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Nachgefragt
19. November 2015

Klimapolitik vor Gericht

Gegen Brandenburgs und Sachsens Braunkohlepläne laufen Klagen, weil sie den deutschen Klimazielen entgegenstehen. Auf welcher Grundlage Gerichte klimapolitisch aktiv werden können, und ob auch gegen die Bundesregierung geklagt werden kann, erklärt Karsten Smid, Experte für Klima- und Energiefragen bei Greenpeace.

„Wir gehen davon aus, dass ein Kohleausstieg bis 2030 notwendig ist, um die klimapolitischen Ziele zu erreichen.“ (Foto: © Gordon Welters / Greenpeace)
„Wir gehen davon aus, dass ein Kohleausstieg bis 2030 notwendig ist, um die klimapolitischen Ziele zu erreichen.“ (Foto: © Gordon Welters / Greenpeace)

19.11.2015 - Greenpeace ist an einer Klage beteiligt, die Ende August gegen den Braunkohleplan Brandenburgs eingereicht wurde. Sie sagen nicht nur, dass er energiepolitisch unrealistisch ist, sondern Sie führen konkrete Rechtsverstöße an. Welche sind das?

Wir zeigen auf, dass dieser ganze Plan nicht stimmig ist. Er steht im Widerspruch zu dem, was energiepolitisch machbar ist. Die Bundesregierung hat ja zum Ziel gesetzt, bis 2050 eine CO2-Reduktion um 80 bis 95 Prozent zu erreichen. Zwischenziele sind 40 Prozent bis 2020 und 55 Prozent bis 2030. Das sind Vorgaben, die über der Regionalplanung stehen, mit deren gegenwärtigen Form aber nicht umzusetzen sind.

Haben diese Vorgaben Rechtskraft?

Ja. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass wir diese Regionalplanung für nichtig erklären lassen können.

Gibt es weitere Rechtsverstöße, die Sie in der Klage bemängeln?

Wir stützen uns auch auf das Urteil zum Tagebau Garzweiler im Rheinischen Revier. Dort wurde klar gesagt, dass bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines neuen Tagebaus die Bevölkerung vor Ort ein Klagerecht hat. Dieses Recht, gegen den Landesplan zu klagen, ist dem Kläger in diesem Fall verwehrt worden. Das ist unserer Meinung nach verfassungswidrig. Es muss geprüft werden, ob nicht höhere Richtlinien so einem Landesplan widersprechen. Das wird sich nun wohl ein bis zwei Jahre hinziehen.

Es geht hauptsächlich um die Ausweitung des Tagebaus Welzow-Süd. Wie groß wäre die Erweiterung und welchen Zweck hat sie?

Es geht um den Aufschluss einer neuen Braunkohlegrube. Das ist ein sehr großes Vorhaben, das wieder Natur zerstören und weiter den Wasserhaushalt belasten würde, und wegen dem wieder Menschen vertrieben würden. Es wird aber gar nicht gebraucht, weil die in den bereits aufgeschlossenen Tagebauen vorhandene Braunkohle locker ausreicht, um die Versorgung der Kraftwerke sicherzustellen. Wir gehen davon aus, dass ein Kohleausstieg bis 2030 notwendig ist, um die klimapolitischen Ziele zu erreichen. Vattenfall selbst will sich ja aus der Region zurückziehen. Das ist ein schwedischer Staatskonzern, und die Schweden wollen diese Verheizung der Braunkohle auch nicht mehr verantworten. Wir halten es für die beste Lösung, wenn Vattenfall selbst schrittweise aus der Braunkohleverstromung aussteigt und auf erneuerbare Energien umschwenkt.

Vattenfall sucht aber jetzt schon nach einem Nachfolger für die Brandenburger Kohle. Ein Gerichtsurteil in Ihrem Verfahren würde also nicht rechtzeitig kommen, um den Verkauf dadurch schwieriger oder gar unmöglich zu machen, dass das Kohlegeschäft dann nicht mehr rentabel genug wäre, oder?

Für einen potenziellen Investor bedeutet die Klage Unsicherheit. Das erhöht nicht gerade den Kaufpreis für die ohnehin schon ausgekohlten Gruben.

In Sachsen wurde eine ähnliche Klage im Frühjahr abgewiesen, da geht es nun vor dem Bundesverwaltungsgericht weiter. Liegt der Brandenburger Fall klarer?

In Sachsen führen wir die gleiche Debatte. Es geht um den Braunkohleplan und die Frage nach der energiepolitischen Notwendigkeit des Tagebaus Nochten. Ich sehe bei beiden Verfahren sehr gute Chancen für uns.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich, anstatt ein paar Kraftwerke endgültig stillzulegen, zu einer Kraftwerksreserve drängen lassen. An der gibt es ebenfalls die Kritik, sie konterkariere die deutschen Klimaziele. Gehört auch die Energiepolitik der Bundesregierung vor Gericht?

Ja, natürlich. Die zentrale Frage ist aber: Was tut das Wirtschaftsministerium, um die Ziele zu erreichen? Das ist zuallererst eine politische Frage. Da herrscht selbst in der Regierung Uneinigkeit. Umweltministerin Barbara Hendricks sagt ganz klar: Das geht nur mit der Abschaltung der Braunkohlekraftwerke.

Lässt sich das gerichtlich erzwingen?

Auf Landesebene sind wir uns sicher, dass wir die Braunkohlepläne angreifen können. Auf der bundespolitischen Ebene müssen wir vor allem politisch um die Ziele streiten. Sie haben keine Rechtskraft an sich, die Bundesregierung kann ich so nicht vor Gericht zerren. Aber wir können auch juristisch fordern, dass Landesplanungen sich danach richten.

In den Niederlanden hat im Juni ein Gericht auf die Klage einer Organisation hin die Regierung dazu verurteilt, mehr für den Klimaschutz zu tun. Sind die Niederlande da weiter als Deutschland?

Das Urteil ist ein großer Erfolg, aber die Rechtsprechung lässt sich nicht übertragen.

 

Das Interview führte Ralf Hutter.


Kommentare

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Frank Lehmann 19.11.2015, 09:40:16

+190 Gut Antworten

Sehr gut !!!

Es muss alles getan werden um die Klimaverbrechen der Braunkohlelobby zu beenden. Die Bundesregierung ist schon mit den Kriegsflüchtlingen vollkommen überfordert, riskiert aber mit faulen Kompromissen wie Hartz IV für dreckige Kohlebuden das in wenigen Jahren halb Afrika an unsere Tür klopft.


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