fortschritt haben noch nie zusammengepaßt und sind eher kontraproduktiv. Klare nachvollziehbare Argumente, verständliche und bezahlbare (Klima)Alternativen für jedermann sind gefragt und keine Selbstverwirklichung Italienischer Kaffeespezialitätentrinker in Pappbechern. Den Streit um den Hambacher Forst kann niemand mehr gewinnen; und wenn, dann wird es ein Pyrrhussieg. Arbeiten Sie konstruktiv im rechtsstaatlichen Rahmen. Nur so wird der Marsch durch die Instanzen erfolgreich werden.

Freundliche Grüße

Rudolf Koenig

Joa Falken 13.08.2019, 10:15:46

+158 Gut Antworten

Wieso regt sich der BUND über ein paar Bäumchen auf?

 

Die wesentlichen Folgen sind die Klimaauswirkungen.

Die CO2-Emissionen aus der Verbrennung der ca. 2019 noch verbliebenden Braunkohle des Hambacher Tagebaus würden rechnerisch zu einer Erhöhung des natürlichen CO2-Gehalts der Atmosphäre um ca. 0,7 Promille wetweit ausreichen, oder zusammengezogen eine CO2-Verdoppelung auf der Gesamtfläche Deutschlands (!!) bewirken, gerechnet mit 4 kg CO2 je m2 und einer Tonne CO2-Emissionen je Tonne Braunkohle.

 

Vor diesem Hintergrund halte ich die Zustimmung des BUND zum Kohlekompromiss für völlig unverständlich. Stattdessen sollte ein entschädigungsloser Ausstieg auf kurze Sicht mittels CO2-Steuern angesetrebt werden.


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