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Nachgefragt
09. August 2021

Nichts muss bleiben, wie es war

Die Initiative Abstimmung21 führt derzeit eine bundesweite Volksabstimmung durch. Wer teilnehmen will, erhält Unterlagen per Post und kann bis zum 18. September zu vier Themen seine Stimme abgeben. Evelyn Bodenmeier berichtet, wie die 20 Maßnahmen zur Klimawende 1,5 Grad auf den Stimmzettel kamen.

Evelyn Bodenmeier ist Vorständin bei Abstimmung21 und Expertin für Öffentlichkeitsbeteiligung und damit verbundener Transformationsprozesse.

Evelyn Bodenmeier ist Vorständin bei Abstimmung21 und Expertin für Öffentlichkeitsbeteiligung und damit verbundener Transformationsprozesse.
Foto: Diane Vincent

Frau Bodenmeier, wie kam das Klimathema auf den Abstimmungszettel?

Die Initiatoren von Abstimmung21 erlebten die Diskussionen zum Klimawandel und den notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz während der Probeabstimmung im letzten Jahr als eines der drängendsten Themen. Bei der Vorbereitung der jetzigen Abstimmung 2021 wurde daraufhin die Klimawende als eines von zwei Themen von vornherein auf die Agenda gesetzt. Das andere von Beginn an fest geplante Anliegen war die Volksabstimmung auf Bundesebene. Die beiden Gesundheitsthemen – kein Profit für Krankenhäuser und doppelte Widerspruchsregelung bei der Organspende – wurden hingegen durch ein vorgelagertes Voting ermittelt. Insgesamt haben sich 500.000 Menschen an der Auswahl der beiden Themen beteiligt.

Wer war beteiligt an der Ausdifferenzierung des jetzigen Abstimmungsvorschlages?

Ich hatte bei der Probeabstimmung 2020 den Komplex zum Klimawandel begleitet und wurde deshalb gefragt, diese Rolle auch bei Abstimmung21 zu übernehmen. Wir haben Fridays For Future eingeladen zur Mitarbeit, insbesondere vor dem Hintergrund der von FFF beauftragten Studie des Wuppertal Institutes, die den möglichen Weg zur Klimaneutralität bis 2035 skizziert. Sebastian Grieme und Nick Heubeck von Fridays For Future waren deshalb wichtige Stimmen in unserem Gremium. Wir haben außerdem den Buchautor Karl-Martin Hentschel angesprochen, der das Handbuch Klimaschutz verfasst hat und ein Urgestein der Klimabewegung ist. Außerdem waren Vertreter*innen von German Zero dabei. Das war ein spannendes Spektrum – von sehr jung und fordernd bis hin zur älteren Generation mit Erfahrungen aus der politischen Arbeit, auch mit Erfahrungen des Kompromisse Eingehens und Scheiterns.

War es schwer den Konsens zu finden, der sich in den 20 Maßnahmen wiederfindet?

Zuerst hat jeder seine Vorschläge und Prämissen in die Runde gegeben. Es hat sich gezeigt, dass alle ganzheitlich dachten und wussten, es geht in alle Lebensbereiche, in alle Sektoren. Aber auch übergreifende Aspekte wurden identifiziert, beispielsweise die Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung, die in diesem Transformationsprozess dringend gebraucht wird. Ebenso der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit: höhere Preise für Heizung oder Strom müssen sozial gerecht verteilt werden. Da gab es viele Diskussionen, wie das gestaltet werden könnte.

Hatten Sie von Anfang an das Ziel, 20 Maßnahmen für den Klimaschutz zu formulieren?

Wir wollten ursprünglich zehn Forderungen für die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung formulieren, auch um es einfach und übersichtlich zu halten. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass wir damit den komplexen Themen, die ja alle ineinandergreifen, nicht gerecht werden. Beispielsweise bei der Mobilität haben wir das gesehen – aus ursprünglich einer geplanten Forderung - wurde ein Block von vier Maßnahmen, die private Mobilität, Gütertransport und Infrastruktur an Land sowie Flug- und Schiffverkehr, die gezielt und differenziert betrachtet wurden. Schließlich konnten wir die relevantesten Aufgaben auf die runde Zahl von 20 Maßnahmen herunterbrechen bzw. bündeln.

Wo gab es schnellen Konsens, wo war es schwierig?

Die ältere Generation in dieser Gruppe hat bereits viele Jahre Klimaschutzarbeit geleistet und sieht die Veränderungen, die eigenen Erfolge und Misserfolge. Die junge Generation sieht den unzureichenden Status Quo und fordert, das muss schneller gehen. Es ist nahezu unmöglich als junger Mensch angesichts der Klimakrise die Trägheit von Politik und Verwaltung, den Apparaten, zu akzeptieren. Wir Älteren leben mit diesem Zustand. Zu notwendigen Veränderungen in den Kommunen beispielsweise führten wir viele Diskussionen. Dort wird sich vieles entscheiden. Doch noch sind viele Fragen offen und auch noch zu stellen: Wo werden die Weichen für eine gelingende Klimawende gestellt? Bottum-up oder Top down? Auf kommunaler Ebene, auf Landesebene oder gar vom Bund? Wer muss welche Rahmenbedingungen schaffen, damit Maßnahmen greifen? Dann auch: wie lange dauert es, bis ein Vorhaben bis in alle Gemeinden durchdekliniert ist? Welche Fristen gibt es für Planungsverfahren, Einwendungen, Genehmigungen, Beteiligungsprozesse?

Was hat Ihnen in der Arbeit imponiert?                            

Die Haltung,Bestehendes kritisch in Frage zu stellen und es nicht beizubehalten, nur weil es immer so war, hat mich aktiviert. Das empfand ich in unseren Diskussionen sehr motivierend und impulsgebend, hartnäckig zu bleiben und nicht einzuknicken. Nur weil die Klimapolitik der letzten 40 Jahre im Schneckentempo vorangegangen ist, muss das nicht so bleiben. Selbst Eisen kann man schmelzen und in eine neue Form bringen. Für mich war es sehr bereichernd, dass wir es geschafft haben in dieser doch sehr heterogenen Gruppe, uns auf dieses Bündel von Maßnahmen zu verständigen.

Gibt es einen Aspekt, der Ihrer Meinung nach zu kurz kam?

Die wichtigen Hebel haben wir benannt und ausformuliert. Darüber hinaus haben wir viel über internationale Kompensationsmaßnahmen gesprochen. Ich halte die Auseinandersetzungen mit diesen Mechanismen und eine Definition der Kriterien für notwendig, aber in unseren Diskussionen gab es auch zahlreiche Argumente, die Ausgleichsmaßnahmen als eine Form von Neokolonialismus bewertet haben. Wir haben viel darüber diskutiert, ob das klimagerecht sei oder nicht, oder nur eine Verlagerung des Problems und wie man solche Maßnahmen vor Ort und im Globalen Süden positiv steuern könnte. Die Bewertung von vergangenen und laufenden Projekten im Globalen Süden konnten jedoch aufgrund der Kürze der Projektlaufzeiten nicht nachhaltig überzeugen.

Welche Angebote können Interessierte nutzen, um sich auszutauschen?

Das geht wunderbar in Form der Online-Hausparlamente, die von OpenPetition organisiert werden. Diese Form des Austauschs unterstützt unsere Auffassung, dass Demokratie auch bedeutet, sich mit Argumenten und Fakten auseinanderzusetzen, bevor man seine Stimme abgibt. Wir haben im Abstimmungsheft zu jeder Frage Pro- und Contra-Argumente aufgeführt. Die haben wir für die Hausparlamente noch weiter differenziert. Wer an einem Hausparlament teilnimmt, kann sich ganz gezielt mit Argumenten auseinandersetzen. Hier wird Demokratie lebendig. Diese Hausparlamente finden auch weiterhin zu allen Themen bis 20.8.2021 statt.

Das Gespräch führte Petra Franke.

Informationen zu Abstimmung21

Abstimmungsvorschlag „Klimawende 1,5 Grad“

Abstimmungsheft mit vielen Fakten und Argumenten zu den einzelnen Abstimmungsvorschlägen

Direkt zur Übersicht und zum Einstieg ins Hausparlament „Klimawende 1,5 Grad“


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Kommentare

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Thomas Bartsch-Hauschild 09.08.2021, 13:35:27

Die Gewissheit,das fossile Energie, die Luft verschmutzt und die Atemwege angreift weiß inzwischen jeder im Alter zwischen 6 Jahren und 80 Jahren.

Wirtschaftswachstum steigert den Energieverbrauch, die durch keine Massnahme der Energieeffizienz neutralisiert werden kann.Ueber 40 Millionen Autos mit Benzin und Diesel getankt, werden erst mit einer steigenden Lebensdauer in 20 Jahren vollständig durch E - Autos ersetzt werden.

Dann haben wir ein neues Umwelt Problem mit den Schrott- Batterien, also Müll entsorgen und wohin? Plastik verschwindet unsichtbar im Meer , die Batterien sind immer noch da.!


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