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Die Meinung
12. November 2018

Chancen im Energiespeichermarkt

Der weltweite Energiespeichermarkt wird bald massiv wachsen, und Europa muss sich bereit machen, damit es hier seinen Anteil beanspruchen kann. Der Ausbau des Batteriespeichernetzes in Europa bietet europäischen Innovatoren dabei zahlreiche Chancen.

Christian Müller, CEO von InnoEnergy Deutschland

Christian Müller, CEO von InnoEnergy Deutschland
Dr. Christian Müller ist CEO von InnoEnergy Deutschland. (Foto: © InnoEnergy)
Dr. Christian Müller ist CEO von InnoEnergy Deutschland. (Foto: © InnoEnergy)

12.11.2018 – Im Juni einigten sich die Verhandlungsführer der EU auf ein verbindliches Ziel für Erneuerbare Energien in Europa: 32 Prozent sollen es bis zum Jahr 2030 sein. Mit diesem ehrgeizigen Ziel nimmt Europa beim weltweiten Übergang zu sauberen Energien eine Vorreiterrolle ein. Aber während beim Umstieg auf eine kohlenstoffarme Stromerzeugung bereits große Fortschritte gelungen sind, bedarf es dringend innovativer Speicherlösungen, um mehr Erneuerbare Energie unkompliziert ins Stromnetz einspeisen zu können. China hat bei der Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien weltweit die Führung übernommen. Jetzt muss Europa Erfindungsgeist und Entschlossenheit beweisen – und in Sachen Speicherung die Nase vorn haben.

In den letzten 30 Jahren ist Europa zunehmend von zentralisierten Versorgungssystemen abgerückt und hat sich um einen Ansatz bemüht, der von Erzeugung und Verbrauch in Haushalten und Unternehmen ausgeht und von dort aus ein Energiesystem für ganze Städte oder Landkreise schafft. Die Verbraucher nehmen das Thema Energie zunehmend selbst in die Hand – sei es in Form von Solaranlagen auf dem Dach, Kraft-Wärme-Kopplung an Industriestandorten, Elektroautos oder der Heizung, die sich per Smartphone einstellen lässt.

Eine immer wichtigere Rolle spielt daneben die Sektorenkopplung, bei der einander ergänzende Sektoren – in diesem Fall Gebäude, Verkehr, Industrie, Wärme und Kühlung – zu einem einzigen Energiesystem verbunden werden. Zusammengenommen sind diese Trends ein Indiz dafür, dass ein kompletter Umbruch bevorsteht. Veränderungen sind überall zu beobachten. Auf der Suche nach kohlenstoffarmer und dezentraler Energiegewinnung werden Elektrizität, Verkehr und Wärme zunehmend miteinander integriert. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen.

Stand der Energiespeicherung in Europa

Eine Frage drängt sich besonders auf: Wie können wir in einem sich verändernden System Angebot und Nachfrage weiterhin aufeinander abstimmen? Es besteht kein Zweifel, dass unser Stromnetz durch die Elektrifizierung von Transport und Wärme, die unregelmäßige Ergänzung mit Erneuerbaren Energien sowie das Bevölkerungswachstum immer stärker unter Druck gerät. Die Lösung liegt in der Speicherung.

Speicher – in ihren vielen unterschiedlichen Formen – sind der Schlüssel für die Integration von Wärme, Mobilität und Elektrizität, denn sie ermöglichen ein flexibleres und effizienteres Netz, das elektrifizierungsbedingte Nachfragesteigerungen bedienen sowie Lastspitzen auffangen kann. Das ineffiziente und unwirtschaftliche System hoher Erzeugungskapazitäten, die nur kurzzeitig benötigt werden, ist damit hinfällig.

Vorhersagen zufolge bestätigt sich dies am Markt. Die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien prognostiziert, dass die Verbreitung von Batteriespeichern bis zum Jahr 2030 aufgrund der rasch sinkenden Batteriepreise um das 17-Fache zunehmen könnte. In Europa sind wir bislang aber nicht aktiv genug, um an diesem exponentiell wachsenden Markt teilzuhaben.

Die aktuelle Batterieproduktion in Europa deckt nur 4 Prozent der weltweiten Nachfrage. Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist die schleppende Entwicklung der Energiespeicher in Europa auf Marktbarrieren, regulatorische und administrative Hindernisse, begrenzten Netzzugang sowie übermäßige Gebühren und Abgaben zurückzuführen. Um angesichts der asiatischen Wettbewerber ausgeglichenere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, hat die Kommission mit dem Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ eine Initiative zur Marktgestaltung vorgeschlagen, die Investitionen erleichtern und die kosteneffiziente Speichernutzung unterstützen soll. Eine nachhaltige Lieferkette bei der Herstellung von Batteriezellen bis 2025 könnte satte 250 Milliarden Euro pro Jahr wert sein. Betriebe, Unternehmer und Innovatoren haben jetzt die perfekte Gelegenheit, mit der Konkurrenz gleichzuziehen, indem sie innovative Speicherlösungen auf den Markt bringen. Recherchen von InnoEnergy haben ergeben, dass eine nachhaltige Lieferkette bei der Herstellung von Batteriezellen bis 2025 satte 250 Milliarden Euro pro Jahr wert sein könnte. InnoEnergy fördert Lösungen in diesem Bereich und hat dafür kürzlich einen weltweiten Wettbewerb mit einem Preisgeld von 100.000 Euro für Start-ups im Bereich der elektrischen Energiespeicherung aufgelegt, um innovative Technologien und Geschäftsmodelle zu unterstützen. Der weltweite Markt wird bald massiv wachsen, und Europa muss sich bereit machen, damit es hier seinen Anteil beanspruchen kann.

Beispiel Elektroauto

Dieses Wachstum ist teilweise auf die rasant steigende Beliebtheit von Elektroautos zurückzuführen. Aktuellen Prognosen zufolge wird bis zum Jahr 2040 ein Drittel aller PKW elektrisch betrieben werden; bis 2030 sollen es Elektroautos preislich mit Benzin- und Dieselfahrzeugen aufnehmen können. Die Tatsache, dass die Batterie fast 50 Prozent des Verkaufspreises eines Elektroautos ausmacht, kann dabei eine Chance oder ein Risiko sein – es kommt auf die Sichtweise an. Arbeiten Hersteller bestmöglich mit externen Zulieferern zusammen, sind aber von diesen abhängig, oder bauen sie ihre eigene Lieferkette auf und investieren Millionen in Forschung und Entwicklung? Aktuellen Prognosen zufolge wird bis zum Jahr 2040 ein Drittel aller PKW elektrisch betrieben werden

In Deutschland gibt es inzwischen einige Automobilhersteller, die sich für die zweite Option entschieden haben, nämlich das Know-How im Unternehmen aufzubauen und sich eine eigene lokale Lieferkette zu sichern (InnoEnergy, 2018, Clean Air Challenge). Der Audi e-tron, der Elektro-SUV, der Ende September 2018 auf den Markt kam, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie ein Hersteller sich durch eine integrierte Lieferkette den größtmöglichen Wert sichern und die volle Kontrolle über seine Montage zurückgewinnen kann. 2012 eröffnete Audi in der Nähe von Ingolstadt ein Kompetenzzentrum für Hochvolt-Batterietechnologie und brachte damit die gesamte Lieferkette für Batterien unter ein Dach.

Das Ergebnis war die Entwicklung eines kompletten Systems – einschließlich Packaging, Kühlung und Absicherung – das sich perfekt in das Konzeptfahrzeug e-tron integrieren ließ. Da Audi diesen Prozessabschnitt intern durchführt, kann das Unternehmen eine optimierte Lösung für den e-tron herstellen und gleichzeitig Lösungen entwickeln, mit denen sich die Ladedauer verkürzen und die Alterung von Batterien verlangsamen lässt. Heute befindet sich die Batteriefertigung am Standort Brüssel, wo auch der e-tron produziert wird. Die interne Herstellung der Batterien verleiht Audi die uneingeschränkte Kontrolle über die Montagelinie und ermöglicht eine „Just-in-Time“-Produktion.

Bei der Erstellung einer nachhaltigen Lieferkette in Europa gilt es aber auch, die Batterieherstellung unter dem Aspekt der Ganzheitlichkeit zu betrachten – von der Förderung der Rohstoffe bis hin zum Recycling.

Ausgehend von der Lebensdauer einer Batterie lassen sich Möglichkeiten finden, wie der Bedarf an neu geförderten Rohstoffen verringert werden kann. Sind dennoch neue Rohstoffe erforderlich, muss die Förderung nach höchstem ethischem Standard und in möglichst geringem Umfang erfolgen. Auch dies wird von Audi berücksichtigt. Das Kompetenzzentrum hat außerdem erforscht, wie die hochleistungsfähige Batterie des e-tron nach ihrer Nutzungsdauer recycelt werden kann. Das Zentrum präsentiert derzeit eine stationäre Speicherlösung, die an eine Photovoltaikanlage angeschlossen ist, die an sonnigen Tagen bis zu 20 kW Leistung aufbringt. Genau solche integrierten Ansätze brauchen wir, um unser Energiesystem zu revolutionieren.

Diese Schwerpunktsetzung beim Aufbau einer wettbewerbsfähigen Speicher-Lieferkette in Europa lässt hoffen. Und genau von diesen Beispielen brauchen wir mehr. In der Vergangenheit wollten weder etablierte Betreiber noch Investoren die Ressourcen aufbringen, die für den Erfolg der Speicherbranche nötig wären, doch im vergangenen Jahr hat sich mehrfach gezeigt, dass sich dies gerade positiv ändert. Die Integration der Energiesysteme ist auf dem Vormarsch, und die Akteure in Europa, egal ob groß oder klein, müssen sich beeilen, wenn sie von diesem Trend und dem künftigen Energiespeicherbedarf profitieren wollen. Natürlich ist die Integration auch mit Herausforderungen verbunden, aber wenn sich die Lieferkette an einem gemeinsamen Ziel orientiert, wird sich auch der Erfolg einstellen.

Dr. Christian Müller ist CEO von InnoEnergy Deutschland. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der European Battery Alliance hat InnoEnergy kürzlich einen mit 100.000 Euro dotierten Preis bekanntgegeben, um innovative Technologie- oder Geschäftskonzepte mit dem Schwerpunkt elektrische Speicher zu unterstützen.




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