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Nachgefragt
11. Februar 2016

„Wir brauchen Klarheit, ob wir weitermachen können“

Die Bioenergie-Branche will bei der anstehenden Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zu Ausschreibungen wechseln, nachdem die vergangene Reform zu starken Einbußen führte. Horst Seide, Präsident des Fachverbands Biogas, erklärt im Interview mit neue energie die Gründe.

Fachverband-Präsident Horst Seide auf der BIOGAS Convention 2015 in Nürnberg. (Foto: NürnbergMesse, BIOGAS 2015)
Fachverband-Präsident Horst Seide auf der BIOGAS Convention 2015 in Nürnberg. (Foto: NürnbergMesse, BIOGAS 2015)

11.02.2016 – Als Präsident des Fachverbands Biogas vertritt Horst Seide über 4.900 Hersteller, Planer und Betreiber von Biogasanlagen sowie Forscher aus dem Themenbereich.

neue energie: Herr Seide, während Solar- und Windbranche den im EEG 2016 geplanten Wechsel zu Ausschreibungen ablehnen, kämpfen die Bioenergie-Verbände derzeit genau für das Gegenteil: Sie wollen Ausschreibungen auch für Bioenergieanlagen. Wieso verfolgen Sie den entgegengesetzten Weg?

Wir fordern die Ausschreibungen, weil wir am Tiefpunkt sind. Ursprünglich wurde uns vom Wirtschaftsministerium ganz klar gesagt: Das EEG 2014 wird für die Bioenergie in gegenwärtiger Form fortgeführt. Und das würde für uns das Ende bedeuten. Wir brauchen jetzt eine Nachfolgeregelung. Die ersten Bestandsanlagen fallen 2020 aus dem EEG-System. Durch neue Umweltauflagen, die schrittweise ab 2016 kommen, sind jetzt Investitionen in die Anlagen nötig, die teilweise in den Millionenbereich gehen. Ohne eine Finanzierungsmöglichkeit werden die Betreiber ihre Anlagen lieber stilllegen lassen. Wir müssen letztendlich mit den politischen Gegebenheiten umgehen, die wir vorfinden. Wir können nicht auf die nächste Regierung warten und hoffen, dass die andere Akzente setzen wird. Also haben wir gesagt: Mit Ausschreibungen und einer De-minimis-Regelung können wir ein System entwickeln, das für jeden Anlagentyp eine Zukunft ermöglicht. Nur deshalb haben wir zumindest wieder ein offenes Ohr im Wirtschaftsministerium gefunden. Sonst wären wir draußen.

Haben Sie keine Bedenken, dass die unterschiedlichen Ausrichtungen in diesem zentralen Punkt die Position der gesamten Erneuerbaren-Branche schwächt?

Ich denke nicht, dass wir uns dadurch schwächen. Es gab im EEG schon immer extrem unterschiedliche Regelungen für die einzelnen Branchen. Der Rahmen war derselbe, aber jede hatte eigentlich ihr eigenes EEG. Die Voraussetzungen sind teilweise ganz andere. Was zum Beispiel bei der Windenergie fatal wäre für die Akteursvielfalt, kann bei der Bioenergie genau das Gegenteil bewirken.

Und wie kontrovers ist das Thema innerhalb der Bioenergie-Branche?

Es gab einen riesigen Diskussionsbedarf, nicht nur im Fachverband Biogas, sondern auch in den anderen Verbänden im Bioenergie-Bereich. Die Abstimmung untereinander war nicht einfach, aber wir sind uns einig geworden. Trotzdem ist es natürlich etwas Neues für die Betreiber. Weit über 90 Prozent stehen hinter dem Modell, aber natürlich gibt es auch solche, die sagen: Ich möchte das sichere Sofa des EEG behalten. Aber da sage ich auch innerhalb der Branche ganz klar: Was ihr wollt, kann ich als Betreiber nachvollziehen, das ist mit diesem Wirtschaftsministerium jedoch nicht umsetzbar.

Rechnen Sie denn damit, dass sich die Bedingungen für Bioenergie tatsächlich verbessern würden, wenn das Wirtschaftsministerium wie angekündigt einen „ambitionierten Höchstpreis“ bei den Auktionen festlegt?

Es muss dafür schon der politische Wille vorhanden sein. Ansonsten kann man natürlich auch dieses Instrument so gestalten, dass wir keine Chance haben. Deshalb ist das Entscheidende die Frage, wieviel Zubau gewollt ist. Die aktuell geltenden 100 Megawatt brutto würden einen Abbau des Bestands bedeuten. Wir wollen erreichen, dass es 100 Megawatt netto werden. Das ist im Vergleich zur Windenergie eine kleine Zahl, aber solche Brötchen backen wir momentan. Wenn das so festgeschrieben wird, muss man es nach unserem Verständnis auch umsetzen. Das ist dann eine Frage des Ausschreibungsdesigns, in dem Höchstpreise ein Unterpunkt sind. Wir wollen durch ein EEG-Ausschreibungsdesign die Vielfalt der Bioenergie abbilden, und das ist definitiv machbar. Alles andere ist das politische Geschäft. Das unterscheidet sich in der Hinsicht auch nicht von den EEG-Einspeisetarifen: 2015 haben wir mit 20 Megawatt installierter Leistung den 100-Megawatt-Deckel ja nicht einmal annähernd erreicht. Wenn man das in die Zukunft projiziert, dann schrumpft der Bestand auf ein Niveau von unter 1000 Megawatt.

Es geht also nur noch um Bestandssicherung?

In der aktuellen politischen Großwetterlage wäre es schon ein Riesenschritt, wenn wir wohlgemerkt nicht den Bestand, sondern die Arbeit, die der jetzige Bestand leistet, im System halten – und zugleich verbessern. Wir wollen im Ausschreibungsdesign vorschreiben, dass neue Biogasanlagen die doppelte Leistung installieren, damit sie den Strom flexibler anbieten können, während die tatsächliche Stromproduktion auf dem heutigen Niveau bleibt. Gleichzeitig können wir bei den Substraten auf das umsteuern, was gesellschaftspolitisch gewünscht ist, indem wir statt Mais eher alternative Energiepflanzen wie zum Beispiel Wildblumen sowie Gülle und Mist nutzen. Auch das ist Teil unseres Designvorschlags. So bauen wir den Bestand nach und nach um.

Ihr Modell sieht vor, dass bestehende Anlagen gleichberechtigt mit neuen um die Förderung konkurrieren. Warum sollten erstere die Möglichkeit bekommen, auch nach Auslaufen der 20-jährigen EEG-Vergütung weiter gefördert zu werden?

Das ist die gleiche Logik, wie sie das Wirtschaftsministerium bei der KWK-Förderung verfolgt. Wir wissen nicht unbedingt, ob es günstiger ist, den Bestand auf die Anforderungen der Zukunft umzubauen oder eine neue Anlage zu bauen. Das wird uns die Ausschreibung zeigen. Sie bedeutet nicht, dass jede Anlage eine Bestandsgarantie erhält, sondern nur, dass die Arbeit im System gehalten wird. Die effizientesten mit den besten Ideen werden wettbewerbsfähige Preise bieten können. Wenn darunter Bestandsanlagen sind, sollten wir sie nutzen.

Bislang plant das Wirtschaftsministerium eine Verordnungsermächtigung, die der Regierung ermöglichen würde, Ausschreibungen für Bioenergie im Nachgang der EEG-Novelle einzuführen. Würde Ihnen das genügen?

Das reicht uns nicht. Wir wollen die Ausschreibungen schon verbindlich im Gesetz verankert und nicht auf die lange Bank geschoben sehen. Die neuen Umweltauflagen für Biogasanlagen kommen jetzt im Laufe des Jahres. Wir brauchen daher Klarheit, ob wir überhaupt weitermachen können. Im Übrigen konnte man beim Thema Grünstromvermarktung im letzten EEG beobachten, was eine solche Verordnungsermächtigung bedeuten kann: Sie kann bedeuten, dass gar nichts passiert.

Was würde denn im schlimmsten Fall passieren, wenn alles so weiterliefe wie gehabt?

Für die Branche wäre das dann das Aus. Wir haben jetzt 44.000 Arbeitsplätze. Bis 2035 würden wir auf ein Sechstel des derzeitigen Bestands schrumpfen, es gäbe dann nur noch einen ganz kleinen Stamm von spezialisierten Betrieben. Dass es dabei noch eine Weiterentwicklung von Knowhow gäbe, wage ich zu bezweifeln. Denn dafür benötigt man eine bestimmte Größenordnung. Was oft vergessen wird, ist: Neben Strom produzieren wir wertvolle Wärme. Fielen Tausende Anlagen aus der Produktion, würden sie auch als Wärmequelle für Gewerbekunden, Gemeinden und Privathaushalte verloren gehen. Es besteht die Gefahr, dass klimaschonende Biogaswärme durch umweltschädliche Heizenergie aus fossilen Quellen ersetzt wird.

Das Gespräch führte Tim Altegör (neue energie). Das Interview erschien zuerst in: neue energie, Ausgabe Nr. 02/2016, S. 18-19, www.neueenergie.net 


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