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Die Meinung
30. Januar 2017

Verzicht kann so befreiend sein

Wir wissen, dass der Klimawandel gefährliche Realität ist; wir wissen, was unser Konsumverhalten für Auswirkungen darauf hat. Also beziehen wir Ökostrom, kaufen Bio-Lebensmittel und fahren Rad. Aber im Urlaub? Da will man eben weit weg.

Katharina UhligAutorin/Übersetzerin

Katharina UhligAutorin/Übersetzerin

30.01.2017 – Neulich las ich von einer Studie, aus der hervorging, welche Gruppen der deutschen Bevölkerung sich am nachhaltigsten verhalten. Ich war mir sicher, es sei die gebildete, gut informierte Mittelschicht, die wenig bzw. kein Fleisch isst, viel Fahrrad fährt und im Biomarkt einkauft. Weit gefehlt: Es ist der ärmere Teil der Bevölkerung, der sein Billigfleisch bei Aldi kauft und nichts auf Ökolandbau gibt! (Ich bitte, mir die Klischees nachzusehen, aber ohne wirkt es nicht so gravierend.) Und warum? Weil diese Menschen gar nicht das nötige Kleingeld haben, sich so richtig klimaschädlich zu verhalten!

Ich habe außerdem letztens gelernt, was ein so genannter „Rebound-Effekt“ ist: Zum Beispiel, dass man durch nachhaltige Lebensweise Geld einspart, das man dann aber wiederum für andere Konsumgüter ausgibt und somit seinen ökologischen Fußabdruck eher verschlimmert als verbessert. Klar: Wenn man sich nicht nachhaltig verhält, um Geld zu sparen (zum Beispiel indem man auf das Auto verzichtet), dann hat man am Ende welches übrig - und kann der Versuchung nicht widerstehen, sich zu belohnen, indem man es ausgibt. Für eine schöne Reise zum Beispiel - natürlich ganz weit weg. Mit dem Flugzeug.

Vor kurzem habe ich mir den Film „Weniger ist mehr" mal wieder angesehen, in dem es um alternative Lebens- und Konsumentwürfe geht. Da kommt unter anderem ein junger Franzose zu Wort, der ehrenamtlich Fahrradreparaturen für Erwachsene und Kinder anbietet, alle Strecken mit dem Rad zurücklegt, im Unverpacktladen einkauft und in einem WG-Haus lebt. All diese Dinge konnte ich nachvollziehen und mir für mich selbst vorstellen – aber als er sagte, er habe sich auch mit dem Gedanken angefreundet, eben keine weiten Reisen mehr zu machen, für die man zum Beispiel ins Flugzeug steigen müsste, da ertappte ich mich selber bei dem Gedanken: „Das ist doch genussfeindlich." Und ich dachte: "Ach – so selten, wie ich fliege... Das hole ich durch meinen nachhaltigen Lebensstil an anderer Stelle wieder raus. Außerdem kompensiere ich meine Flüge ja immer über atmosfair."

Aber dann las ich einen Artikel, in dem es eben genau darum ging: dass wir immer wieder Ausflüchte finden, Ausreden, um uns nicht so verhalten zu müssen, wie wir eigentlich wissen, dass es richtig wäre. Denn wir tun nicht, was wir wissen. Aus Bequemlichkeit und Angst, etwas zu verpassen. Und weil es eben alle tun.

Und plötzlich fing ich an zu grübeln: Macht es wirklich glücklicher, weit, weit weg zu fliegen, als irgendwo in der Nähe Urlaub zu machen? Ist es nicht auch irgendwie stressig, immer so viele Möglichkeiten zu haben? Wollen wir all diese Dinge wirklich, die wir immer meinen, besitzen und tun zu müssen - oder ist uns das nur eingeimpft? Die Qual der Wahl? Der soziale Druck, mithalten zu müssen, möglichst viel zu erleben, interessant zu sein? Um auf Facebook damit angeben zu können, was wir doch für ein tolles Leben haben?

Wie oft habe ich schon (voller Überzeugung!) zu Leuten gesagt, dass ich eigentlich aus purer Faulheit Veganerin bin: Ich habe keine Lust, mich mit Biorichtlinien und Tierhaltungsstandards auseinanderzusetzen, zu gucken, wo mein Käse herkommt und wie die Hühner gehalten werden, die meine Eier legen. Also lebe ich vegan und fertig. Und ich habe das schon oft als Erleichterung empfunden, genauso wie den Vorsatz, biologische und fair gehandelte Produkte zu kaufen: Es schränkt die Möglichkeiten so schön ein. Ich sehe nicht mehr Regale voller Produkte, sondern habe quasi Scheuklappen auf, weil nur noch weniges davon für mich in Frage kommt. Ich habe nicht mehr die Qual der Wahl zwischen tausend Klamottengeschäften, sondern zwischen ein paar fairen Labels und dem Second-Hand-Laden. Und ich empfinde das als Befreiung, nicht als Einschränkung! Warum also nicht auch in anderen Bereichen? Eigentlich wäre es die logische Konsequenz. Und bei Facebook könnte ich mich dann in dem Zuge eigentlich auch direkt abmelden.

Katharina Uhlig schreibt, übersetzt und unterrichtet zu den Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel.




Kommentare

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Christian 30.01.2017, 18:53:01

+181 Gut Antworten

Hallo Katharina,

 

Ja du hast vollkommen recht! Verzicht ist wirklich Befreiung, wenn ich mir so denke wie oberflächliche Dinge für viele Wichtig sind, muss ich immer nur den Kopf schütteln.

Bist du echte Veganerin oder kaufst du auch den Supermarkt Unsinn?

lg Christian http://gruenersaft.de


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