Menü öffnen

Nachgefragt
07. Juni 2021

„Berlin wird einen Solarboom erleben“

Berlin bekommt ein Solargesetz. Damit werden Solaranlagen auf Wohnungen und Gewerbe zur Pflicht. Michael Efler, energie- und klimapolitischer Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, war federführend an der Ausgestaltung des Gesetzes beteiligt. Warum das Gesetz sozial gerecht ist und zu einem Solarboom in der Hauptstadt führen wird, erklärt er im Interview.

Dr. Michael Efler, Sprecher für Energie- und Klimapolitik, Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin

Dr. Michael Efler, Sprecher für Energie- und Klimapolitik, Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin
Michael Efler
Foto: © Ben Gross Photography/ Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

Schon 2019 haben sie und andere öffentlich ein Berliner Solargesetz gefordert. Woher kam die Initiative für das Gesetz?

Seit Anfang der Wahlperiode 2016 habe ich mich intensiv mit dem Ausbau der Solarenergie in Berlin auseinandergesetzt und dazu viele schriftliche Anfragen gestellt. In Gesprächen mit den Berliner Stadtwerken wurde deutlich, dass wir zwar besser werden, was die Installationszahlen angeht, aber dass es noch immer viel zu langsam vorangeht. Laut einer Studie könnten wir ein Viertel der Berliner Stromversorgung mit Solarenergie aus der Stadt bereitstellen, aber mit den Installationszahlen, die wir jetzt haben, würde das noch hunderte Jahre dauern. Deswegen ist es meine feste Überzeugung, dass wir hier ein ordnungsrechtliches Element brauchen, sowohl für den Neubau als auch den Bestand, um den Ausbau der Solarenergie zu beschleunigen.

Im Koalitionsvertrag waren solche Überlegungen noch gar nicht enthalten.

Genau, das ist ein Projekt, was in der Wahlperiode dazu gekommen ist, ähnlich wie beim Mietendeckel. Vor allem wir von der Linkspartei, aber auch die Grünen haben dieses Projekt vorangetrieben. Und ich bin sehr froh, dass wir es jetzt geschafft haben, uns auf dieses Gesetz zu verständigen.

Es Bestand aber nicht von Anfang an Einigkeit über die Inhalte des Gesetzes, oder?

Nein, dass es bei Neubauten eine Solarpflicht geben soll, war Konsens. Aber uns war es ebenso wichtig, dass die Solarpflicht auch bei Bestandsgebäuden gelten muss, wenn dort am Dach wesentliche Änderungen vorgenommen werden. Darum wurde in der Koalition zum Teil hart gerungen, vor allem um die Ausgestaltung. In einem Entwurf der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Energie vom März gab es bei Bestandsgebäuden noch eine Deckelung von sechs Kilowatt installierter Leistung als Mindestgröße. Vor allem für große Gewerbedächer war das für uns zu wenig. Dort ist sehr viel mehr Fläche für Photovoltaik möglich und es besteht meist ein größeres finanzielles Potenzial. Wir verstehen, dass der Senat wirtschaftliche Interessen im Blick behalten muss, aber uns LINKEN war es wichtig, das Gesetz dahingehend gerechter zu gestalten.

Was erwartet die Berliner denn im Detail mit dem neuen Solargesetz?

Wir haben für private Neubauten und Bestandsgebäude nun vier verschiedene Kategorien gebildet. Die erste Kategorie sind Ein- und Zweifamilienhäuser, die entweder 30 Prozent der Nettodachfläche, oder zwei Kilowatt Solarleistung auf dem Dach installieren müssen. Das ist relativ moderat, da wir die Menschen, wo das Solarpotenzial ohnehin vergleichsweise gering ist, nicht zu sehr finanziell belasten wollen. Die zweite Kategorie umfasst Wohngebäude mit bis zu fünf Wohnungen. Dort müssen mindestens drei Kilowatt errichtet werden. In der dritten Kategorie mit bis zu 10 Wohnungen, sind es sechs Kilowatt.

Alles darüber hinaus ist in Kategorie vier zusammengefasst. Das sind Wohngebäude mit mehr als 10 Wohnungen, aber auch alle Industriebetriebe, Gewerbehallen, Supermärkte, Stadien und weitere private Gebäudeflächen. Dort müssen ab Inkrafttreten des Gesetzes Ende nächsten Jahres mindestens 30 Prozent der Nettodachfläche mit Solaranlagen bedeckt werden, wenn neu gebaut wird oder wesentliche Dachsanierungen vorgenommen werden. Gebäude der Kategorie vier machen immerhin 40 Prozent der Berliner Dachflächen aus.

Was bedeutet Nettodachfläche?

Die Anteile eines Daches, die wegen Verschattung, Dachaufbauten, Dachfenstern, anderer Dachnutzungen oder einer Ausrichtung nach Norden für Photovoltaik ungeeignet sind, werden nicht zu der zu bebauenden Fläche mitgezählt. Der verbleibende Rest ist die Nettodachfläche, auf die sich die Vorgaben beziehen.

Nun müssen Dacheigentümer auch motiviert und unterstützt werden, Solaranlagen zu errichten.

Wir wollen mit einem erweiterten Förderprogramm Lücken schließen. Bislang gibt es in Berlin nur ein Förderprogramm für PV-Anlagen mit Speichern. Vor allem für Menschen mit Ein- und Zweifamilienhäusern ist so etwas schwierig zu realisieren. Mit einem Speicher kommen schnell 5.000 bis 6.000 Euro mehr zusammen. Da wollen wir Förderprogramme auch für einfache Photovoltaik-Anlagen ermöglichen, egal ob Solaranlagen zur Wärme- oder zur Stromerzeugung. Dazu kommen Förderungen für periphere Maßnahmen wie Dachsanierungen, die im Bestand ja teilweise erst den Aufbau von Solarleistung ermöglichen. Auch Mieterstromprojekte wollen wir speziell fördern. Dann haben auch die Mieterinnen und Mieter einen finanziellen Vorteil, denn Mieterstrom muss gesetzlich günstiger sein als der Grundversorgertarif.

Wird es auch sogenannte Contracting-Lösungen geben?

Ja, auch damit wollen wir den Ausbau der Photovoltaik in Berlin fördern. Eigentümer von Gebäuden müssen die Solarpflicht nicht selbst erfüllen, sondern können Aufbau und Betrieb der Solaranlagen an Dritte übertragen. Energieunternehmen oder Genossenschaften pachten die Dachflächen und entscheiden über die Verwendung der Energie. Dabei können Dacheigentümer und Pächter verschiedene vertragliche Lösungen finden, wie und wo die Energie eingesetzt wird. Eine solche Verpachtung hat auch den Vorteil für Mieter, dass die Modernisierungsumlage nicht greifen darf und die Mieten nicht steigen. Das ist nur möglich, wenn der Eigentümer die PV-Anlage selbst auf das Dach bringt. Wobei auch hier umstritten ist, inwieweit dann die Modernisierungsumlage greifen darf. Dazu bedarf es weiterer Diskussionen.

Das neue Solargesetz umfasst aber nur private Gebäude. Was ist mit den öffentlichen Gebäuden Berlins?

Öffentliche Gebäude werden im Rahmen eines neuen Energiewende- und Klimaschutzgesetzes, dass wir aktuell auf den Weg bringen, erfasst. Darin enthalten sind unter anderem Maßnahmen für eine schnelle Dekarbonisierung des Wärmenetzes, energetische Sanierungen und eine Solarpflicht für öffentliche Gebäude. Dort muss dann die komplette Nettodachfläche mit Solaranlagen bedeckt werden und das bis Ende 2024. Das ist ziemlich radikal und wird dazu führen, dass die Solarenergie in Berlin ihren Durchbruch schaffen wird. Natürlich braucht es dafür weitere begleitende Maßnahmen, wie die Qualifizierung und Förderung von Handwerksbetrieben, aber ich bin mir sicher, dass wir dies schaffen und in den nächsten Jahren einen Solarboom in Berlin erleben werden.  

Das Interview führte Manuel Först


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft