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Nachgefragt
28. Oktober 2020

„Eine Batterie-Komponente verändert das Gesamtsystem“

Lithiumbatterien sind entscheidend für die Energiewende. Sie sollen Ökostrom puffern und Elektroautos mit Strom versorgen. Im Gespräch erklärt Professor Helmut Ehrenberg vom Karlsruher Institut für Technologie, welche Alternativen es gibt und warum es noch kein Recycling für Lithium-Akkus gibt.

Professor Helmut Ehrenberg leitet das Institut für Angewandte Materialien für Energiespeichersysteme am KIT in Karlsruhe. Das IAM-ESS beschäftigt sich mit der Herstellung neuer Materialien, unter anderem für Li-Ionen-Batterien und Post-Lithium-Systeme.

Professor Helmut Ehrenberg leitet das Institut für Angewandte Materialien für Energiespeichersysteme am KIT in Karlsruhe. Das IAM-ESS beschäftigt sich mit der Herstellung neuer Materialien, unter anderem für Li-Ionen-Batterien und Post-Lithium-Systeme.
Professor Helmut Ehrenberg
Foto: Karlsruher Institut für Technologie

Herr Ehrenberg, welche möglichen Innovationen bei Batteriespeichern sehen Sie in den nächsten 10 Jahren?

Die chemischen Kombinationen werden ähnlich zu denen sein, die wir heute bereits kennen. Das liegt an den typischen Innovationszyklen. Bis eine neuartige Zellchemie getestet und skaliert werden kann, vergehen zehn Jahren, schneller ist das kaum machbar. Die Batteriemodule sollen ja eine gesicherte Lebensdauer erreichen und entsprechend sicher sein. Batterien mit Lithium, Kobalt und Nickel werden wir also auch in den nächsten zehn Jahren sehen, in zwanzig Jahren mag das anders sein. Da wären dann Aluminium- und Natriumbatterien vielleicht neue Optionen. Daran arbeiten wir am Karlsruher Institut für Technologie bereits.

Was ist derzeit das kritischste Element in Lithium-Ionen-Batterien?

Das ist Kobalt. Wir werden deshalb den Kobaltanteil in den nächsten Jahren ganz ersetzen. Das versuchen wir heute schon, indem wir Nickel einsetzen, wovon wir etwa zehnmal mehr als Rohstoff verfügbar haben. Das hilft uns also schon ein bisschen. Wenn wir also nicht nur von Kobalt, sondern auch von Nickel ganz wegwollen, müssen wir bei den Übergangsmetallen mit Eisen und Mangan arbeiten. Andere Materialien wären einfach zu teuer für den Massenmarkt, den wir erwarten. Solche Batterien, die auf Eisen und Mangan basieren gibt es bereits heute, aber haben noch deutlich geringere Leistungskenndaten. Ziel muss es deshalb sein, die kritischen Elemente zu ersetzen, ohne deutliche Abstriche bei den Leistungskenndaten wie beispielsweise der Energiedichte zu machen.

Kann ein Recycling von Lithiumbatterien nicht helfen?

Bisher verbrennen wir die Lithiumbatterien und gewinnen allenfalls aus der Asche einzelne Metalle zurück. Wirtschaftlich macht Recycling bei Lithiumbatterien bis dato leider noch überhaupt kein Sinn. Alternativ werden ausgediente mobile Batterien aus Fahrzeugen noch stationär verwendet – das sogenannte Second-Life-Modell. Man sollte beim Recycling aber zwischen verschiedenen Konzepten oder Schritten unterscheiden. Ein Re-Use, also das wiederverwenden von bestimmten Komponenten, wäre ein guter Ansatz, der sich durchaus schon früher rechnen könnte. Man könnte also eine Elektrode abrollen und nach einem Regenerationsschritt wieder in eine neue Zelle einbauen. Das wäre weniger aufwendig, als einzelne Metalle zu extrahieren. Eine Ebene tiefer könnte man auch das aktive Material oder Pulver der Elektrode abkratzen. Forscher sprechen hier von einer Re-Synthese. Übrigens gilt dies künftig auch für das benötigte Graphit, sodass ein Recycling auch wirtschaftlich durchaus sinnvoll werden kann.

Ist nicht schon das auseinanderbauen der Batteriezellen eine Herausforderung?

So ist es. Vielleicht wird es Roboter geben, die das erledigen. Aber die Dokumentation wird das nächste Problem sein, damit der Roboter weiß, was er machen muss. Batterien zu zerlegen, ist ja nicht ganz ungefährlich. Man muss bedenken, dass die Batteriezellen auch immer länger halten werden. Eine 20 Jahre alte Dokumentation für die Zelle muss man dann erstmal haben.

Batteriehersteller Northvolt, an dem auch VW beteiligt ist, hat verkündet eine Recyclingfabrik mit zur Produktion zu entwickeln.

Jeder der nun anfängt eine Zellfertigung im Gigawatt-Maßstab aufzubauen, muss das Thema Recycling mit auf dem Schirm haben. Einen gut funktionierenden Rücknahmekreislauf gibt es beispielsweise auch bei Bleibatterien. Den gibt es aber nicht, weil man das Geld für neues Blei sparen will, sondern weil es die gesetzlichen Anforderungen verlangen. Es gibt kaum etwas billigeres als Schwefelsäure, das werden die Hersteller einfach entsorgen und nicht recyceln. Nickel, Kobalt und Kupfer dagegen sind teure, weil knappe Rohstoffe. Die Hersteller von Lithiumbatterien werden die Zellen vielleicht gar nicht verkaufen, sondern nur leasen und später wieder zurücknehmen, um die Rohstoffe zu behalten. Wenn nun der Autofahrer hierzulande hört, dass ihm die Batterie seines Autos nicht gehört, könnte das zu einem anderen Problem führen. Der Deutsche im Allgemeinen hütet sein Auto ja wie ein Familienmitglied – das mag in anderen Ländern etwas anders aussehen.

Wo liegt der Fokus von elektrischen Autoherstellern?

Es geht vor allem darum, die Kosten der Batterie weiter runter zu bekommen. Bei der Lebensdauer sind wir mit derzeit im Schnitt schon fast zu gut für die Vorgaben der Industrie, wenn man von einer typischen Lebenserwartung von neun Jahren für ein Fahrzeug ausgeht, welche bei der Abwrackprämie mal zugrunde gelegt war. Das Volumen, also die benötigte Größe für eine bestimmte Speicherkapazität, ist auch wichtig, genauso die Sicherheit.

Welche Rolle könnten Festkörper-Akkumulatoren spielen?

Festkörperspeicher sind in erster Linie ein Versprechen, dass die Technologie erst noch einlösen muss. In den nächsten zehn Jahren werden wir sicher noch keinen Massenmarkt für Festkörperakkus sehen. Wir arbeiten an verschiedenen Konzepten und mit unterschiedlichen Materialklassen im Labor, aber es gibt noch viel Arbeit für uns.

Welche Kostenentwicklung bis 2030 halten Sie bei Lithium-Ionen-Batterien für möglich?

Auch wir Forscher werden immer wieder von den Entwicklungen überrascht – wie erst kürzlich mit der Aussage von Tesla-Chef Elon Musk auf dem Batteryday Ende September, dass die Kosten für Lithium-Batteriezellen in den nächsten Jahren auf 50 Euro pro Kilowattstunde sinken könnten. Die Ziele von Musk sind sehr ambitioniert, aber noch in den Grenzen des Machbaren, würde ich schätzen. Die Rohstoffkosten bilden eine nicht unterschreitbare Grenze für weitere Kostensenkungen. Die Elektromobilität ist aber von den Anwendungen viel anspruchsvoller als der stationäre Bereich. Denn Größe und Gewicht der Batterien sind in Autos absolut entscheidend.

Welche anderen Technologien können preislich überhaupt noch mit Lithium-Ionen mithalten?

Mithalten können auch andere Konzepte mit Natrium, Aluminium, Calcium oder Kalium – jedenfalls theoretisch. Eine Technologie mit Natrium wäre sogar billiger als Lithium, aber da eine solche Batterie nur die halbe Energiedichte hat, braucht man wiederum die doppelten Rohstoffe für dieselbe Speicherkapazität. Zudem produziert der Abbau der doppelten Menge von Natriumrohstoffen möglicherweise mehr CO2 in den Bergwerken und beim Transport. Ist das wirklich nachhaltig? Auch hier muss man immer die ganze Lieferkette im Blick behalten. Eine kleine Änderung an einer Batterie-Komponente verändert das Gesamtsystem. Das macht es so schwierig, Batteriezellen zu optimieren.

Das Interview führte Niels H. Petersen.


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