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Nachgefragt
10. Juni 2016

„Reine Pumpspeicher dienen nur dem Strommarkt“

Auf dem Gelände der RWTH in Aachen entsteht derzeit ein innovativer Großspeicher, der fünf verschiedene Batterietechnologien miteinander verknüpft. Am Ende des Projekts soll ein Weißbuch mit den gesammelten Erfahrungen stehen. Weitere Pumpspeicher würden der Energiewende allerdings nicht helfen.

Dirk Uwe Sauer leitet das Institut für Stromrichtertechnik und elektrische Antriebe (ISEA) an der RWTH Aachen. (Foto: © Niels Hendrik Petersen)
Dirk Uwe Sauer leitet das Institut für Stromrichtertechnik und elektrische Antriebe (ISEA) an der RWTH Aachen. (Foto: © Niels Hendrik Petersen)

10.06.2016 – Dirk Uwe Sauer leitet das Institut für Stromrichtertechnik und elektrische Antriebe (ISEA) an der RWTH Aachen. Der Speicherexperte wurde von der Bundesregierung mit der Evaluierung des KfW-Speicherprogramms beauftragt.

Herr Professor Sauer, wie ist der aktuelle Stand beim Kombispeicher M5BAT?

Im Spätsommer soll der Speicher mit fünf Megawatt Leistung in Betrieb gehen. Die fünfte und letzte Technologie ist gerade im Vergabeverfahren. Wechselrichter und Trafos wurden bis Mitte Mai eingebaut und im Juni starten dann die ersten Testläufe. Ursprünglich hatten wir bei der Planung 2010 noch eine Zebra-Hochtemperaturbatterie aus Natrium-Nickelchlorid vorgesehen, aber die wird nun nicht eingebracht.

Was sind die Gründe dafür?

Die Zebra-Batterie hat eine zu geringe Leistungsdichte, hohe Standby-Verluste und eine zu geringe Effizienz. Zeitgleich gab es einen Preisrutsch bei Lithium-Akkus, so dass der 2010 noch bestehende Preisvorteil nicht mehr vorhanden ist. Entsprechend gewichtig sind die technischen Nachteile. Nun wird es also drei Technologien mit Lithium geben: Lithium-Titanat, LMO und Lithium-Eisenphosphat. Hinzu kommen zwei Stränge mit Blei-Batterien unterschiedlicher Technologie.

Was ist das Ziel des Projekts?

Die Anlage soll am Stromhandel teilnehmen. Wir wollen verschiedene Marktsegmente real erproben und auch sehen, wie so ein Speicher im Portfolio eines Kraftwerksbetreibers optimal eingesetzt werden kann. Dabei werden wir auch die Märkte untersuchen, in denen bislang kein Geld verdient wird. Wir wollen dabei aber ganz praktisch feststellen, wo es noch technische und regulatorische Hürden gibt und welche Kostengrenzen erreicht werden müssen, um in Zukunft einen wirtschaftlichen Betrieb zu erreichen.

Gibt es weitere Ziele?

Ja, wir wollen sehen, in welcher Weise durch intelligentes Energiemanagement der Betrieb verschiedener Batterietechnologien mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen zu einem günstigeren Gesamtergebnis führen kann – im Vergleich zu Systemen mit nur einer Batterietechnologie. Am Ende wird ein Weißbuch mit den gesammelten Erfahrungen veröffentlicht werden.

Einige der geltenden Standards müssen künftig geändert werden...

Das ist nur Folgerichtig, weil sie für den Betrieb eines 500 Megawatt Kraftwerksblock zugeschnitten wurden. In der neuen Energiewelt werden wir aber immer mehr kleinere und dezentrale Anlagen haben. Bisher darf das Kraftwerk aus Sicherheitsgründen nicht von der Leitwarte über das Internet gesteuert werden. Bei vielen keinen Anlagen steigen damit aber erheblich die Kosten für die Kommunikation. Deshalb können beispielsweise die Hersteller der Wechselrichter nicht ihre erprobten Fernwartungskonzepte umsetzen. In einer fünf Megawattanlage kann nicht permanent Personal vor Ort sein, um einzugreifen. Daher sind Maßnahmen zum automatischen und fernüberwachten Betrieb zwingend nötig, um eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen.

Auch der Eon-Ableger Uniper investiert viel Geld in den Speicher. Wie können Kraftwerksbetreiber von der Technologie profitieren?

Der Ausgleich von Nachfragespritzen ist ein großes Thema. Batterien können Strom liefern, bis die konventionellen Kraftwerke hochgefahren sind oder die Lastgradienten für die Kraftwerksturbinen verringern. Bisher verdienen die Batterien nur mit Primärregelenergie. Vor allem können sie aber in einem Kraftwerksfuhrpark eines Versorgers weitere Vorteile erwirtschaften. Wir denken, dass der Essener Stromerzeuger STEAG mit seinen sechs Speichern und insgesamt 90 Megawatt installierter Leistung, die aktuell im Aufbau sind, auch dies als ein Ziel verfolgt.

Würden weitere Pumpspeicherkraftwerke der Energiewende helfen?

Aus meiner Sicht eher nicht. Denn reine Pumpspeicher dienen nur dem Strommarkt und stabilisieren nicht das Stromnetz – ganz im Gegenteil. Sie befinden sich nicht da, wo der überschüssige Ökostrom erzeugt wird und der Strom muss wieder transportiert werden. Entscheidend ist: Das System braucht nicht Speicher per se, sondern mehr Flexibilitätsoptionen.

Dezentrale Speicher erledigen dagegen mehrere Aufgaben gleichzeitig und verdienen so in mehreren Segmenten Geld.

Genau. Selbst wenn die Investitionskosten höher liegen sollten als bei Pumpspeicherkraftwerken, ist aufgrund der besseren Erlössituation der dezentrale Speicher wirtschaftlicher. Und selbst wenn das heute noch nicht der Fall sein sollte, so reicht alleine schon die Aussicht, dass dies in den nächsten 30 Jahren eintreten könnte, dafür, dass neue Pumpspeicherkraftwerke nicht mehr gebaut werden. Für solche Anlagen brauchen die Investoren von Beginn der Planung an für mindestens 40 bis 50 Jahren gesicherte Perspektiven auf Erlöse.

Die KfW-Förderung für Solarstromspeicher ist Anfang des Jahres verlängert worden, bringen die Hausspeicher den privaten und volkswirtschaftlichen Nutzen in Einklang?

Im Jahresbericht zum Speichermonitoring der RWTH Aachen wird auch ausgerechnet, welche direkten monetären Effekte aus Sicht des Staates auftreten. Dafür werden beispielsweise vermiedene Netzentgelte gegen vermiedene EEG-Entgelte gegengerechnet. Zudem werden auch Steuerzahlungen wie die Umsatzsteuer berücksichtigt. Aus der Sicht des Staates ergibt sich daraus unter dem Strich im Jahr 2015 ein Defizit von etwa zwei Millionen Euro – über alle in Betrieb befindlichen Hausspeichersysteme. Demgegenüber stehen aber eine Reihe positiver Aspekte, die in dieser Betrachtung nicht enthalten sind. Der relativ teure und zeitlich aufwändige Verteilnetzausbau wird durch die Begrenzung der Einspeiseleistung auf die Hälfte der Nennleistung reduziert oder unnötig.

Was bedeutet das für den weiteren Ausbau der Photovoltaik?

Es können im Vergleich zu einem Szenario ohne Einspeisebegrenzung doppelt so viele PV-Anlagen in einem bestehenden Netzabschnitt installiert werden. Aber auch gegenüber einer Einspeiseleistungsbegrenzung von 70 Prozent, wie sie für PV-Anlagen heute als eine Option gewählt werden kann, können weitere 40 Prozent PV-Anlagen mit einer Begrenzung auf 50 Prozent installiert werden. Zudem wird die Stromerzeugung aus Photovoltaik durch diese Begrenzung besser vorhersagbar. An sonnigen Tagen kann mit vielen Stunden nahezu konstanter Einspeiseleistung aus den PV-Anlagen gerechnet werden.

Was bedeutet die Abregelung der Solarstromleistung auf 50 Prozent konkret in Stromverlusten?

Wenn die gesamte Leistung über 50 Prozent abgeregelt werden würde, würden etwa zwölf Prozent des solaren Stroms nicht erzeugt werden. Der Wert schwankt etwas je nach Standort und Hausstromverbrauchsprofil. Mit intelligenten Managementsystemen inklusive guter Wettervorhersagen lässt sich dieser Wert aber auf drei oder weniger Prozent Verluste begrenzen.

Eines ihrer Fazits in dem Monitoring ist, dass eine Photovoltaikanlage ohne Speicher mehr Geld verdient als mit. Erklären Sie das bitte.

Die Betrachtung ist kompliziert: Der Bau einer Photovoltaikanlage mit Speicher kann unter dem Strich wirtschaftlich für den Anlagenbetreiber sein. Ohne Speicher wäre sie aber noch etwas wirtschaftlicher. Damit hat der Speicher für sich eine negative Rendite, ansonsten gäbe es gar kein KfW-Förderprogramm. Im Detail hängt das natürlich von dem konkreten Produkt und dem Anwendungsfall ab. Aber die Kategorie der Wirtschaftlichkeit des Speichers ist für Privathaushalte gar nicht das wichtigste Kriterium. Das gilt aber für viele private Investitionen. Daher kann man unter der andauernden Frage nach der Wirtschaftlichkeit schnell einen wichtigen wachsenden Markt verpassen. Welcher PKW von mehr als 20.000 Euro wird angeschafft, weil er wirtschaftlich ist? Wer kauft ein Elektrofahrzeug von Tesla oder Smart Phone von Apple aus Gründen der Wirtschaftlichkeit? Unsere Umfragen bei den Käufern der Systeme haben gezeigt, dass die Motive andere sind: Wie dem Willen die Energiewende in Deutschland zu unterstützen und dem Interesse an der Technologie selbst.

Profitiert der Staat oder unsere Volkswirtschaft von dem Invest der privaten Haushalte in den Speicherausbau?

Das ist eine wichtige Komponente: Private Hausspeicher aktivieren privates Kapital zu sehr günstigen Konditionen. Welcher Investor investiert für zwei oder drei Prozent Rendite? Die privaten Sparer profitieren aber bei dem derzeitigen Niedrigzinsniveau davon und sehen ihre Investitionen direkt vor Ort. Das erhöht wiederum die Akzeptanz für die Energiewende insgesamt. Abgesehen von der Zellfertigung werden die Systeme auch in Deutschland entwickelt und gefertigt, was in Bezug auf einen weltweiten Markt ein wichtiger Aspekt ist.

Das Interview führte Niels Hendrik Petersen.


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