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Die Meinung
29. Juli 2019

Captain, ich empfehle roten Alarm

Wir schreiben das Jahr 2019, Sternzeit -303456.2541222729, Stand der Verkehrswende: Fehlendes Gesamtkonzept, kaum politischer Mut, allseits hoher Umsteigewiderstand. Projekt hochgradig gefährdet. Erde an Weltraum: erbitten Hilfe.

Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband

Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband
Profilbild von Marion Jungbluth. Eine lächelnde Dame im schwarzen Blazer.
Foto: © vzbv - Gert Baumbach

29.07.2019 – Der Druck, die schon seit Jahrzehnten in allen Schubladen vorhandenen Ideen für mehr Klimaschutz im Verkehr umzusetzen, ist so hoch wie nie zuvor. Die Unterstützung der Bevölkerung mehr für Klimaschutz zu tun, ist da. 63 Prozent der Deutschen finden, dass zu wenig für den Klimaschutz getan wird (Statista: 2019). Expertenkommissionen, die Parteien und Fraktionen, sogar ein eigens eingerichtetes Klimakabinett kommen ins Schwitzen: Was tun? Viele Vorschläge liegen auf dem Tisch, aber ein Allheilmittel ist bisher nicht gefunden. Statt die positive Grundstimmung zu nutzen und ein positives Narrativ aufzuzeigen, gefährden Schlagzeilen über Verbote und Verteuerungen das zarte Pflänzchen der Akzeptanz für die Verkehrswende.

Wer die Mobilität verändern will, muss zuerst die richtigen Fragen stellen. Die Kernfrage lautet: Welche Probleme löst eine Verkehrswende? Eine Antwort steht im Fokus: Wir müssen die CO2-Emissionen senken und die Lebensgrundlage für unsere Kinder und Enkel sichern. Aber ein bisschen Verzicht auf Flugreisen und etwas weniger Autofahren reichen nicht aus. Eine grundlegende Transformation der Mobilität ist notwendig. Digitalisierung ist ein weiterer Treiber für gewaltige Veränderungen auf allen Wegen. Verkehrsmittel werden vernetzt und automatisiert. Neue Mobilitätsdienstleistungen wie On-Demand-Services, private Fahrdienste, neue Nutzungsformen wie Sharing oder Abos brechen Verhaltensroutinen auf. Elektrisch angetriebene Fahrzeuge und Kleinstfahrzeuge laden zum Umsteigen ein. Soziale Innovationen verändern die Nutzungsformen.

Die Verkehrswende kann und muss Antworten auf viele Fragen geben. Zum Beispiel: Wie kann die Lebensqualität in den Städten erhöht werden? Können neue Mobilitätsoptionen für die Bevölkerung in ländlichen Regionen geschaffen werden? Kann die Teilhabe von mobilitätseingeschränkten Menschen erhöht werden? Bleibt Mobilität für alle, auch für die Haushalte, deren Budgets knapp und durch steigende Mieten immer knapper werden, bezahlbar? Die Verkehrswende muss am Ende dazu führen, dass die Menschen über zukunftsfähige, sichere und passende Optionen verfügen, ihre Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen – unabhängig von Einkommen, Alter oder Wohnort.

Für den Wandel der individuellen Mobilität müssen Angebote also geeignet sein, entweder Probleme der Menschen zu lindern bzw. zu lösen oder dermaßen attraktiv sein, dass sie als erstrebenswert angesehen werden. Denn nur, wenn der Einzelne in neuen Angeboten eine Verbesserung seines Status quo wahrnimmt, sind die Lebens- und Mobilitätsgewohnheiten wandelbar. Das Smartphone ist dafür das Paradebeispiel. Die Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Mobilität muss stärker an die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen anknüpfen.

Fragen macht klug. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Entfremdung zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihrer Basis in der Bevölkerung lässt sich eine chronische Kommunikationsstörung diagnostizieren. Es fehlt der Resonanzraum, um politische Konzepte und Modelle mit den Bedürfnissen der Menschen rückzukoppeln. Bürgerinnen und Bürger sind in eine passive Rolle geraten. Die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Diskurses ist allseits anerkannt und die Forderung darf in keinem Papier über die Mobilität fehlen. Nur den Worten folgen wie so oft keine Taten.

Die Herausforderungen der Transformation der Mobilität brauchen aber dringend einen breiten gesellschaftlichen Dialog, der einen Grundkonsens zu den Zielen und geeigneten Maßnahmen schafft. Gerade Entscheidungen, die sich so unmittelbar auf die Lebensbedingungen auswirken, wie die Einleitung und Umsetzung der Verkehrswende, benötigen eine starke Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Beteiligungsprozesse müssen zur Keimzelle des Mobilitätswandels werden.

Ein Mittel zum Erfolg muss sein, die Verantwortung der kommunalen Ebene in der Mobilitätspolitik zu stärken. Regionen und Kommunen sollten für die Erreichung der Klimaziele mehr Verantwortung bekommen und auch übernehmen. Sie sind der Schlüssel wenn es heißt, neuartige und angepasste Mobilitätslösungen für spezifische Anforderungen zu entwickeln. Die Entscheidungen über Mobilitätskonzepte vor Ort, müssen auch vor Ort getroffen werden. Dann gestalten diejenigen, die entscheiden, ihr eigenes Lebensumfeld.

Weltraum an Erde: Wer kommuniziert, ist klar im Vorteil!

Der Schub für die Verkehrswende kommt mit gesellschaftlichem Dialog und Beteiligung.




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