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Die Meinung
12. Mai 2014

Die Bundesregierung auf dem Kreuzzug

Mit den neuen Regelungen der EEG-Novelle gegen Bürgerenergie, Systemintegration von Erneuerbaren Energien und sozialer Gerechtigkeit hat die Bundesregierung klare Position gegen die erfolgreiche Energiewende in Bürgerhand bezogen. Zentralistische Konzernenergie prallt auf dezentrale Bürgerenergie.

René MonoStellvertretender Vorstandsvorsitzender Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn)

René MonoStellvertretender Vorstandsvorsitzender Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn)
René Mono ist Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn). (Foto: © BBEn / Jörg Farys/Die Projektoren)
René Mono ist Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn). (Foto: © BBEn / Jörg Farys/Die Projektoren)

12.05.2014 – Neulich – irgendwo in Berlin-Mitte auf einer der unzähligen energiepolitischen Veranstaltungen. Es geht mal wieder um Energieeffizienz. Ein Vattenfall-Manager zählt auf, was sein Unternehmen alles hierfür unternehmen würde: Smart Metering hier, flexible Stromtarife dort, alles garniert durch schicke Apps, die die Erzeugung von Erneuerbaren Energien und den individuellen Verbrauch anzeigen. Aber, so seine Conclusio, dies bringe alles nichts. „Die Leute interessieren sich nicht für Energie. Und für Wärme noch weniger als für Strom“, seufzt er und wirkt dabei ehrlich verzweifelt.

390 Kilometer weiter südwestlich: Bergheim, ein beschauliches Dorf im hessischen Wetteraukreis. Die Leser des Nachrichtenportals „Klimaretter info“ haben das hiesige Energiedorf zur Bürgerenergiegenossenschaft des Jahres gewählt. Wer Helmut Langlitz, dem Aufsichtsratvorsitzenden des Energiedorfs die Geschichte seiner Energiegenossenschaft erzählen hört und ihm dabei in die vor Begeisterung funkelnden Augen blickt, der spürt eine ansteckende Begeisterung.

Tatsächlich, so bestätigt Langlitz, hätte die Vorstellung, eine eigene Wärmeversorgung mit einem Holzheizwerk und einem Nahwärmenetz aufzubauen, das ganze Dorf mit einem neuen Esprit erfüllt. Ein Geist der Gemeinschaft habe die Bewohner erfasst, sie weg vom Fernsehapparat hin zu den Genossenschaftstreffen getrieben. Was früher der Stammtisch gewesen sei, sei nun eben das Holzheizwerk – ein Ort des Zusammenkommens, ein Ort, die Freizeit gemeinsam zu gestalten, ein Ort, um über die Zukunft des örtlichen Gemeinschaftslebens zu diskutieren.

Der Frust der Berliner über das vermeintliche Desinteresse der ignoranten Energieverbraucher einerseits und der Stolz der elanvollen Bergheimer über ihr Holzheizwerk, ihr Nahwärmenetz und ihre Photovoltaik-Anlage andererseits – vielleicht steht dies sinnbildlich für den Clash of Cultures, der entsteht, wenn die zentralistische Konzernenergie auf die dezentrale Bürgerenergie trifft. Doch wer einmal in Bergheim war, der versteht den wahren Wert der Bürgerenergie erst richtig.

Bürgerenergie eröffnet einen neuen Zugang zu Energie. Aus dem anonymen Produkt „Graustrom“ oder „Egalwärme“ wird dann, wenn die Bürger Erzeugungsanlagen oder Verteilnetze selbst besitzen, ihr eigenes Gut. Ein Gut, das ihnen wichtig ist, um das sie sich sorgen, dessen Verfügbarkeit nicht mehr selbstverständlich ist, sondern etwas Wertvolles darstellt. Und genau darum muss es gehen, wenn wir die Energiewende erfolgreich gestalten wollen. Nur so erreichen wir Fortschritte bei der Energieeffizienz und bei der für die fluktuierende Stromproduktion aus Wind und Sonne so wichtigen Annäherung von Erzeugung und Verbrauch.

Das sind keine abstrakten Hoffnungen. Denn die ersten Geschäftsmodelle, die genau dies erreichen, gibt es schon. Etliche Bürgerenergiegenossenschaften haben sich auf den Weg gemacht, die Erzeugung aus ihren Anlagen so auszurichten, dass der Verbrauch vor Ort bestmöglich bedient werden kann. Der nächste logische Schritt ist, dass die Verbraucher ihrerseits ihren Strombedarf der Erzeugung anpassen. Das wird nur funktionieren, wenn die Verbraucher eine neue Wertschätzung für Strom entwickeln, also immer dann, wenn ihnen der Strom selbst gehört, wenn er aus ihrer eigenen Anlage kommt, wenn es sich um Bürgerenergie handelt. So wird dann auch tatsächlich die viel geforderte Systemintegration von erneuerbaren Strom möglich. Hierbei handelt sich es um nichts anderes als die schrittweise Annäherung von Stromerzeugung aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien und der Nachfrage nach Grünstrom. Die Systemintegration sei, so wird die Bundesregierung nicht müde zu betonen, das Erfolgskriterium für die Energiewende.

Umso ärgerlicher, dass die Bundesregierung mit ihren Plänen zur Reform des Erneuerbaren Energie-Gesetze und der Einführung der verpflichtenden Marktprämie und von Ausschreibungen nicht nur die Bürgerenergie grundsätzlich und einseitig belastet. Nein, sie geht noch weiter, verfängt sich dabei allerdings in offensichtlichen Widersprüchen. Denn obwohl sie der Systemintegration das Wort redet, macht sie Modelle zur dezentralen Direktversorgung, mit denen die Systemintegration gerade erfolgreich umgesetzt wird, praktisch unmöglich. Das gilt insbesondere für den Direktverbrauch. Dabei wird Grünstrom aus einer Anlage in der Nähe des Verbrauchers direkt, das heißt ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes, an den Kunden geliefert.

Zahlreiche Energiegenossenschaften und andere Bürgerenergiegesellschaften können so heute schon Mieterstrom anbieten. Sie achten zum einen darauf, dass es für den erzeugten Grünstrom auch einen realen Bedarf gibt, dass der Grünstrom also in das System integriert wird. Zum anderen stellen sie sicher, dass auch einkommensschwächere Gruppen die Möglichkeit haben, von den unschlagbar niedrigen Kosten des Grünstroms zu profitieren. Dezentrale Versorgungsmodelle sind daher auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Dass der SPD-Parteivorsitzende in seiner Funktion als Energieminister dies nicht anerkannt und stattdessen die Interessen der Industrie und der Energiekonzerne bedient, ist nicht anderes als ein sozialpolitischer Skandal.

René Mono ist Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn). Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) e.V. ist Vordenker der dezentralen Energiewende in Bürgerhand, vertritt die Interessen der Bürgerenergieakteure und vermittelt diese an Politik und Öffentlichkeit. Im BBEn schließen sich lokale, regionale und bundesweit agierende Netzwerke, Organisationen und Unternehmen zusammen. Die Gründer und Mitglieder haben zum Ziel, die dezentrale Energiewende ambitioniert fortzusetzen und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft zu gewährleisten. Mitglied werden kann jeder Interessierte, der sich für die bürgernahe Energiewende einsetzen möchte.




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