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Die Meinung
22. Oktober 2018

Rodungsstopp ist eine Chance für die Kohlekommission

Mit dem Märchen, die Stromversorgung würde gefährdet wenn nicht umgehend der Hambacher Wald gefällt wird, hatten RWE und die NRW-Landesregierung öffentlich Stimmung für die Rodung gemacht. Dem ist nun erst einmal ein Riegel vorgeschoben. Daraus ergibt sich für uns die Chance, in der Kohlekommission die Sachfragen beim Kohleausstieg abzuarbeiten.

Reiner Priggen, Mitglied der Kohlekommission und Vorstand Landesverband Erneuerbare Energien NRW

Reiner Priggen, Mitglied der Kohlekommission und Vorstand Landesverband Erneuerbare Energien NRW
Reiner Priggen ist Mitglied der Kohlekommission und Vorstand Landesverband Erneuerbare Energien NRW
Foto: LEE NRW

22.10.2018 – Die Akteure könnten unterschiedlicher kaum sein - und doch handelt es sich um die gleichen Gegenüber wie bereits bei den vielen früheren Konflikten um die Energiewende. Sei es Wackersdorf, Gorleben oder Brokdorf: Auf der einen Seite hat sich erneut ein buntes Bündnis aus Bürgern, Umweltschützern und Aktivisten gebildet. Sie protestieren wieder für die Umwelt und für den Klimaschutz. Sie sind dagegen, die Reste eines mittelalterlichen Waldes abzuholzen, nur um dort klimaschädliche Braunkohle zu fördern. Auf der anderen Seite sehen wir einen milliardenschweren Energiekonzern, der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln seine wirtschaftlichen Interessen durchsetzen will.

Für die Arbeit der Kohlekommission war es nicht gerade hilfreich, dass RWE die Rodung unbedingt erzwingen wollte.Als würde diese Tatsache nicht bereits genügend Diskussionsstoff liefern, findet das Ganze ausgerechnet zu einem Zeitpunkt statt, an dem eine Kommission, als deren Mitglied ich berufen wurde, im Auftrag der Bundesregierung den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorbereiten soll. Für die Arbeit der Kohlekommission war es nicht gerade hilfreich, dass RWE die Rodung unbedingt erzwingen wollte.

Sachfragen statt Märchen

Doch die Debatte bleibt nicht allein im Wald. Auch vor Gericht wird sie weitergeführt. Aktueller Höhepunkt: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass RWE den Hambacher Wald nicht roden darf. Zumindest bis über die Klage des BUND NRW in der Hauptsache entschieden ist. Das Hauruckverfahren, in dem die Bergbehörde und RWE über die Einwände des BUND hinweggehen wollten, hat das OVG nicht akzeptiert.

Mit dem Märchen, die Stromversorgung in Deutschland würde gefährdet, wenn nicht umgehend der Hambacher Wald gefällt wird, hatten RWE und auch die Landesregierung versucht öffentlich Stimmung für die Rodung zu machen. Dem ist nun erst einmal ein Riegel vorgeschoben. Daraus ergibt sich für uns nun also die Chance in der Kommission die Sachfragen beim Kohleausstieg abzuarbeiten.

Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, im Volksmund auch „Kohlekommission“, verfolgt im klimapolitischen Teil drei Aufgaben:

  1. Sie soll Maßnahmen benennen, mit denen das Klimaziel 2030 für den Energiesektor zuverlässig erreicht wird. Aus dem Klimaschutzplan der Bundesregierung ergibt sich hierfür die Vorgabe die Emissionen aus der Energiewirtschaft um 61 bis 62 Prozent im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern. Darüber hinaus soll sie einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, Renaturierungs und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen vorlegen.
     
  2. Eine weitere Aufgabe ist es, Maßnahmen zum Beitrag der Energiewirtschaft vorschlagen, um die Lücke zur Erreichung des Reduktionsziels von 40 Prozent weniger Treibhausgase für 2020so weit wie möglich zu reduzieren. Das bedeutet auch: Die klimapolitischen Ziele in den Bereichen Verkehr und Gebäude sind nicht Aufgabe der Kommission. Die Kommission konzentriert sich auf die Kohleverstromung und dabei insbesondere auf die Braunkohle, weil dort an den Kraftwerken auch die Tagebaue und die damit verbundenen Beschäftigungspotenziale hängen.
     
  3. Die dritte Hauptaufgabe der Kommission ist es, Vorschläge für den beschleunigten Strukturwandel in den Braunkohlerevieren zu machen. Als Kommission bereisen wir deshalb die drei noch aktiven deutschen Braunkohlenreviere: Mitteldeutschland (Halle), Lausitz (Cottbus) und das Rheinische Revier. Ein beschleunigter Strukturwandel ist notwendig, da durch das vorzeitige Abschalten der Kraftwerke und Tagebaue große Veränderungen auf die Regionen zukommen.

Die Kommission soll noch in diesem Jahr ein Ergebnis vorlegen, das von allen Seiten mitgetragen wird. Die Zeit wird also knapp. Der Streit um den Hambacher Wald ist jedoch noch lange nicht beendet und sein Ausgang bleibt ungewiss. Der aktuelle Rodungsstopp ist deshalb, ganz im Sinne der Deeskalation, mehr als angebracht.

Eines zeigt das starke Engagement der Demonstranten bereits jetzt: Die Bürgerinnen und Bürger wollen einen schnellen Kohleausstieg. Es geht nicht allein darum, die Bäume vor der Rodung zu bewahren – es geht ihnen um eine klimafreundliche Energiezukunft.

Reiner Priggen ist seit 2006 Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW und Mitglied der Kohlekommission.




Kommentare

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Ralf Wein 22.10.2018, 18:35:14

+179 Gut Antworten

Eine verückter Gedanke?

Warum nutzen wir die Braunkohlegruben nicht zur Wärmeversorgung von Köln/Bonn/Bergheim/Düsseldorf/Euskirchen/Aachen/Düren ?

 

Mühsam, und begrenzt professionell, unter hohem Kostenaufwand für einzelne Gebäude, wird nach oberflächennaher Geothermie gebohrt. Meist aber nur bis 100m Teufe, da darunter der Stress mit dem Bergamt droht. Die Summe der einzelnen Bohrrisiken ist immens, für Grundwasser und Boden.

 

In den Braunkohleregionen sind bereits vorhandene "Löcher" die bis zu 400m tief ausgebaut sind. In absehbarem Zeitbereich steht deren "Rekultivierung“ an, bzw. läuft parallel zum Kohleabbau.

Warum baut man dort keine Flächenkollektoren oder Erdwärmekörbe ein? Noch billiger kommen wir doch nie mehr an diese Tiefen und diese Flächen.

 

- Bei Flächenkollektoren rechnet man im Mittelwert 30 W/m2 Fläche, bei 1,5 bis 2m Einbautiefe.

- Um wieviel höher wird die Entzugsleistung in 200-400m sein?

In der oberflächennahen Geothermie rechnet man mit 1°C Temperaturanstieg je 100m Teufe.

Das macht schon eine 2-4°C höhere Quellentemperatur als nahe der Erdoberfläche.

- Durch die Tiefe wird der Bodendruck, und damit die Dichte bzw. Wärmeleitfähigkeit deutlich

über dem des Oberflächeniveaus liegen.

- Alleine die Grube Hambach ist 4.100 Hektar gross, gleichbedeutend einer Wärme-Entzugsleistung

von mindestens 1,5 GW!

- Würden Teile der rekultivierten Oberflächen mit Wind-, PV- und Solarthermie-Anlagen ausgebaut, und durch Wärmepumpen ergänzt, könnte der „Energiegewinn“ emissionsfrei und nachhaltig um den Faktor 2,5 - 3,5 gesteigert werden.

- Eine zusätzliche Nutzungbarkeit als Entropie-Speicher wäre sicher prüfenswert.

 

Die Kohlekommission diskutiert gerade einen mehrere Milliarden schweren Sonderetat für die Abbauregionen. Mit der Durchführung eines solchen Geothermieprojektes wäre der Etat generationenübergreifend gut und sinnvoll angelegt, und würde die Arbeitsplätze in der Region auf Jahrzehnte sichern.


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