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Die Meinung
21. Januar 2019

Erdgas ist kein Deut besser als Kohle

In der Energiewirtschaft wird der „Fuel Switch“ propagiert, also der Austausch des Brennstoffs Kohle gegen Erdgas. Dies sei klimafreundlich, weil Erdgasheizungen und Erdgaskraftwerke weniger CO2 emittierten. Erdgas würde die Kosten- und die Versorgungssicherheit gewährleisten und die Klimaziele leichter erreichen lassen. Doch das stimmt nicht.

Klaus Oberzig, Autor und Journalist

Klaus Oberzig, Autor und Journalist
Klaus Oberzig ist Autor und Journalist
Foto: privat

21.01.2019 – Beim Verbrennen von Erdgas entsteht zwar weniger Kohlenstoffdioxid als bei anderen fossilen Energieträgern. Durch das höhere Wasserstoff/Kohlenstoff-Verhältnis wird um bis zu 25 Prozent weniger CO2 erzeugt. Doch additiv mit dem Methan aus den Vorkettenemissionen, die über Leckagen bei der Förderung und dem Transport auftreten, ist es kein Deut besser als Kohle. Denn Erdgas ist CO2 plus Methanaustritte. Letzteres wirkt in den ersten 20 Jahren seiner Verweildauer in der Atmosphäre fast 90-mal klimaschädlicher als CO2. Betrachtet man dies alleine aus der Perspektive deutscher Diskussionen, mag die Problematik verborgen bleiben.

Fracking erfreut die Plastikindustrie

In den GUS-Staaten, in Arabien, und vor allem in den USA, wo immer mehr Schiefergas mit der Fracking-Methode gefördert wird, ist die Situation kritischer. In den USA sind Studien zufolge die Vorkettenemissionen rund dreimal so hoch wie in Europa. Hinzu kommt, dass Fracking-Gas im Gegensatz zu konventionellem Erdgas, das als trocken bezeichnet wird, aus sogenanntem Nass-Gas besteht. Das gefrackte Schiefergas enthält einen höheren Anteil an Ethan, der bis zu 15 Prozent betragen kann. In den US-Fracking-Regionen entstand daher in den letzten Jahren ein neuer Ethanmarkt, der das bisher verwendete Ölderivat Naphta bei der Plastikerzeugung verdrängt. Gefracktes Erdgas lässt sich aus Sicht der Erdgaskonzerne eben zweifach verwerten. „Fracking 4 plastics“ formulierte denn auch eine Stellungnahme der Antifracking-Organisation „Food & Water Europe“ diesen neuen Verwendungszweck von Erdgas.

Der „Fuel Switch“ hin zum Erdgas wird dadurch begünstigt, dass die EU für die Jahre 2019 bis 2023 eine Reduzierung der Emissionszertifikate im EU-Kohlenstoffmarkt ETS beschlossen hat. Als Folge werden die Kohlenstoffpreise ansteigen, erklärte die Organisation Carbon Tracker. Sie schätzt, dass sich ein Zertifikats-Defizit im Umfang von insgesamt rund 1,4 Milliarden Tonnen an CO2-Emissionen ergeben wird. Carbon Tracker meint weiter, die steigenden CO2-Emissionspreise werden den Wechsel von Kohle zu Erdgas gerade in Ländern wie Deutschland, Italien, Spanien und den Niederlanden beschleunigen. In Großbritannien sei dieser Trend bereits erkennbar.

Schadstoffsteuer statt CO2-Bepreisung

Die Forderung nach einer CO2-Bepreisung, die für viele einen populären Hebel der Klimapolitik darstellt, ist gefährlich, da so getan wird, als ob sich die Klimaproblematik auf einen einzigen Schadstoff, das CO2, reduzieren ließe. Stattdessen muss eine Schadstoffsteuer her, die alle klimaschädlichen Gase erfasst und an der Quelle verteuert. Nur so kann klimafreundliche Energieerzeugung und Mobilität gefördert werden. Zudem muss der Solarenergie-Zubaudeckel von 52 Gigawatt ersatzlos gestrichen werden, denn auch er befördert indirekt einen Fuel Switch zum Erdgas. Sonne- und Windenergie sind bereits jetzt kostengünstiger als alle fossilen Energien. Zum Teufel mit dem „Fuel Switch“.

Klaus Oberzig ist Autor und Journalist. Seit 2002 betreibt er das Medienbüro „Scienzz Communication“, das sich mit Wissenschaftsthemen, vornehmlich Schlüsseltechnologien und Energiefragen, befasst. Er ist Mitglied im erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie DGS und Aufsichtsrat bei Bündnis Bürgerenergie.


Weitere Hintergründe




Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

wubbilein 27.03.2019, 13:50:34

+274 Gut Antworten

Die gewagte Überschrift "Erdgas ist kein Deut besser als Kohle" hat mich jetzt wieder 2 Stunden Recherche zu Erdgas CO2 Bilanzen gekostet.

Die Methan-Emissionen bei Förderung und Transport sind zwar ein wichtiges Thema. Aktueller Stand ist meiner Meinung nach jedoch, dass Erdgas (auch Russland/Sibirien) wesentlich besser als Braunkohle abschneidet.

Bei dem US-Fracking-Gas Vorstoß sieht die Sache natürlich sehr viel schlechter aus. Deshalb sollte die Überschrift auch lauten "Fracking-Gas ist schlechter als Kohle".

 

Wenn Sie dann noch die enormen Vorteile bei Feinstaub, Stickoxide und anderen giftigen Gasen erwähnen würden ... gehen Kohle und auch Holz als Brennstoff völlig baden, oder?

wubbilein 27.03.2019, 13:57:42

+234 Gut Antworten

Was können Sie zum aktuellen Stand der Wissenschaft/Forschung zum Thema Permafrost-Rückgang und folgender natürlicher Methan-Ausstoß sagen?

 

Gibt es hier evtl. sogar noch einen mittelfristigen Vorteil, wenn in Sibirien der natüliche "Erdgas/Methan-Druck" gesenkt wird? Also wir sogar das Glück hätten, dass die Verbrennung des Erdgases auf einmal "Klima freundlich" an sich wird. Um jedem Missverständnis vorzubeugen, ich habe hier keinerlei objektive Grundlage für diesen Zusammenhang.

Aber schön wäre es schon einmal zum Thema "Klima" und würde uns unvernünftigen Menschen etwas Zeit zum Umgewöhnen verschaffen.


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