Menü öffnen

Die Meinung
21. Juli 2014

Keine Anreize zur Umweltverschmutzung setzen

Deutschland leistet sich Jahr für Jahr umweltschädliche Subventionen von rund 50 Milliarden Euro. Statt Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung finanziell zu unterstützen, sollte besser nachhaltiges Wirtschaften belohnt werden.

Damian LudewigGeschäftsführerForum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS)

Damian LudewigGeschäftsführerForum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS)
Damian Ludewig ist seit 2008 Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS).  (Bild: Damian Ludewig / FÖS)
Damian Ludewig ist seit 2008 Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). (Bild: Damian Ludewig / FÖS)

21.07.2014 – Heutzutage befinden sich Menschen oftmals in einem Dilemma: Zwischen ihren Moralvorstellungen und ihrem Geldbeutel. Wer sich ökologisch und sozial verhält, wird dafür finanziell bestraft. Konsumenten und Konsumentinnen zahlen für ökologische Lebensmittel mehr als für Lebensmittel, die aus Massentierhaltung oder konventioneller Landwirtschaft stammen. Für eine Urlaubsreise mit der Bahn bezahlt man ein Vielfaches einer Flugreise. Konventionelle Stromanbieter bieten ihre Produkte oftmals noch günstiger an als Anbieter von Ökostrom. All dies ist jedoch nicht gottgegeben oder naturgesetzlich bedingt, sondern hängt von konkreten politischen Entscheidungen ab,  wie der Gestaltung von Steuern und Subventionen.

Umweltschädliche Subventionen belasten dreifach

Deutschland leistet sich Jahr für Jahr umweltschädliche Subventionen von rund 50 Milliarden Euro. Diese Subventionen belasten die Menschen dreifach. Zunächst verzerren sie Märkte und führen damit zu Ineffizienzen und letztlich Wohlstandsverlusten. Zum anderen belasten sie Bürger und Bürgerinnen finanziell, weil Steuern an anderer Stelle unnötig hoch sein müssen, um diese Subventionen zu finanzieren. Zum dritten bewirken sie Umweltschäden, die direkt oder indirekt auch Menschen schädigen, bzw. erneut zusätzliche Staatsausgaben erfordern, um diese Schäden wieder zu beseitigen. Oftmals sind umweltschädliche Subventionen auch noch sozial ungerecht. So profitieren Nutzer von Dienst- und Firmenwagen in Deutschland mit mehr als vier Milliarden Euro im Jahr von der bisherigen Dienstwagenbesteuerung. Die deutsche Industrie erhält jährlich  Vergünstigungen bei den Energiepreisen in Höhe von 16 Milliarden Euro. Der Luftverkehr ist gegenüber anderen Verkehrsträgern durch die Befreiung von der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer um circa zehn Milliarden Euro privilegiert. All diese Subventionen begünstigen umweltschädliches Verhalten. Für eine ökologische Transformation der Wirtschaft ist es dagegen wichtig, dass die Preise die ökologische Wahrheit sagen.

Unser bisheriger wirtschaftlicher Erfolg basiert zu einem beachtlichen Teil darauf, dass Naturleistungen weitgehend kostenlos in Anspruch genommen werden, sei es durch den Abbau natürlicher Ressourcen oder die Nutzung der Atmosphäre als Schadstoffsenke. Durch wirtschaftliche Aktivitäten werden also in großem Umfang Kosten auf die Natur abgewälzt, anstatt sie dem Verursacher selbst in Rechnung zu stellen.

Verursachergerechtigkeit ist jedoch eine zentrale Frage der ökologischen Gerechtigkeit. Viele der Umweltschäden, die heute entstehen, müssen von der Allgemeinheit und kommenden Generationen bezahlt werden. Die Preise sagen also nicht die ökologische Wahrheit. In einem marktwirtschaftlichen System sind Preise aber das zentrale Steuerungsinstrument. Wenn sogenannte „externe Kosten“ nicht „internalisiert“, also nicht den Verursachern in Rechnung gestellt werden, funktionieren Märkte nicht. In welchem Umfang dies heute der Fall ist, zeigt allein der Blick auf die Preise beim europäischen Emissionshandel: Während das Umweltbundesamt mit externen Schadenskosten von 70 – 80 Euro je Tonne CO2 rechnet, müssen Unternehmen an der CO2-Börse heute gerade einmal fünf Euro bezahlen.

Weichen stellen für nachhaltiges Wirtschaften

Um ein zukünftiges Wirtschaftssystem nachhaltig auszugestalten, müssen grundlegende Mechanismen verändert werden. Das beginnt bereits bei der heutigen Wohlstandsmessung: Bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts tauchen Umweltschäden nicht auf. Das Bruttoinlandsprodukt ist daher blind für die ökologischen Probleme unserer Zeit. Eine Politik, die sich an der Maximierung des Bruttoinlandsprodukts ausrichtet, muss ebenso fehlgeleitet sein, wie Entscheidungen von Unternehmen oder Verbrauchern, die sich nur am heutigen Preissystem orientieren. Beides führt dazu, dass Volkswirtschaften immer weiter - auf Kosten der natürlichen Umwelt - wachsen.

Eine Triebfeder des heutigen Wachstums ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Immer mehr Produkte werden mit immer weniger Arbeitskraft hergestellt. Politiker und Politikerinnen müssen daher ihre Entscheidung immer stärker auf eine Ankurbelung des Wachstums ausrichten. Denn sobald die Arbeitsproduktivität schneller wächst als das Bruttoinlandsprodukt, steigt die Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig gilt: Solange die Ressourcenproduktivität nicht schneller wächst als das Bruttoinlandsprodukt nimmt das Ausmaß der ökologischen Probleme zu. Genau hier setzt eine ökologische Steuerreform an: Sie internalisiert externe Kosten, stellt also dem Verursacher die ökologischen Folgen seines Handelns in Rechnung, indem der Ressourcenverbrauch besteuert wird. Dies erhöht die Anreize zur Steigerung der Ressourcenproduktivität. Werden die Mittel zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen in den Sozialsystemen verwendet, steigt gleichzeitig der Anreiz zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Druck hin zu mehr Arbeitsproduktivität sinkt.

Politische Rahmenbedingungen schaffen

Denn anders als die Einführung neuer Subventionen kosten Umweltsteuern den Staat kein Geld, sondern erbringen im Gegenteil zusätzliche Einnahmen. Diese können dazu verwendet werden, Bürger und Bürgerinnen an anderer Stelle zu entlasten. Neben der Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen sind auch die Aufstockung von Sozialtransfers für besonders Bedürftige sowie die gezielte Förderung von Effizienzmaßnahmen denkbar. Letztere hilft, die Energiekosten trotz steigender Preise zu senken.

Nicht zuletzt sollte eine ökologische Finanzreform jedoch in den Rahmen eines ökologisch-sozialen Reformpaketes eingebettet werden. Hierbei sind vielfältige weitere Maßnahmen denkbar, um die soziale Verteilungswirkung positiv zu gestalten. Bei allen Möglichkeiten soziale Aspekte bereits in den Kern einer ökologischen Steuerreform zu integrieren - primär sollten soziale Fragen durch die Sozialpolitik gelöst werden. Hierzu gibt es vielfältige Ansätze und Möglichkeiten.

Eine Ökologisierung des Steuersystems ist keine ganz neue Idee. Bereits unter der rot-grünen Bundesregierung wurden die Mineralölsteuer und die Steuern auf Heizstoffe angehoben und im Gegenzug die Rentenversicherungsbeiträge abgesenkt. In der Konsequenz sind neue Arbeitsplätze entstanden und der Benzinverbrauch war erstmals über mehrere Jahre hinweg rückläufig. Aber auch die schwarz-gelbe Bundesregierung hat im Zuge der Haushaltskonsolidierung einige ökologische Maßnahmen aufgegriffen: Die Kernbrennstoffsteuer wurde 2011 ebenso eingeführt wie die Luftverkehrsteuer, die Ausnahmen der Industrie bei der Energiesteuer wurden gesenkt und die LKW-Maut ausgeweitet. Trotzdem sind die bisherigen Fortschritte mit Blick auf die ökologischen Notwendigkeiten völlig unzureichend. Die Große Koalition sollte daher ihre große Mehrheit für ein großes Projekt nutzen – das Steuersystem auf die Ziele der Energiewende hin auszurichten. Den Einsatz fossiler Energieträger im Bereich Strom, Wärme und Verkehr massiv zu reduzieren und den verbleibenden Bedarf weitgehend durch Erneuerbare Energien zu ersetzen wird nur gelingen, wenn Subventionen für fossile Energie abgebaut werden und das Steuersystem künftig mehr Anreize für Energie- statt für Arbeitseffizienz bietet. Dazu braucht es allerdings Mut und den politischen Willen.

Damian Ludewig ist Diplom-Volkswirt und seit 2008 Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Er vertritt das FÖS im SprecherInnenrat der Klima-Allianz, im Leitungskreis des Netzwerks Steuergerechtigkeit und im Kuratorium des Instituts solidarische Moderne (ISM). Von 2010 bis 2012 war er nebenberuflich an der Universität Lüneburg als Lehrbeauftragter tätig. Vor seiner Anstellung als FÖS-Geschäftsführer arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für zwei Bundestagsabgeordnete. Beim FÖS widmet sich Damian Ludewig der Ökologisierung der Finanzpolitik in Deutschland und Europa.




Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Fabian Hanneforth 21.07.2014, 18:21:59

+353 Gut Antworten

Gibt es eine Liste der Subventionen, die hier 50 Mrd Euro ergeben?

Redaktion energiezukunft 22.07.2014, 15:20:58

+385 Gut Antworten

Sehr geehrter Herr Hanneforth,

 

weiterführende Informationen zum Thema umweltschädliche Subventionen finden Sie auf der Website des FÖS unter http://www.foes.de/themen/umweltschaedliche-subventionen/ . Eine genauere Listung, wie viele Subventionen in welchen Sektor fließen, finden Sie zudem in einer Studie des Umweltbundesamtes unter http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4048.pdf .

Martin Ruck (FÖS) 23.07.2014, 10:29:28

+372 Gut Antworten

Lieber Herr Hanneforth,

 

die Summe der 50 Milliarden Euro stammt vom Umweltbundesamt und gilt für das Jahr 2010.

 

Eine aktuelle Auflistung aller darin berücksichtigten Subventionen finden Sie hier: http://www.umweltbundesamt.de/themen/umweltschaedliche-subventionen-klettern-auf-ueber.


Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft