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Nachgefragt
12. September 2022

PV-Fertigung Europa: Erste Schritte für eine Renaissance

Die Fertigungskette der Photovoltaik in Europa hängt fast vollständig am Tropf von China. Nun gibt es erste Anläufe für eine Renaissance der europäischen PV-Produktion. Doch die Bundesregierung hat bisher deren strategische Bedeutung nicht erkannt.

Jochen Rentsch ist Leiter der Abteilung „Produktionstechnologie: Oberflächen und Grenzflächen" am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau

Jochen Rentsch ist Leiter der Abteilung „Produktionstechnologie: Oberflächen und Grenzflächen" am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau
Jochen Rentsch ist Leiter der Abteilung „Produktionstechnologie: Oberflächen und Grenzflächen" am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau
Bild: © Fraunhofer-ISE

Herr Rentsch, wie abhängig ist derzeit die Photovoltaikindustrie in Deutschland und Europa von China?

Die PV-Branche ist fast vollständig abhängig von Festland-China, weil wir bei den wesentlichen Komponenten der Solarmodule, vor allem Wafer und Solarzellen, eine Importquote von 97 bis 99 Prozent haben. Bei Solarmodulen ist unsere Abhängigkeit von China etwas geringer. Hier beziehen wir auch wesentliche Mengen von Herstellern aus südostasiatischen Ländern wie Vietnam oder Malaysia, allerdings sind dies oft auch Tochterfirmen von chinesischen Unternehmen, die dort aufgrund von bestehenden Handelsbeschränkungen der USA Standorte gründeten.

Kommen denn die nötigen Fertigungslinien hierfür vielfach von deutschen PV-Maschinenbauern? Wie wichtig ist China als Exportmarkt in diesem Bereich?

China war bis vor einigen Jahren der wichtigste Absatzmarkt der hiesigen PV-Maschinen- und Anlagenbauer. Allerdings wurden sie in den vergangenen Jahren zunehmend als Lieferanten zurückgedrängt, weil China stark auf den Ausbau der eigenen Wertschöpfung und Zulieferindustrie auch im PV-Produktionsbereich setzt. Preislich und qualitativ könnten die deutschen PV-Maschinenbauer durchaus noch mithalten, aber sie kommen vielfach nicht mehr zum Zuge, weil sie keine chinesischen Unternehmen sind und China eigene Kapazitäten auch in der Fertigung aufbaut. Am ehesten haben noch hiesige Unternehmen im Bereich der Präzisionsmesstechnik in China Absatzchancen. In jüngster Zeit setzen deutsche und europäischen PV-Maschinenmaschinenbauer stark auf den Export nach Indien. Doch ist dies auch ein schwieriger Markt, weil er sehr preissensitiv ist, und Indien vermehrt auch chinesische PV-Fertigungsanlagen kauft.

Wie sieht es denn bei anderen Komponenten und Materialien wie PV-Wechselrichter oder PV-Glas aus?

Im Wechselrichterbereich gibt es mit SMA noch einen Hersteller in Hessen mit größeren Marktanteilen. PV-Glas ist praktisch in Europa nicht mehr vorhanden und muss fast vollständig importiert werden, zu einem großen Teil ebenfalls aus China. Zudem ist der Export von chinesischem Solarglas nach Europa noch mit Zöllen belegt, was europäische Modulhersteller doppelt kostet. Dagegen können chinesische Mitbewerber ihr kompletten PV-Module zollfrei nach Europe einführen. Es gibt es in Deutschland noch einen einzigen Hersteller in Brandenburg, der in kleineren Mengen fertigt, und von indischen Unternehmen aufgekauft wurde. Wo wir noch besser aufgestellt sind, ist bei der Polysiliziumherstellung. Hier haben wir mit der Firma Wacker in Burghausen (Bayern) noch einen signifikanten Player, auch auf dem Weltmarkt. Die angekündigten Ausbaupläne chinesischer Hersteller in diesem Segment erhöhen hier jedoch auch den Druck, Wacker kann im Moment allerdings sich insbesondere aufgrund seiner hohen Qualität behaupten.

Befeuert durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Konfliktsituation China-Taiwan sowie die globalen Lieferprobleme infolge von Corona rückt die Stärkung Europas als Produktionsstandort, auch im Photovoltaikbereich, verstärkt in den politischen Fokus. Für wie realistisch halten Sie eine Renaissance der PV-Produktion in Europa bzw. Deutschland?

Die Hauptfrage ist, ob in Europa zu ähnlichen Kosten wie in Asien produziert werden kann. Und angesichts hochautomatisierter Fertigungen spielen höhere Lohnkosten keine große Rolle mehr. Zudem machen die Transportkosten mittlerweile mehr als 10 Prozent der Herstellungskosten aus, was für eine regionalere Produktion spricht. Aber Voraussetzung dafür ist die Skalierung. In China sind das alles Gigawatt-Fabriken. Die Modulfertigung in Europa bewegt sich derzeit meist im Megawatt-Bereich, das ist noch zu klein. Denn wir brauchen die Skaleneffekte, um zu ähnlichen Herstellungskosten wie in China zu kommen. Und wir brauchen die Skalierung auch, um die Lieferketten drum rum, mit den übrigen Materialien wie Glas oder Silberpasten, auch wieder stärker nach Europa zurückzuholen und nicht mehr so stark von China abhängig zu sein.

Es gibt ja seit geraumer Zeit diverse Initiativen für PV-Gigafabs in Europa. Wie weit sind denn die Giga-Fabriken schon gediehen und woran klemmt es noch?

Vor etlichen Jahren war das noch etwas exotisch, jetzt gibt es über ganz Europa verteilt konkrete Pläne und Standorte für PV-Produktionen, die entwickelt und für die Lieferketten abgeklopft werden. Doch eine wesentliche Hürde ist immer noch das Geld. So reden wir ja bei einer integrierten PV-Fertigung für Ingots, Wafer, Zellen und Module mit 5 Gigawatt über eine Investitionssumme von rund 1 Milliarde Euro. Fast alle Initiativen suchen jedenfalls aktuell noch nach dem finalen Finanzierungskonzept. Dazu kommen meist langwierige Genehmigungsverfahren, besonders in Deutschland. Eine interessante Entwicklung ist, dass sich eine Reihe von großen europäischen Energieversorgungsunternehmen Anfang des Jahres an die Brüsseler EU-Kommission gewandt haben mit der Aufforderung, eigene lokale PV Produktion als wichtige Stütze einer zukünftigen erneuerbaren Energieversorgung zu unterstützen.  Firmen wie ENEL in Italien stellen in diesem Zusammenhang Vorreiter dar, die bereits signifikant in eigene PV Herstellungskapazität investieren.

Ist denn der EU-Innovation Fund ein wichtiges Instrument, um eine europäische PV-Produktion wirksam zu fördern?

Den EU-Innovation Fund gibt es mittlerweile in der dritten Auflage. Die Projekte sind aber ziemlich breit gestreut, Unternehmen können sich hier an Ausschreibungen beteiligen, in den beiden ersten Calls wurde jeweils ein Projekt mit Fokus PV-Produktion ausgewählt. Einen wirksameren Hebel für eine breitere Förderung der europäischen PV-Produktion bietet die IPCEI-Initiative, federführend koordiniert durch den European Solar Manufacturing Council (ESMC). Diese zielt darauf ab, dass die Photovoltaik ein „Important project of common European interest“ im Rahmen der EU-Industriepolitik würde. In diesem Fall ist das geltende Wettbewerbsrecht in Europa außer Kraft gesetzt und die einzelnen Mitgliedsstaaten können von der EU zugewiesene Mittel auch in Projekte stecken, ohne dass das per se immer im Gesamtwettbewerb steht. Doch muss eine signifikante Zahl von Mitgliedsstaaten einem solchen IPCEI zustimmen und das ist aktuell (noch) nicht der Fall.

Wie positioniert sich hier die Bundesregierung?

Bislang haben sich nur 5 von 27 EU-Mitgliedsländern offiziell hinter eine IPCEI für PV-Produktion gestellt, darunter Spanien und Österreich. Aber gerade große Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien haben bislang noch keine offizielle Unterstützung signalisiert. Als Beispiel kann hier die Batterieproduktion dienen, die bereits als IPCEI eingestuft ist. Dort können Firmen wie bspw. Northvolt stark von solchen EU-Fördermitteln profitieren.

Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein


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