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Nachgefragt
18. Dezember 2018

„Das Ergebnis von Kattowitz kann sich sehen lassen“

Erfolg oder Enttäuschung, die Meinungen zur Klimakonferenz COP24 im polnischen Kattowitz gehen auseinander. Wir haben mit dem Klimaexperten Prof. Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung über die Ergebnisse gesprochen und wie es mit dem Pariser Klimaabkommen nun weitergeht.

Prof. Reimund Schwarze, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ

Prof. Reimund Schwarze, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ
Prof. Reimund Schwarze ist Klimaexperte am Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ
Foto: UFZ

18.12.2018 – Seit Jahren beobachtet der Klimaexperte Reimund Schwarze vom Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) die UN-Klimakonferenzen und berichtet im Klimablog UMWELTforsch darüber. Als Professor für Volkswirtschaftslehre lehrt er zudem an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. In den vergangenen zwei Wochen hat er in Kattowitz die 24. Klimakonferenz beobachtet.

Herr Schwarze, die Klimakonferenz ist statt am Freitag erst am späten Samstagabend zu Ende gegangen. Hat sich die Verlängerung gelohnt?

Es waren langwierige und auch schwierige Verhandlungen, dennoch kann sich das Gesamtergebnis sogar mehr als sehen lassen. Ich bin positiv überrascht!

Wie bewerten Sie das sogenannte Regelbuch, das den Treibhausgasausstoß der Länder vergleichbar machen und die Emissionsminderungen kontrollieren soll?

Das Regelbuch war ein hart errungener Kompromiss, aber schlussendlich wurde es konkretisiert und abgesegnet. Das war noch einmal ein wichtiges Bekenntnis zum Pariser Abkommen. Zentral ist dabei der transparente Mechanismus zur Darlegung und Anhebung der nationalen Klimabeiträge. Die Staaten berichten über die Bereiche Klimaschutz, Klimaanpassung, Finanzhilfen und Technologietransfer. Es gibt also endlich klare Regeln, um die Klimabeiträge der einzelnen Staaten transparent und für alle nachvollziehbar vergleichen und summieren zu können.

Warum fallen die Bewertungen der Klimakonferenz so unterschiedlich aus? Greenpeace spricht von einer Enttäuschung, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zeigt sich dagegen erleichtert.

Viele Umweltorganisationen fordern Punkte wie Klimagerechtigkeit und CO2-Bepreisung im Prozess zu verankern. Auf den Klimakonferenzen können wir dagegen nur umsetzen, was 2015 in Paris von allen Staaten und NGOs vereinbart wurde – und wir sind auf einem guten Weg alles auszuschöpfen. Inhaltlich sind die Forderungen sinnvoll, aber es gibt keine Möglichkeiten sie in der Umsetzung des bestehenden Klimaabkommens unterzubringen. Insofern ist solches Verlangen unrealistisch. Man kann in der Umsetzung nicht heilen, was im Schritt davor versäumt wurde. Deshalb kann ich die negativen Reaktionen nicht nachvollziehen. Natürlich müssen die nationalen Klimapläne ambitionierter werden, das Grundgerüst von Paris hingegen kann nicht nachverhandelt werden. Eine CO2-Bepreisung müssen die Staaten mit ihren Klimaschutzmaßnahmen also selbst einführen.

International Klimaschutz predigen, zu Hause aber auf die Bremse treten – wie bewerten Sie die Rolle Deutschlands in Kattowitz?

Die Rolle Deutschlands wird international nach wie vor sehr geschätzt. Die deutschen Finanzzusagen gleich am Anfang, der Versuch die „High Ambition Coalition“ von Paris wiederzubeleben und die besondere Berücksichtigung der Interessen der Inselstaaten wurde außerordentlich positiv gesehen. Das Versagen bei den Klimazielen 2020 wurde allenfalls zur Kenntnis genommen.

Woran liegt das?

Zum einen, weil auch viele andere Länder nichts vorzuweisen hatten. Andererseits startet der Klimaprozess von Paris erst ab 2020. Alles was davor passiert, ist wünschenswert, aber nicht notwendig. Im Englischen würden man sagen „nice to have“. Da Deutschland, etwa im Vergleich zu Frankreich, bei den verbindlichen Zielen und der Klimadiplomatie eine sehr proaktive Position einnimmt, wird die deutsche Rolle insgesamt sehr positiv wahrgenommen.

Polen war bereits zuvor Gastgeber von Klimakonferenzen, gleichzeitig gilt das Land als einer der größten Verfechter von Kohlestrom in Europa. Wie präsentierte sich der Gastgeber in Kattowitz?

Das sehr klare Bekenntnis der polnischen Regierung gleich zu Beginn der Konferenz, an der Kohle festzuhalten, wurde mit Befremden aufgenommen und übrigens sehr viel stärker wahrgenommen als etwa das deutsche Versagen bei den Klimazielen 2020. Das lag am generellen Auftritt der Gastgeber: Statt eines großen Wurfs hat die Regierung aus Warschau nur ein Programm zur Umrüstung von Bussen auf elektrische Antriebe vorgestellt. Genauso wenig ernst genommen wurde die polnische Initiative „Wald für das Klima“, nach der Wälder als Kohlenstoff-Farmen dienen sollen. Es wirkte wie inszeniert, zur Verabschiedung der Deklaration waren nur wenige Staaten anwesend. Die Strategie der polnischen Regierung hat nicht verfangen, das Verhandlungsergebnis wurde von anderen Staaten geprägt.

Die USA, Saudi-Arabien und Russland wurden im Vorfeld bereits als mögliche Bremser in Kattowitz gehandelt. Hat sich das bewahrheitet?

Ja, diese Staaten und zum Schluss Brasilien haben die Verzögerung verantwortet. Eigentlich hätte das fertige Dokument in der Nacht zum Samstag vorliegen müssen, die Interventionen der Brasilianer in den letzten Minuten gehörten zu den schwierigsten in den gesamten zwei Wochen. Auch bei der Frage, wann die Entwicklungsländer ihre Klimapläne vorlegen müssen, hat Brasilien stark gebremst. Einige Staaten haben Konflikte gesucht, die den Klimaprozess im Kern treffen sollten.

Warum haben sich die USA, die als einziges Land ihren Austritt aus dem Klimaabkommen beschlossen haben, so stark eingemischt?

Die Vetos der USA gleich an mehreren Stellen kamen völlig unerwartet, waren aber keine irrationalen oder blinden Störfeuer. Mein Eindruck in Kattowitz war, dass die US-Delegation sich eine Hintertür offenhalten wollte, um möglicherweise 2020 mit einer neuen Regierung wieder in das Abkommen einzusteigen. Der frühere US-Verhandlungsleiter Todd Stern hat das indirekt bestätigt.

Welches Ergebnis hat Sie in Kattowitz besonders positiv überrascht?

Die großen Entwicklungsbanken haben in einer gemeinsamen Aktion eine Verdopplung ihrer finanziellen Hilfen erklärt, das hat einen Ruck gegeben. Auch Deutschland und Norwegen haben ihre Hilfen verdoppelt. Das war ein sehr positives Signal und legt die Messlatte für den Nachhaltigkeitsgipfel im kommenden September in New York. Andere Länder müssen nun folgen.

Für den internationalen Klimaprozess ist der Gipfel im September 2019 der nächste Schritt. Wie geht es anschließend weiter?

Ab 2020 müssen die ambitionierteren Klimabeiträge der Industrieländer vorliegen und ab 2024 sind auch die Entwicklungsländer in der Pflicht. Es gab Diskussionen, die Entwicklungsländer noch später zu verpflichten, das konnte aber nicht durchgedrückt werden. Das Datum 2024 ist bereits unglücklich, denn schon im Jahr 2023 ist die erste globale Bestandsaufnahme geplant und danach alle fünf Jahre.  

In Kattowitz fand die 24. Klimakonferenz statt und viele Menschen haben den Eindruck, dass dieses Format zu kaum greifbaren Ergebnissen führt. Einige Wissenschaftler fordern sogar eine Abschaffung. Ergeben solche großen Konferenzen weiterhin Sinn?

Zu den UN-Verhandlungen gibt es keine Alternative. Denn das Problem ist global, also kann die Lösung nur eine globale sein. Es macht keinen Sinn, einen Klimavertrag in kleinen Gruppen auszuhandeln. Wenn man die weniger ambitionierten Staaten ausschließen würde, könnten die restlichen zu wenig ausrichten, um den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen. Wir müssen weiterhin versuchen, alle mitzunehmen. Zudem sehe ich keinen Grund, die Klimakonferenzen jetzt abzuschaffen. Denn was derzeit geschieht ist nicht zu vergleichen mit dem Zusammenbruch vor einigen Jahren und den jahrelangen Heilungsversuchen rund um die Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen. Das war sehr schmerzhaft, ein Scheitern in Kattowitz wäre schlimm gewesen.

Das Interview führte Clemens Weiß


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