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Die Meinung
15. Juli 2019

Die Industrie beim Klimaschutz mitnehmen

Der Klimaschutz ist für die deutsche Industrie Herausforderung und Chance zugleich. Doch die Politik unterschätzt die Innovationskraft der Unternehmen. Um die Potenziale zu entfalten, müssen Fehlanreize zur Energieverschwendung abgeschafft und strategische Anreize für Energieeffizienzinvestitionen geschaffen werden. Das hilft auch, die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern.

Claire Range, Managerin Energieeffizienz in der Industrie bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF)

Claire Range, Managerin Energieeffizienz in der Industrie bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF)
Foto: © DENEFF

15.07.2019 – Die Industrie hat bei den Themen Energieeffizienz und Klimaschutz eine Doppelrolle inne: Einerseits trägt sie mit ihrem Energieverbrauch selbst zum Klimawandel bei. Andererseits stellt sie effiziente Technologien und andere klimaschonende Produkte her und ist damit auch Teil der Lösung. Doch obwohl Klimaschutz derzeit so heiß diskutiert wird wie lange nicht mehr, wird über den Beitrag der Industrie wenig gesprochen.

Oft wird angeführt, dass mit dem europäischen Emissionshandel bereits alle Klimaschutzpotenziale in der Industrie adressiert seien. Doch das greift zu kurz. Zum einen sind längst nicht alle Unternehmen einbezogen, der Emissionshandel zielt primär auf energieintensive Branchen ab. Zum anderen ist das Preissignal für viele Effizienzmaßnahmen zu schwach, auch wenn sich diese langfristig als die kostengünstigste Option herausstellen würden. Ein den Emissionshandel ergänzender CO2-Preis könnte die Emissionen weiterer Unternehmen erreichen. So würde die Chance eröffnet, fossile Energie einzusparen. Um emissionsintensive Prozesse in der Industrie zu dekarbonisieren, müsste dieser Preis jedoch bei mehreren hundert Euro liegen. Das ist politisch untragbar. Unternehmen brauchen also zusätzliche Anreize, in Energieeffizienz zu investieren.

Und Energieeffizienz bringt viele weitere Vorteile mit sich: Unternehmen können ihre Energierechnung reduzieren, werden unabhängiger von Energiepreisschwankungen und erhöhen vielfach ihre Materialeffizienz. Energieeffizienz kann für Industrieunternehmen einen Einstieg in die Digitalisierung bieten, was Handlungsfelder wie die zielgenauere Steuerung von Maschinen und Anlagen sowie predictive maintenance eröffnet. Vielfach können so die Prozesse optimiert, die Produktqualität verbessert und Personalkosten reduziert werden.

Energiesparen voranbringen statt bestrafen

Bis heute fehlt eine kohärente Industriepolitik durch Effizienz. So werden nicht nur enorme Klimaschutz-Potenziale begraben, sondern auch die Innovationskraft der deutschen Industrie völlig verkannt – mit unabsehbaren Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dabei geht es nicht darum, den Unternehmen unwirtschaftliche Maßnahmen aufzubürden oder sie zu einem Energiespardiktat zu zwingen. Vielmehr müssen an erster Stelle damit Schluss gemacht werden, Energieeffizienzfortschritten Steine in den Weg zu legen oder sogar zu bestrafen.

Wie müsste diese Politik also genau aussehen? Zu allererst brauchen Unternehmen Planungssicherheit: Eine Energieeffizienzstrategie sollte sektorale Energieziele vorgeben und den Weg zum Erreichen dieser Ziele aufzeigen. So sind die Leitplanken gesetzt und Innovationen können wirken.

Energieintensive Unternehmen können sich zum Schutz ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit von verschiedenen Steuern und Abgaben auf Energie weitgehend befreien lassen. Das ist auch sinnvoll. Problematisch sind jedoch die harten Schwellenregelungen für den Energieverbrauch, die den Zugang zu diesen Ausnahmen regeln.

Werden die Unternehmen energieeffizienter, riskieren sie unter die Schwellen zu rutschen und die Ausnahmen zu verlieren. Effizienzvorreiter werden so bestraft. Das ist absurd. Bis zur von vielen Seiten geforderten umfassenden Reform des inzwischen recht undurchsichtigen Steuer- und Abgabesystems wäre ein erster Schritt, den Schutz an den Nachweis zu koppeln, dass Unternehmen alle wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz ergriffen oder zumindest für die kommenden Jahre geplant haben.

Wie Energieeffizienzinvestitionen unterstützt werden können, zeigt Irland: Dort können energieeffiziente Maschinen und Anlagen deutlich schneller abgeschrieben werden. Diese beschleunigte Absetzung für Abnutzung (AfA) könnte auch in Deutschland funktionieren und die bestehenden Förderprogramme ideal ergänzen.

Energieeffizienz wirkt

Durch politische Rahmenbedingungen, die Effizienzinvestitionen gezielt anreizen, kann die Industrie dabei unterstützt werden, ihre ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Laut Klimaschutzplan soll der Sektor seine Treibhausgasemissionen bis 2030 auf 140 Millionen Tonnen CO2- Äquivalente senken. Derzeit sind es noch rund 180 Millionen. Das klingt machbar. Aber: Die Emissionen in der Industrie stagnieren seit Ende der 90er Jahre. Ein ähnliches Bild beim Energieverbrauch. Dieser ist nach dem Fall der Mauer quasi gleichgeblieben. Doch Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie sind keinesfalls wirkungslos. Im gleichen Zeitraum stieg die Bruttowertschöpfung um mehr als zwei Drittel bei gleichem Energieeinsatz. Energieproduktivität ist also der Schlüssel. In den letzten Jahren stagnierte aber auch hier die positive Entwicklung – wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, muss der Weg hin zu einer größeren Energieproduktivität konsequent weitergegangen werden.

Der Ball liegt bei der Bundesregierung. Anstatt der Industrie weiterhin nichts zuzutrauen bei den Zukunftshemen Energieeffizienz und Klimaschutz, muss ihrer Innovationskraft endlich Rechnung getragen werden – für mehr Klimaschutz und die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.




Kommentare

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Artur 15.07.2019, 18:31:08

+100 Gut Antworten

Mit einem Wirtschaftsminister Altmeier ist so was nicht zu machen .

Da ist die Industrie selbst schon weiter. Altmeier setzt seine ganze Kraft

ins Verzögern und Blockieren von sinnvollen Gesetzen und tut dabei so

als wäre er der vernünftige Energiewendeminister.

Da wird sich erst wieder was tun wenn es eine neue

Regierung gibt.


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