Menü öffnen

Nachgefragt
04. September 2019

Tiny House: „Leben auf kleinem CO2-Fuß“

Sam Bohr betreibt ein Tiny House Resort an der Mecklenburger Seenplatte. Viele seiner Gäste entscheiden sich bewusst für ein reduziertes Leben auf wenig Raum. Manche verändert diese Erfahrung auch nachhaltig. Bauökologisch gesehen ist bei den Mini-Häusern aus Holz allerdings noch Luft nach oben.

Sam Bohr, Gründer und Betreiber eines Tiny House Resorts

Sam Bohr, Gründer und Betreiber eines Tiny House Resorts
Foto. © Sam Bohr

04.09.2019 – Tiny Houses liegen voll im Trend – ob für Stadtnomaden, als vorübergehende Studentenwohnung oder als Ferienhaus für die ökologisch bewusste Familie. Der frühere Immobilienverkäufer Sam Bohr hat gleich ein ganzes Ferienressort mit Tiny Houses an der Mecklenburgischen Seenplatte gebaut.

Sam, wie kamst du auf die Idee, ein Tiny House Resort zu bauen und zu betreiben?

Das Thema Tiny House ist eigentlich zu mir gekommen. Ich wollte mich zu der Zeit privat und beruflich verändern. Ich war gerade dabei, mein Haus zu verkaufen. Das habe ich als Immobilienhändler natürlich schon oft für andere gemacht. Ich wollte aber nicht wieder ein altes Haus aufwändig sanieren, also dachte ich an ein Holzhaus. Ich habe vorher schon einmal getestet, wie es sich auf 40 Quadratmetern lebt, in dem ich in mein Atelier im Garten gezogen bin. Das gefiel mir schon gut. Bei meiner Recherche im Internet Anfang 2017 bin ich dann schnell auf Tiny Houses gestoßen.

Wie kam es dann zu einem Resort mit mehreren Tiny Häusern?

Bei meinen Spaziergängen im Wald fiel mir immer wieder ein ungenutztes Grundstück auf, das hatte irgendwie eine positive Wirkung auf mich. Ich dachte, da ließe sich doch was draus machen. Warum also nicht ein Tiny House Resort? Heute stehen vier verschiedene Modelle auf dem Grundstück, für Paare oder Familien, es ist für alle was dabei.

So leicht war es dann aber doch nicht.

Nein, leider nicht. Ich habe der Gemeinde und der Bürgermeisterin mein Konzept vorgestellt. Die waren zwar begeistert und wollten mich unterstützen, aber nur wenn es sie kein Geld kostet. Das Bauamt wollte dann einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan von mir sehen. Nun musste erstmal die Satzung der Gemeinde geändert werden, weil das Grundstück etwas außerhalb lag und deshalb nicht im Bebauungsplan vorgesehen war. Insgesamt hat alles in allem zwei Jahre gedauert, bis der Landkreis das Okay erteilt hat.

Verkaufst du noch Immobilien?

Als Immobilienmakler arbeite ich seit etwa sechs Jahren in Mecklenburg-Vorpommern. Ich ziehe mich aber immer mehr aus diesem Bereich zurück, da der Speckgürtel von Berlin mittlerweile schon hier angekommen ist – das ist leider kein Witz. Die Immobilien werden zu horrenden Preisen angeboten, weil der Markt es hergibt, auch wenn sie dem Wert der Häuser eigentlich nicht entsprechen. Das Gestalten von Räumen ist meine eigentliche Leidenschaft. Auch wenn ich kein offizielles Diplom gemacht habe, arbeite ich mittlerweile seit 35 Jahren als Innenarchitekt. Davon gut zehn Jahre in Spanien auf Mallorca. Mein Plan ist es, mehr und mehr Tiny Häuser nach den Wünschen der Auftraggeber zu erstellen. Es gibt bereits zwei neue Aufträge. Im nächsten Jahr möchte ich das weiter ausbauen.

Gibt es eigentlich eine allgemeine Definition für ein Tiny House?

Korrekterweise müsste man von einem Tiny House on Wheels sprechen. Aber eine einheitliche Definition gibt es in der Tat nicht. Auch die Bauämter sind da etwas schwammig und sprechen teils von einem Wohnmobil oder von einem mobilen Heim. Das ist aber alles nicht richtig, weil ein Tiny House nicht als Schwertransport auf einem LKW transportiert werden muss.

Was macht das Tiny House also aus?

Es erfüllt die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung. Die einzuhaltenden Abmessungen liegen bei 2,55 Metern Breite und 4 Metern Höhe. Die Länge ist etwas flexibler, nur sollte das Gewicht von 3,5 Tonnen nicht überschritten werden. Die Trailer, also die Unterkonstruktion, geben die Maße im Prinzip vor. 8,40 Meter Länge sind möglich, allerdings wird mit den Einbauten wie einer Küche das Gewicht sehr wahrscheinlich überschritten. Ein Umzug müsste dann in mindestens zwei separaten Fuhren erfolgen.

Gesellschaftlich betrachtet bietet das Haus auf Rädern die Möglichkeit zu mehr Flexibilität und Selbstbestimmtheit.

Richtig. Ein Beispiel: Viele Ältere wollen sich, nachdem die Kinder ausgezogen sind, gern wieder verkleinern, weil ein größeres Haus auch höhere Kosten und mehr Aufwand bedeuten. Ein Tiny House steigert den Freiheitsgrad. Denn es macht überhaupt keinen Sinn, sein ganzes Hab und Gut eins zu eins zu übertragen. Man muss sich vorher sinnvoll reduzieren – dazu gehört es auch, sich zu fragen, was man wirklich braucht und was einem wichtig ist. Von diesen Dingen sollte man sich auch nicht trennen müssen.

Wer nutzt dein Angebot im Wohnpark?

Hauptsächlich sind das zwei Gruppen. Familien mit kleinen Kindern, meist aus der Großstadt, die ein alternatives Landleben suchen. Oder eben Pärchen, die die Zeit für sich nutzen und auch gern unter sich bleiben.

Welche Erfahrungen machen die Gäste?

Durch das Leben auf weniger Raum passiert auch etwas mit den Menschen. Man muss mehr Rücksicht nehmen auf die Mitmenschen. Immer wieder werden auch Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Eine Familie hat sich nach dem Urlaub im Resort entschlossen, von der Stadt auf das Land zu ziehen. Ein Tiny House gibt vielen Denkanstöße: Was brauche ich eigentlich wirklich, kann ich mit weniger vielleicht besser und entspannter Leben. Erhöht das vielleicht meine Lebensqualität?

Kannst du in den vergangenen Jahren ein stärkeres Interesse an Tiny Häusern bestätigen?

Ich würde schon von einem kleinen Hype sprechen. Es gibt immer mehr Hersteller, die nun auch Tiny Häuser herstellen. Auch weil es derzeit eine große Nachfrage gibt – und da ist noch Luft nach oben. Der neue Oberbürgermeister in Rostock, der Däne Claus Ruhe Madsen, hat in seiner Kampagne auch mit dem Bau einer Tiny-House-Siedlung gepunktet. Immer mehr Gemeinden beschäftigen sich mit dem Thema, auch um preiswerten Wohnraum zu schaffen.

Du planst die Häuser selbst, lässt sie von lokalen Handwerkern bauen. Wie nachhaltig sind die am Ende?

Wir verwenden hauptsächlich den Baustoff Holz, das ist erstmal relativ nachhaltig, auch wenn die eine oder andere OSB-Platte mit verbaut wird. Für die Infrarot-Dämmung verwenden wir Aluminium. Für die Umwelt ließe sich sicher noch mehr machen. Klar ist aber auch: Ich baue im Auftrag des Kunden und versuche seine Vorgaben und Wünsche umzusetzen. Es gibt kein Modell von der Stange. Ich versuche beratend einzuwirken und die Kosten sind für viele ein wichtiges Argument.

Was kostet ein Tiny House?

Realistisch gesehen geht es ab 53.000 Euro los, wenn das Häuschen auch winterfest sein soll. Das heißt, es gibt eine eingebaute Fußbodenheizung und einen Holzkamin. Nach oben hin gibt es wie so oft keine Grenze, allerdings kosten die individuellen Wünsche eben auch Geld.

Nutzt du Solarstrom für das Resort?

Leider noch nicht, aber das ist in der Tat ein wichtiges Thema für mich. Die Dachfläche ist da und ich hoffe, dass ich meinen Gästen in den nächsten Jahren eigenen Solarstrom vom Dach anbieten kann.

Du wohnst selbst in einem Tiny House. Was bedeutet es für dich, so reduziert zu leben?

In einem Tiny Hause zu leben, bedeutet auch weniger Strom und Wärme zu verbrauchen und mit weniger Platz auszukommen. Der ökologische Fußabdruck reduziert sich enorm, man lebt auf einem deutlich kleineren CO2-Fuß. Dieser Ökotourismus ist vielen meiner Gäste sehr wichtig. Sie müssen nicht fliegen und viele kommen bewusst auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad und gar nicht mit dem Auto. Greta Thunberg würde das sicher freuen.

Das Interview führte Niels H. Petersen.


Mehr zum Thema


energiezukunft