Menü öffnen

Nachgefragt
24. April 2019

„Energie sollte nicht mehr in der Hand von Konzernen sein“

Die Klimaaktivistin Indigo lebte fast zwei Jahre im Hambacher Wald – gegen eine drohende Rodung und für eine alternative Gesellschaftsform. Seit der Räumung im letzten Jahr ist sie nun mit anderen Aktivisten in ganz Deutschland unterwegs, um mit den Erfahrungen aus dem Hambi andere Menschen zum Nachdenken und eigenem Handeln anzuregen.

Indigo, Klimaaktivistin

Indigo, Klimaaktivistin
Foto: © Manuel Först

24.04.2019 – Auch nach ihrer Zeit im Hambacher Wald setzt sich Indigo aktiv für Klimagerechtigkeit und ein nachhaltigeres Leben ein.  

Seit der Räumung im September 2018 lebst du nicht mehr im Hambacher Wald. Wie sieht dein Leben aktuell aus?

Mit anderen Menschen, die ich aus dem Hambacher Forst kenne, leben wir nun als Gruppe in einem Haus, das uns eine Frau zur Verfügung gestellt hat, die es toll fand wofür wir uns einsetzen und das kollektive Leben und die politischen Aktionen, die wir fahren, unterstützt. Als Gruppe, die über die Hausgemeinschaft hinausgeht, haben wir eine gemeinsame Ökonomie. Das heißt wir teilen unser Geld. So gehen manche von uns mit Lohnarbeit Geld verdienen, während andere dadurch die Möglichkeit haben sich politisch zu engagieren. Das führt dazu, dass wir nachhaltiger widerständig bleiben können, weil wir nicht mit den systematischen Zwängen – wie Geld verdienen – allein gelassen werden.

Wie engagierst du dich in dieser Gemeinschaft?

Ich bin vor allem mit anderen aus der Gruppe in ganz Deutschland unterwegs, um unsere Ideen nach draußen zu tragen. In Vorträgen und Workshops versuchen wir über die Geschichte vom Hambacher Forst, mit der Besetzung und dem Widerstand, Hoffnung zu vermitteln. Denn ich glaube, dass die meisten Menschen schon wissen, dass was falsch läuft und sie was verändern wollen, aber nicht wissen wie, oder nicht die Hoffnung haben, dass das wirklich passieren kann. Ich habe vor ein paar Tagen einen Vortrag gehalten, vor zehn Männern, die alle hohe Tiere in einem Computerunternehmen sind. Und es war sehr spannend, weil ich in groben Zügen eine Utopie einer Gesellschaft beschrieben habe und einer direkt meinte, das ist unmöglich. Dann müssten wir die Marktwirtschaft abschaffen. Dafür müssten wir das Geld abschaffen, dann geht eher die Welt unter. Der wäre nicht dagegen gewesen, obwohl er eigentlich jemand ist, der von dem System profitiert, wie es gerade ist. Aber er glaubt, dass es wahrscheinlicher ist, dass wir unseren Planeten zugrunde richten.

Kannst du diese Utopie einmal näher beschreiben?

Für mich ist wichtig, dass die Strukturen einer Gesellschaft danach aufgebaut sind, Menschen eher dafür zu belohnen, dass sie nicht egoistisch handeln. Unsere Gesellschaft ist jedoch gerade so strukturiert, dass es schwer ist, meine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ohne das auf Kosten von anderen zu tun. Stattdessen sollten wir eine Gesellschaft aufbauen, in der die Befriedigung meiner eigenen Bedürfnisse dazu beitragen, dass auch andere ihre Bedürfnisse befriedigen. Dass sie also systematisch so aufgebaut ist, dass wir unsere Bedürfnisse nicht gegeneinander durchsetzen müssen, sondern sie miteinander erfüllen.

Wie kann das funktionieren?

Wichtig ist es zum Beispiel, sich die Besitzfrage zu stellen. Und ein erster Schritt wäre, dass Energie nicht mehr in der Hand von Konzernen ist, die damit Profit machen, sondern in BürgerInnenhand. Dinge, die wir brauchen um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen, sollten zu Allmenden werden, zu Allgemeingut, bei dem wir gleichberechtigt und gemeinsam darüber entscheiden, wie wir diese Ressourcen nutzen wollen. Beim Hambacher Forst war es so, dass der über Jahrhunderte eine Allmende war und dies dazu führte, dass der überhaupt noch stand als RWE ihn schließlich kaufte. Denn die Menschen, die den Wald unmittelbar brauchten, waren auch die, die darüber verfügen konnten. Und die hatten natürlich kein Interesse daran, den zu roden.

Nun hat aber RWE inzwischen 90 Prozent des Waldes gerodet. Glaubst du denn, dass zumindest der Rest des Hambacher Waldes in Zukunft erhalten bleibt?

Ich bin mir eigentlich sicher, dass der bleibt. Als ich vor über zwei Jahren in den Wald gekommen bin, waren sich alle Leute im Wald ganz sicher, dass es keine Chance gibt, diesen Wald zu retten. Doch während der Räumung gab es diese einschneidende Situation: Es war Sonntag und es war wieder Waldspaziergang, aber der Waldspaziergang durfte nicht in den Wald rein. Und es waren 3.000 PolizistInnen da, um den Wald abzuriegeln. Wir waren seit Tagen auf den Baumhäusern und konnten nicht auf den Boden, weil auf dem Boden Polizei war. Da haben wir uns ziemlich ohnmächtig und klein gefühlt. Doch dann haben wir auf einmal Lärm gehört und immer mehr Menschen sind in den Wald reingerannt, waren total euphorisiert und haben gerufen „Hambi bleibt, Hambi bleibt.“ Da sind wir runtergekommen von den Baumhäusern. Und mehrere 100 Leute erzählten uns, wie sie gerade die Polizeiketten durchbrochen haben, um in den Wald zu uns zu kommen. Dann haben wir denen auf einer Karte gezeigt, wo gerade geräumt wird, und die sind losgerannt und haben die Räumung blockiert. An dem Abend hatte ich das Gefühl, dass wir zumindest diskursiv gewonnen haben. Und wenn 2020 das gesellschaftliche Klima noch so ist, dass es legitim ist, einen uralten Wald wegen Braunkohle zu roden, dann haben wir glaube ich noch größere Probleme als dass dieser Wald gerodet wird. Und deswegen möchte ich einfach ganz fest daran glauben, dass das nicht mehr möglich ist 2020.

Inwieweit glaubst du tragen eure Vorträge dazu bei, dass sich das gesellschaftliche Klima weiter zum Positiven entwickelt?

Wir versuchen in den Vorträgen Impulse zu geben, wie Menschen aktiv werden können. Wir glauben daran, dass es sinnvoll ist, einzelne konkrete Kämpfe zu führen, wie zum Beispiel den Kampf um den Hambacher Forst, und sich dabei aber auf eine größere Bewegung für Klimagerechtigkeit zu beziehen und sich zu vernetzen mit anderen Ortsgruppen. Ich weiß, dass sich nach den Vorträgen an mehreren Orten Klimagruppen gebildet haben, die jetzt zu verschiedenen Themen arbeiten. Ich merke einfach wie es Menschen fasziniert, diese Geschichten aus dem Hambi zu hören – wegen den Geschichten vom Widerstand der erfolgreich war und damit Hoffnung gibt, aber auch wegen einem kleinen Funken davon, wie eine Welt anders aussehen könnte.

Das Interview führte Manuel Först

Unter dem Titel „Hambi ist erst der Anfang“ sind die Aktivisten in ganz Deutschland auf Vorträgen unterwegs. Als Gruppe nennen sie sich Solidaritree und unterstützen Menschen dabei politisch aktiv zu werden und sich zu vernetzten.


Mehr zum Thema


energiezukunft