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Nachgefragt
14. Mai 2021

„Jetzt schließt sich der Kreis“

Strom aus ausgeförderten Windkraftanlagen ist wichtig für den Strommix, mit dem der Ökostromanbieter NATURSTROM seine Kunden versorgt. Weshalb das so ist und wie das funktioniert, erklärt Oliver Hummel.

Oliver Hummel ist Vorstand der NATURSTROM AG und für die Belieferung der Endkunden und den Handel mit Strom und Gas zuständig.

Oliver Hummel ist Vorstand der NATURSTROM AG und für die Belieferung der Endkunden und den Handel mit Strom und Gas zuständig.
Foto: NATURSTROM AG

Herr Hummel, was sind das für Windkraftanlagen, die NATURSTROM in sein Portfolio aufnimmt?

Es handelt sich dabei um Anlagen, die nach mindestens 20 Jahren Anfang des Jahres aus der EEG-Vergütung gefallen sind, also echte Pionieranlagen. Dabei gibt es verschiedene Anlagentypen und Größen, diese Anlagen der frühen Jahre sind aber für heutige Verhältnisse alle recht klein. Was man dabei nicht weiß ist, wie lange sie noch einwandfrei funktionieren und Strom liefern werden. Wir haben daher ein Portfolio aus vielen verschiedenen Anlagen aufgebaut und können so trotz des Ausfallrisikos einzelner Anlagen die gewohnte Liefersicherheit erreichen.

Spiegelt sich das auch in den Laufzeiten der Verträge wider?

Ja, die Verträge sind aufgrund der unklaren Restlebensdauer der Anlagen in der Regel Ein-Jahresverträge. Diese Verträge zu schließen und den Verwaltungsaufwand für die Erfüllung zu leisten kostet einige Anstrengungen. Im Gegensatz dazu schließen wir bei neu errichteten PV-Anlagen Verträge mit Laufzeiten von meist 10 Jahren.

Welche Motive treiben Sie, diesen Weg zu gehen?

Wir wollen das anbieten, was auch unsere Kunden sich wünschen – und das ist ein Mix der Erneuerbaren Energien. Das heißt, Strom aus Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik, der aus vielen verschiedenen dezentralen Anlagen stammt. Das ist jetzt möglich – mit dem Strom aus ausgeförderten Windanlagen und dem Strom aus neuen Photovoltaikanlagen, die außerhalb der EEG-Vergütung gebaut werden. In den letzten Jahren kam unser Strom aufgrund der ungünstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen hauptsächlich aus Wasserkraft. Das ändert sich nun.

Weshalb muss der Strom aus Anlagen stammen, die keine EEG-Vergütung erhalten?

Solange der Strom aus Anlagen kommt, die eine EEG-Vergütung erhalten, kann man den Strom nicht als Ökostrom vermarkten. Ein Ökostromanbieter konnte deshalb mit diesem Strom nichts anfangen. Jetzt, wo es alte Wind- und neue Solaranlagen ohne EEG-Förderung gibt, können wir deren Strom in unseren Strommix aufnehmen und endlich auch wieder als Ökostrom vermarkten.

Nehmen Sie auch Strom aus ausgeförderten Solaranlagen unter Vertrag?

Die Solaranlagen der Anfangsjahre sind einfach zu klein. Die Direktvermarktung lohnt sich schlichtweg nicht, denn sie verursacht – wie schon gesagt – auch einigen Aufwand. Die Anlage verwalten, Meldungen dazu abgeben, Abrechnungen erstellen, technische Auflagen zu erfüllen – das haut aktuell wirtschaftlich nicht hin. Daher hat die Regierung ja auch – im letzten Moment, aber immerhin – eine Anschlussförderung für diese Kleinanlagen geschaffen. Für uns liegt die Untergrenze für die Vermarktung aktuell bei etwa 300 Kilowatt Leistung. In einigen Jahren, wenn größere Photovoltaikanlagen ihr Förderende erreichen, wird das für uns aber sehr interessant werden.

Wird sich der angebotene Strommix in Zukunft weiter verändern?

Sicher, der Strommix verändert sich immer etwas. Es wird aber ein Mix aus Wasser, Wind und Sonne bleiben. Dabei wird der Anteil der Photovoltaik vermutlich weiter steigen, denn Strom aus neuen Photovoltaik-Freiflächenanlagen ist mittlerweile so günstig, dass Betreiber sich teilweise gar nicht um eine EEG-Vergütung bewerben, sondern direkt mit einem Abnehmer wie uns einen Vertrag schließen. Hier sieht man, dass das Ziel des EEG und der Energiewende erreicht wurde: Solarstrom aus größeren Anlagen ist mittlerweile voll wettbewerbsfähig. Und das in einem Land wie Deutschland – wo die Sonne längst nicht so häufig scheint wie in südlicheren Gefilden. Dort können die Anlagen noch viel günstiger produzieren.

Will NATURSTROM zukünftig vermehrt eigene Anlagen bauen?

Die PV-Freiflächenanlagen wollen wir zum großen Teil innerhalb unserer Unternehmensgruppe entwickeln und bauen, so wie wir das in den letzten Jahren begonnen haben. Über die Zeit werden wir so unser Portfolio an Photovoltaikanlagen weiter vergrößern.

Gibt es bei der Größe der Anlagen Beschränkungen?

Keine Beschränkungen, aber die Größe, in der wir uns in der Regel bei PV-Anlagen bewegen, liegt um die 10 Megawatt Leistung. Unser Ziel ist es nicht, riesengroße Solarparks mit 100 Megawatt und mehr zu bauen, wie dies die großen Konzerne machen. Das erfordert sehr viel Kapital und entspricht auch nicht unserer Philosophie. Solche Riesenprojekte können auch schnell den Zuspruch bei den Menschen verlieren und zu Akzeptanzproblemen führen. Das sollten wir als Branche vermeiden. Aber auch große Projekte – wenn sie ordentlich gemacht sind und die örtlichen Gemeinden gut eingebunden – sind natürlich weiterhin wichtig für die Energiewende.

Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Für uns schließt sich nun der Kreis. Endlich können wir dezentrale Erzeugung und Verbrauch direkt zusammenbringen. Das ging bisher so nicht. Die Kosten für Wind und PV waren dafür einfach noch zu hoch und die gesetzlichen Regelungen nicht passend. Dass sich das nun ändert, ist ein großer Erfolg. Hohe Solar- und Windstromanteile in unserem Mix waren immer unser Ziel. Es macht weltweit auch wirtschaftlich nun endgültig keinen Sinn mehr, neue konventionelle Erzeugungsanlagen zu bauen. Diese Zeiten sind hoffentlich bald ein für alle Mal vorbei. Und die niedrigen Kosten werden in den nächsten Jahren auch Investoren überzeugen, die den ökologischen Kriterien eher skeptisch gegenüberstehen. Darauf freue ich mich.

Das Gespräch führte Petra Franke.


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