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Nachgefragt
31. Juli 2018

„Erneuerbare Energien sind ein Riesenthema“

Die re:publica Kuratorin Geraldine de Bastion beschäftigt sich seit Jahren mit der digitalen Entwicklung Afrikas. Mithilfe eines globalen Netzwerks unterstützt sie den Wissens- und Technologieaustausch zwischen afrikanischen Ländern und der ganzen Welt. Erneuerbare Energien und Umweltschutz sind dabei wichtige Themen für die digitale Zukunft auf dem Kontinent.

Geraldine de Bastion, re:publica Kuratorin und Co-Founderin von Konnektiv

Geraldine de Bastion, re:publica Kuratorin und Co-Founderin von Konnektiv
Foto: © Konnektiv Kollektiv GmbH

31.07.2018 – Für eine Arte-Dokumentation begab sich Geraldine de Bastion auf eine Rundreise durch die drei afrikanischen Länder Kenia, Ruanda und Ghana. Dort besuchte sie digitale Start-Ups, Hightech Hubs und Hacker-Spaces, die mit viel Elan und allen Widrigkeiten zum Trotz die Digitalisierung Afrikas vorantreiben.

Frau de Bastion, welche neuen Eindrücke haben Sie auf dieser Reise von der digitalen Szene Afrikas bekommen?

Es war wirklich spannend viele Gründer zu treffen, die mit der Einstellung an die Arbeit gehen, ein lokales Entwicklungsproblem zu lösen, darin jedoch keinen Charity-Case, sondern ein Geschäftsmodell sehen und daraus ein Unternehmen bauen – aber eben in einer sehr sozialen Einstellung. Das ist eine Sache, die ich hier manchmal vermisse. Hier herrscht doch sehr stark diese Silicon Valley-Mentalität. Menschen bauen Unternehmen auf, oft im Consumer Bereich, um schnell Venture Capital einzusammeln und diese dann wieder zu verkaufen. Das ist uns unter den Gründern in Kenia, Ruanda und Ghana gar nicht begegnet, sondern wirklich dieses sehr starke soziale Engagement in den Unternehmen.

Dies klingt sehr positiv. Welche Schwierigkeiten gibt es denn bei der Digitalisierung in den afrikanischen Ländern?

Es ist wichtig zu betonen, dass es große infrastrukturelle Herausforderungen gibt. So gibt es zwar in vielen Ländern Afrikas – wie in Kenia – bessere Internetversorgung als bei uns. Aber die Menschen können sich die Daten nicht leisten. Das heißt, es gibt keine Verträge oder andere Möglichkeiten, die angepasst sind an die Einkommen, sondern alles ist Prepaid. Die Daten sind teuer. Daher sind viele Menschen einfach Konsumenten statt Kreateure. Denn Angebote wie Facebook oder Twitter sind oft kostenlos, ohne dass ich Daten benutzen muss auf meinem Handy. So denken viele, das ist das ganze Internet. Dazu können sie jedoch nichts beitragen. Wikipedia zum Beispiel ist kostenlos zu lesen, aber man kann in Kenia ohne Datenvolumen keine Einträge schreiben. Das ist eine große Herausforderung.

Wie sieht es in den Ländern mit der Stromversorgung aus?

Die Stromversorgung ist wirklich eines der Kernprobleme, gerade für Digitalunternehmen. In Kenia waren wir bei Roy, dem Gründer von AB3D, der eigene 3D Drucker entwickelt um Ersatzteile für alle möglichen Bedürfnisse bereitzustellen. Als wir jedoch dort waren, konnten wir am ersten Tag nicht drehen, weil es keinen Strom gab. Für den nächsten Tag hatte er eine Deadline, wo er fünf Kunden was liefern musste. Er erzählte uns, dass sich die meisten auf solche Widrigkeiten bereits mental einstellen. Daher bestehe ein größerer Spielraum zu sagen: „Bei dir war ja auch gestern kein Strom, deswegen weißt du, dass das nicht geklappt hat“. Aber natürlich ist das für ein professionelles Vorgehen eine große Hürde.

Welche Rolle spielen Erneuerbare Energien um diese Schwierigkeiten anzugehen?

Es ist ein Riesenthema. Und es ist ein Bewusstsein dafür da. Vor allem natürlich was Solarenergie angeht. Ein besonderes Beispiel ist ARED, die sogenannte Solarkioske in Ruanda betreiben. Dort können Menschen mithilfe von Solarstrom kostengünstig ihre digitalen Geräte wie etwa Smartphones aufladen und das Internet nutzen. Die Solarkioske sind gerade in Gebieten im Einsatz, wo es keine zuverlässige Stromversorgung gibt. Es ist also ein Bewusstsein dafür vorhanden, aber es fehlt oft noch der Zugang zu der Technologie. ARED zum Beispiel importiert ihre Solarkioske aus Deutschland. Dabei würden sie viel lieber vor Ort zusammenbauen, aber die Hardwareimport-Restriktionen sind zu groß. Wenn sie die Komponenten bestellen, würden sie zusammengenommen so viel zahlen, wie für den kompletten Kiosk. Das ist ein Strukturproblem. Vor allem die legislativen Rahmenbedingungen müssen in vielen Ländern angegangen werden.

Dabei gibt es teilweise große Unterschiede zwischen den Ländern und der staatlichen Förderung einer digitalen Zukunft.

Das ist wirklich sehr divers. Es sind schließlich 54 Länder, mit sehr unterschiedlichen Regierungsformen und sehr unterschiedlichen Freiheitsrahmen. Ruanda ist zum Beispiel ein Land, das digitale Entwicklung sehr stark fördert und sich zum Ziel gesetzt hat, so ein bisschen das Estland Afrikas zu werden. Das Land besitzt wenig Ressourcen und fördert stattdessen den Tourismus und die Informations- und Kommunikationstechnik. Aber gleichzeitig ist es auch ein Land, das sich Menschenrechte nicht gerade auf die Fahne schreiben kann. Ghana hingegen ist ein Land, wo noch sehr viele Internetversorgungs- und Energieprobleme existieren, aber gerade was Menschenrechte und Pressefreiheit angehen, sehr viele Freiheiten bestehen. Das heißt, es ist wirklich sehr unterschiedlich von Kontext zu Kontext, wie und was gefördert wird.

Thema Umweltschutz: Findet dieser bei der Digitalisierung Afrikas Beachtung?

Das kann ich natürlich nicht für alle Vorhaben sagen, aber wir haben zum Beispiel ein Mitgliedshub unseres Global Innovation Gathering-Netzwerks in Togo – das Woelab. Die haben sich zum Ziel gesetzt, speziell mit recyceltem Material zu arbeiten. So werden zum Beispiel 3D-Drucker komplett aus Elektromüll gebaut. Denn Togo ist eines der Länder, wo wir unseren ganzen Schrott hin karren. Das heißt, die müssen mit dem ganzen Elektromüll leben, den wir produzieren und haben sich natürlich überlegt, wie können wir damit sinnhaft kreativ umgehen. Der Elektromüll ist ein riesiges Problem in vielen afrikanischen Ländern. Aber es ist auch gut zu sehen, wie es in manchen Ländern wirklich einen Ruck gibt. Besonders das Thema Plastik zeigt dabei, wie schnell in manchen Ländern Veränderung stattfindet. Nach Ruanda hat auch Kenia innerhalb weniger Monate Plastiktüten verboten. Es muss auf der einen Seite ein Bewusstsein in der Bevölkerung geschaffen, auf der anderen Seite aber auch an den regulatorischen Stellschrauben gedreht werden.

Das Interview führte Manuel Först.

Die Arte-Dokumentation Digital Africa – Ein Kontinent erfindet sich neu wird am 31.07.2018 ausgestrahlt. Eine Webreihe begleitet das Thema. In diesem Jahr wird die re:publica zusätzlich erstmals auf afrikanischem Boden stattfinden. Schauplatz ist Ende des Jahres die ghanaische Hauptstadt Accra.


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