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Nachgefragt
23. Oktober 2015

„Grüner Strom alleine reicht nicht“

Oberflächennahe Geothermie, bei der keine tiefen Bohrungen notwendig sind, lässt sich auf vielfältige Weise einsetzen. Wann eine solche Anlage lohnend ist, erklärt Leonhard Thien, Mitarbeiter der EnergieAgentur.NRW und Sprecher oberflächennaher Geothermie im Bundesverband Geothermie, im Gespräch.

Leonhard Thien ist Mitarbeiter der EnergieAgentur.NRW und Sprecher Oberflächennaher Geothermie im Bundesverband Geothermie e. V.
Leonhard Thien ist Mitarbeiter der EnergieAgentur.NRW und Sprecher Oberflächennaher Geothermie im Bundesverband Geothermie e. V.

Herr Thien, beschränkt sich der Einsatz der Oberflächennahen Geothermie aus geographischen Gründen auf bestimmte Regionen?

Nein, die Nutzung ist grundsätzlich in ganz Deutschland möglich. Sie lässt sich selbst in altem Gebäudebestand in der Stadt nachträglich einsetzen, einzig eine Gartenfläche oder eine Einfahrt ist nötig, in der die unterirdischen Anlagenteile eingebracht werden können. In einigen Regionen darf man die Technologie allerdings nicht oder nur eingeschränkt nutzen, beispielsweise in ausgewiesenen Wasserschutzgebieten.

Bei der Oberflächennahe Geothermie werden Wärmetauscher-Rohre vertikal oder senkrecht in den Boden eingebracht. Sie entnehmen dem Untergrund Erdwärme, die mittels einer Wärmepumpe auf ein höheres Temperaturniveau gebracht wird. Anschließend wird die Wärme beispielsweise zum Heizen eines Gebäudes genutzt…

… das ist das Grundprinzip. Allerdings gibt es bei der Oberflächennahen Geothermie verschiedene Möglichkeiten, Erdwärme zu erschließen: mittels Sonden, Kollektoren, Körben, Brunnenanlagen oder Energiepfählen. Sonden werden am häufigsten verbaut, da sie platzsparend und effizient sind. Sie werden senkrecht in den Untergrund eingebracht und können in Tiefen von über 100 Metern reichen. Die Anzahl und Tiefe der Sonden hängt vom Wärmebedarf des zu versorgenden Gebäudes ab und von den geologischen Verhältnissen vor Ort. Kollektoren und Körbe werden  horizontal verlegt, in geringen Tiefen von nur 80 bis 160 Zentimetern. Sie sind einfacher zu verlegen, benötigen jedoch mehr Platz als Sonden. Die Brunnentechnologie ist eine weitere Form der Erdwärmenutzung.  Sie benötigt keine Wärmetauscher-Rohre, sondern zieht die Wärme mithilfe von einem Förder- und einem Schluckbrunnen direkt aus dem Grundwasser. Diese Technologie ist effizient, benötigt allerdings besondere hydrogeologische Verhältnisse, denn es muss durchgängig genügend Grundwasser in guter Qualität zur Verfügung stehen. Gute Bedingungen hierfür herrschen etwa in der Nähe von Flüssen. Eine weitere Option ist, beim Bau eines neuen Gebäudes Wärmetauscher-Rohre in die Gründungspfähle einzulassen. Der wirtschaftliche Vorteil ergibt sich vor allem daraus, dass Bauteile genutzt werden, die aus statischen Gründen sowieso errichtet werden müssen. Der Mehraufwand dafür diese sogenannten Energiepfähle ist relativ gering. Bohrarbeiten wie bei Erdwärmesonden fallen nicht an.

Muss der Besitzer seine geothermische Anlage regelmäßig warten lassen?

Die im Untergrund verlegten Rohre sind robust und völlig wartungsfrei. Die oberirdischen Komponenten der Anlage, wie etwa die Wärmepumpe, sollte man, wie alle anderen Heizungsanlagen auch, regelmäßig warten lassen.  Kosten und Aufwand hierfür sind ähnlich hoch wie bei einer Öl- oder Gasheizung. Allerdings muss bei einer geothermischen Anlage kein Schornstein gebaut werden – somit entfallen die jährlichen Ausgaben für den Schornsteinfeger.

Nehmen wir an, ein Einfamilienhaus soll mit Erdwärme beheizt werden. Können Sie pauschal eine bestimmte Technologie empfehlen – oder geht es darum, für jeden Bedarf und Ort einen passenden „Instrumentenkasten“ an eingesetzten Materialien und Technologien zu ermitteln?

Zunächst ist eine Bestandsaufnahme der Gegebenheiten vor Ort wichtig, erst auf dieser Basis lässt sich alles Weitere entscheiden. Fast alle Bundesländer bieten inzwischen Geo-Informationsportale mit sogenannten thermischen Standort-Checks an. Hier können interessierte Bürger Informationen über den Einsatz der Geothermie und die Gegebenheiten vor Ort einholen, und zwar passgenau für das eigene Grundstück. Dabei erfährt man unter anderem, ob das eigene Haus in einem Wasserschutzgebiet liegt.

Auch Bauplaner mit hohem Interesse am Einsatz Erneuerbarer Energien kritisieren immer wieder, eine geothermische Heizanlage amortisiere sich zu langsam. Bislang ist es der Technologie nicht gelungen, sich zu wettbewerbsfähigen Kosten auf dem Markt zu etablieren.

Die Technik selber ist nicht teuer. Das Problem sind die Stromkosten. Obwohl geothermische Anlagen umweltfreundlich Wärme erzeugen, müssen ihre Besitzer für den von der Wärmepumpe benötigten Strom leider die EEG-Umlage zahlen. Um die Kosten gering zu halten, empfiehlt sich ein Wärmepumpentarif. Leider bieten immer weniger Stromanbieter einen solchen Tarif an. Als Faustregel für den Betrieb einer Erdwärmeanlage mit Kostenvorteil gilt: Der Kilowattstunden-Strompreis dividiert durch die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe muss kleiner sein als die Kosten für eine Kilowattstunde Erdgas- oder Erdöl. (Anm. der Redaktion: Die Jahresarbeitszahl ist eine über das ganze Jahr gemittelte Kenngröße. Sie gibt das Verhältnis der über diesen Zeitraum von der Wärmepumpe abgegebenen Heizenergie zur aufgenommenen elektrischen Energie an.) Wer weniger teuren Strom einkaufen möchte,  könnte zudem seine Wärmepumpe mit Photovoltaik kombinieren. Die Solaranlage auf dem eigenen Dach kann 30 bis 40 Prozent desfür den Betrieb der Wärmepumpe benötigten Stroms herstellen. Um diese Idee zu unterstützen, hat die EnergieAgentur.NRW die Initiative „Sonne macht Strom, Pumpe macht Wärme!“ gestartet, die ein Zusammenwachsen von Photovoltaik und Geothermie fördern soll. Im Sommer lassen sich Häuser mit Erdwärme kühlen. Insbesondere bei größeren Bürogebäuden ist Geothermie deswegen über einen längeren Zeitraum betrachtet günstiger als eine Ölheizung plus Klimaanlage.

Wie lange dauert es in etwa bei einem durchschnittlich großen Einfamilienhaus, bis sich eine Erdwärme-Anlage amortisiert hat?

Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Förderung der Oberflächennahe Geothermie über das Marktanreizprogramm (MAP) seit April erhöht. Das heißt konkret: Sie möchten in einem Altbau eine Sonden-Anlage mit moderner Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von vier installieren. Hierfür erhalten Sie 4.500 Euro Zuschuss. Bei einem Neubau ist eine etwas effizientere  Anlage mit einer Jahresarbeitszahl von 4,5 möglich. Auch sie erhält 4.500 Euro Zuschuss – der Betrag reicht je nach geologischen Gegebenheiten bereits für die Installation des unterirdischen Anlagenteils. Hinzu kommen die Kosten für die Wärmepumpe. Insgesamt kann sich die Investition dann nach rund zehn Jahren amortisieren.

Wird sich Oberflächennahe Geothermie in den kommenden Jahren stärker verbreiten?

Das hoffe ich. Die Wärmewende ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Grüner Strom alleine reicht nicht. Zudem sollte Regionalität weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Denn wer mit Photovoltaik und Geothermie seine eigene Energie herstellt, unterstützt die heimische Wertschöpfung. Das Geld bleibt in der Region und fließt nicht etwa ins Ausland ab.  

Herr Thien, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Rebecca Raspe.


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