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Nachgefragt
31. Mai 2022

„Partnerschaftlich auftreten“

Trotz der hohen Nachfrage ist die Realisierung neuer Wind- und Solarparks in Deutschland herausfordernd. Es gilt die geeigneten Flächen zu finden und lange Genehmigungszeiten zu schultern, dazu kommen Lieferengpässe und Kostensteigerungen. Entscheidend ist eine enge Kooperation mit Kommunen.

Herbert Muders ist seit 2018 Geschäftsführer Trianel Energieprojekte. Zuvor war er u.a. Chef der Juwi Solar.

Herbert Muders ist seit 2018 Geschäftsführer Trianel Energieprojekte. Zuvor war er u.a. Chef der Juwi Solar.
Herbert Muders ist seit 2018 Geschäftsführer Trianel Energieprojekte
Foto: Trianel

Herr Muders, stellt sich die Problematik der Flächenverfügbarkeit und der teils fehlenden Akzeptanz aus Ihrer Sicht für große Solarparks in Deutschland ähnlich wie bei der Windkraft an Land?

Wichtig ist, dass die Bürger vor Ort an den neuen dezentralen Erneuerbare-Energien-Anlagen auch wirtschaftlich partizipieren. Hier greift wesentlich die kommunale Abgabe in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde für alle Erneuerbare-Energien-Projekte, die im aktuellen EEG verankert ist. Damit nährt sich der der Nutzen in den Gemeinden. Dazu kommen Gewerbeertragssteuern, von denen Kommunen ebenfalls profitieren. Beides führt dazu, dass die Kommunen inzwischen eine wesentlich positivere Haltung gegenüber Wind- und Solarparks haben. Zudem sehen wir, dass aufgrund des Krieges in der Ukraine eine ganz andere Nachfrage auf der Metaebene entstanden ist. Wir führen jedenfalls derzeit eine ganze Reihe von positiven Gesprächen mit Kommunen. Förderlich ist auch, dass wir ein kommunaler Projektentwickler sind, auf Augenhöhe mit den Kommunen reden und einen guten Zugang haben. Doch ist es schon so, dass grundsätzlich die Akzeptanzthemen für die Errichtung neuer Erneuerbarenparks mit deren Größe zunehmen.

Was können Sie denn tun, um die Akzeptanz zu fördern und die Dinge nach vorne zu bringen?

Wichtig ist, dass wir partnerschaftlich auftreten, unsere Projekte an den jeweiligen Bedürfnissen der Region ausrichten und Überzeugungsarbeit leisten. Je nach örtlicher Nachfrage bietet sich für Erneuerbaren-Projekte auch eine direkte finanzielle Bürgerbeteiligung an. Zudem bin ich ein starker Verfechter einer möglichst dezentralen Erzeugung. Meist setzen wir auf Solarparks im unteren zweistelligen Megawattbereich. PV-Parks im mittleren dreistelligen Megawattbereich sehe ich in Deutschland eher als Ausnahmen.

Wie lange dauert derzeit die Realisierung von Wind- und Solarparks?

Der erste Windpark, den ich vor über zehn Jahren bauen durfte, stand nach rund dreieinhalb Jahren. Heute sind wir bei mindestens sieben Jahren angekommen. Bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen brauchte es früher rund zweieinhalb Jahre, um Projekte von der Idee bis zur Fertigstellung umzusetzen. Heute sind es in der Regel vier Jahre. Es werden deutlich mehr Avifauna-Analysen und Gutachten gefordert. Und gerade kleinere Gemeinden sind nicht unbedingt breit besetzt. Es fehlt auch an Standards, an Digitalisierung und Weiterbildung der Genehmigungsbehörden. Wir bräuchten dringend eine digitale Genehmigungsplattform, anstatt immer noch Leitzordner mit VW-Bussen durch die Gegend zu fahren.

Sind Sie denn zuversichtlich, dass man diese Hürden zeitnah ausräumen kann, wie es ja auch der Koalitionsvertrag der Ampelregierung vorsieht?

Die neue Bundesregierung macht mich sprachlos, mit welchem Tempo und Willen sie vieles initiiert. Da muss ich einfach applaudieren. Es werden Gesetze geschrieben und formuliert und Willenserklärungen abgegeben, die der Leitkorridor für uns sind. Das war noch nie so positiv, wie es derzeit ist. Dadurch verändert sich aber nicht die Realität draußen. Wir haben noch dieselbe Anzahl von Mitarbeitern in den Behörden, wir haben immer noch die gleichen Prozesse, wir haben auch nur eine bestimmte Anzahl Handwerker. Wir haben schon heute die Situation, dass Partnerunternehmen mir sagen, wir schaffen es nicht mehr, wir können eine bestimmte Anzahl von Anlagen nicht mehr bauen. Das sind Engpässe, die bekommen wir nicht von heute auf morgen gelöst.

Aufgrund der aktuellen geopolitischen Situation sowie der Lieferengpässe steigen auch die Kosten für Komponenten und Materialien. Wie gehen Sie damit um?

Wir erlebten in den vergangenen zehn Wochen eine Verdoppelung der Stahlpreise, und das ist bei einem Windparkprojekt mit Stahlrohrtürmen wenig sexy. Dazu haben wir eine Kostennot bei Windkraftanlagen-Herstellern. Wir müssen mit ihnen einen Kompromiss finden, um das Projekt nicht fallen zu lassen und gleichzeitig einen Teil dieser Mehrkosten selbst tragen. Zudem haben wir eine Zinssteigerung. Damit wird es insgesamt sehr schwer, die Projektsteuerung ausgewogen zu gestalten. Bei einem aktuellen Projekt war unsere Kalkulation zu Projektbeginn gut, und bis vor zwei Monaten auch noch. Und jetzt ist es grenzwertig. Wir wollen es schon noch umsetzen. Doch wir müssen es sehr stark tracken und managen, dass es jetzt nicht noch teurer wird. Doch wie es in einem halben Jahr aussieht, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Es kann schon sein, dass unsere Projektpipeline dann erst einmal in der Schublade bleibt.

Wie groß ist momentan Ihre Pipeline für Wind- und Photovoltaikprojekte? Wieviel haben Sie im vergangenen Jahr gebaut und was erwarten Sie für das laufende Jahr?

Wir haben derzeit über 1.000 Megawatt (MW) Photovoltaik- sowie über 1.000 MW Windprojekte an Land in Entwicklung. Im vergangenen Jahr realisierten wir rund 45 MW Wind- und rund 90 MW Photovoltaik. Bei der PV wollen wir in diesem Jahr um 30 Prozent zulegen.

Die Agri-Photovoltaik, also die Kombination von Stromerzeugung und landwirtschaftlicher Produktion, wird vielfach als Königsweg für eine flächenschonende PV propagiert. Wie sehen Sie das?

Agri-PV ist in Teilen zu kompliziert. Wir müssen die Fruchtfolge bestimmen, weil eine Verschattung auf einer Fläche aufgebaut wird. Wenn Investoren die Anlage betreiben, kann sich das Problem der Beschädigung der Module/Anlage infolge der landwirtschaftlichen Nutzung, beispielsweise durch Traktoren, stellen. Dann habe ich lieber herumlaufende Schafe als Trecker, die zwischen meinen Modulen hin- und herfahren. Wenn Sie Module über den Kulturen auf großer Höhe errichten, brauchen Sie eine andere Statik, Sie brauchen viel mehr Stahl pro Megawatt. Zudem benötigen wir in der Gesamtheit deutlich mehr Fläche. Es wird also viel teurer, es ist viel mehr abzustimmen und wir haben einen größeren Flächenbedarf. Ich glaube, das ist nicht der ideale Weg.

Wie bewerten Sie eigentlich die Möglichkeiten durch die Solarparks die Biodiversität zu erhöhen? Hierfür gibt es etliche vielversprechende Beispiele und Studien?

Fast jeder Solarpark hat mit dem Aufbau des Solarfeldes eine höherwertige Bodensubstanz als bei einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung. In der Regel wird mit dem Anlagenbau die Bearbeitung des Ackers mit Blumenwiesen gestartet und der Boden wieder sich selbst überlassen. Wir haben an vielen Stellen mehr Bienen und Insekten, wir schließen auch entsprechende Kooperationen ab, wir engagieren uns in dem Bereich beispielsweise im Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) und haben uns hier der „guten Planung“ verpflichtet.

Das Gespräch führte Hans-Christoph Neidlein.


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