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Die Meinung
02. Juli 2018

Schluss mit Symbolpolitik. AKW den Saft abdrehen!

Atomfabriken in Deutschland versorgen trotz des Atomausstiegsbeschlusses der Bundesregierung weiterhin Kraftwerke weltweit mit Brennstoff – darunter besonders marode Meiler wie die im belgischen Tihange und Doel. Statt wirksame Maßnahmen dagegen zu ergreifen, betreibt die Bundes- und Landespolitik zahme Symbolpolitik.

Philip Bedall, Referent für Energie- und Atompolitik am Umweltinstitut München

Philip Bedall, Referent für Energie- und Atompolitik am Umweltinstitut München
Foto: © Jörg Farys

02.07.2018 – Kaum ist nach einem Störfall Ruhe eingekehrt, wartet der nächste auf – in den belgischen Atomkraftwerken (AKW) Doel und Tihange reißt die Pannenserie nicht ab: Anfang Juni schaltete sich am AKW Doel Reaktor 4 nach einem technischen Defekt komplett ab. Andere Reaktoren – Tihange 3 und Doel 3 – mussten wegen poröser Betondecken vorübergehend stillgelegt werden. Und nicht zu vergessen: Schon vor Jahren wurden in den Druckbehältern der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 Tausende Haarrisse entdeckt, die im Falle eines Störfalls die Sicherheit besonders gefährden. Doch geht es nach der belgischen Regierung, so sollen die Reaktoren noch bis 2025 weiterbetrieben werden. Ein unkalkulierbares Risiko!

Betrieb der belgischen Pannenmeiler ist rechtswidrig

Angesichts der Pannenanfälligkeit der belgischen Meiler ist deren Weiterbetrieb nicht akzeptabel. Im Falle eines schwerwiegenden Unfalls, wären neben der belgischen Bevölkerung auch Hunderttausende Menschen in den Niederlanden und Deutschland betroffen. Unabhängige AtomexpertInnen kommen zu der Einschätzung, dass ein schwerer Atomunfall in Belgien „nicht praktisch ausgeschlossen“ ist, denn bei den Rissereaktoren sei ein Versagen der Druckbehälter im Bereich des Möglichen. Ihr Weiterbetrieb sei deshalb nichts weniger, als rechtswidrig – so die Bewertung von Dr. Wolfgang Renneberg, 1998 bis 2009 Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium.

Während die EU-Kommission Belgien vor wenigen Tagen erneut verwarnte, weil EU-Vorschriften über nukleare Sicherheit nicht erfüllt sind, vermeidet es die deutsche Politik noch immer, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Stilllegung der Meiler hinwirken. Obwohl Bundes- und Landesregierungen die Sicherheit der belgischen AKW immer wieder kritisieren, gewährleisten sie in vielfältiger Weise den Weiterbetrieb der Pannenmeiler: Die Atomfabriken im westfälischen Gronau und im niedersächsischen Lingen versorgen Atomkraftwerke weltweit mit Brennstoff – darunter die besonders maroden Meiler in Belgien, Frankreich (Fessenheim, Cattenom) und der Schweiz (Beznau, das älteste AKW der Welt).Strahlende Rendite für die Staatskasse Darüber hinaus spülen die AKW Tihange und Doel noch immer kräftig Geld in die deutsche Staatskasse – aller öffentlich bekundeten Sicherheitsbedenken der Bundesregierung zum Trotz. Derzeit hält der Bund Anteile im Wert von 21,5 Millionen Euro am AKW-Betreiber Engie – deutlich mehr noch als im Vorjahr.

Wirksame Maßnahmen gegen Pannenreaktoren liegen auf dem Tisch

Zum Schutz der Bevölkerung könnte die Bundesregierung Brennelemente-Exporte mit sofortiger Wirkung rechtssicher untersagen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten im Auftrag der Ärzte-Organisation IPPNW. Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums wiederum zeigen, dass eine Stilllegung der Atomfabriken möglich ist. Und mit der Stilllegung würden natürlich auch alle Exporte enden. Auch die Aktienanteile am AKW-Betreiber könnten abgestoßen werden. Schon im Juli 2017 hatte die damalige Bundesumweltministerin Hendricks angekündigt, sich hierfür einzusetzen. Doch stattdessen hat sich die Zahl der Anteile in der Zwischenzeit verdreifacht.

„Wie lange noch wollen Bundes- und Landespolitik die Situation der belgischen Pannenreaktoren 'auswerten' und mögliche Maßnahmen 'prüfen'?“, fragen zahlreiche Umweltverbände aus Belgien, Holland und Deutschland in einem Offenen Brief. Die Sachlage ist klar. Die politischen Handlungsmöglichkeiten ebenso. Es ist an der Zeit, dass Bundes- und Landesregierungen vereint die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die deutsche Beteiligung am Betrieb der gefährlichen Atommeiler endlich zu beenden!

Philip Bedall ist Referent für Energie- und Atompolitik beim Umweltinstitut München. Er beschäftigt sich mit den Folgen des fossil-nuklearen Energiesystems und dem nötigen Wandel hin zu Energiewende und Klimagerechtigkeit.




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