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Nachgefragt
13. Juli 2021

Wir brauchen viel Luft für Vielfalt

Grundprinzip der Agroforstwirtschaft ist der kombinierte Anbau von Feldfrüchten und Gehölzen. Auf Bundesebene wurden dafür erste Weichen gestellt. Daniel Fischer erklärt im Interview, was erreicht wurde und wie es jetzt weitergehen muss – denn Agroforstsysteme sind ein Baustein einer umwelt- und klimafreundlichen Landwirtschaft.

Daniel Fischer ist Berater für nachhaltige Landnutzung und Agroforstbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland.

Daniel Fischer ist Berater für nachhaltige Landnutzung und Agroforstbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland.
Foto: Daniel Fischer, AbL Mitteldeutschland

Das Land Thüringen hat eine erfolgreiche Bundesratsinitiative für die Agroforstwirtschaft initiiert. Warum engagieren sich die Landwirte in Mitteldeutschland so sehr für Agroforstsysteme?

In der mitteldeutschen Landwirtschaft finden Sie sehr große weiträumige Schläge – große Felder mit einer geringen Strukturvielfalt. Den Landwirten ist klar, dass in Anbetracht des Klimawandels Umdenken und Alternativen gebraucht werden. Agroforstsysteme sind ein wirksamer Baustein für die Klimaanpassung und bieten darüber hinaus zahlreiche Umweltvorteile. So kann beispielsweise die Biodiversität gesteigert und die Bodenerosion verringert werden.

Welches Ziel hatte der Vorstoß im Bundesrat?

Der Bundestagsbeschluss zu Agroforst im Januar war ein wichtiger Meilenstein, um auf Bundesebene das Thema an den Start zu bringen. Doch auch die Länder können über den Bundesrat Anliegen an den Bund herantragen und das ist hier geschehen. Der Entschließungsantrag stellte drei Kernforderungen: die feste Verankerung von Agroforst im Agrarfördersystem, die rechtsverbindliche Definition von Agroforstsystemen und die Schaffung eines Fördertatbestandes für Agroforst im GAK-Rahmenplan, mit dem auch Bundesmittel akquiriert werden können. Diesen Aufgaben muss sich die Bundesregierung zeitnah annehmen.

Gab es für die Definition für Agroforst konkrete Vorschläge?

Ja, es wurde sozusagen ein bisschen vorsortiert. Zum Beispiel sollen die Gehölzelemente reversibel gestaltet werden – das heißt, der Landwirt darf sie auch wieder entfernen und verliert nicht den Ackerstatus für die Fläche, auf der er Gehölze anbaut. Die Gehölzflächen sollen als Teil der produktiven Ackerflächen gefasst werden. Für entscheidend halte ich auch wie in der Begründung des Antrages formuliert, dass Agroforstsysteme den herkömmlichen Nutzungsformen vollkommen gleichgestellt werden sollen. Der Landwirt sollte daher frei über die Gehölzarten entscheiden können und diese Entscheidung im Regelfall nicht mit Naturschutzbehörden abstimmen müssen. Natürlich sind einheimische Gehölzarten wichtig, aber ein Dogma daraus zu machen, wäre falsch.

Was war die Stoßrichtung des Änderungsantrages aus Baden-Württemberg?

Baden-Württemberg formulierte im Umweltausschuss die Forderung, dass nur extensive Agroforstsysteme gefördert werden sollen. Extensiv meint eine eingeschränkte Flächenbewirtschaftung. Das hätte jedoch einen Graubereich geschaffen, da auch hier klare Regeln fehlen. Zudem sind Agroforstflächen aufgrund der viel geringeren Störung des Bodens durch die mechanische Bodenbearbeitung per se viel extensiver bewirtschaftet als herkömmliche Ackerflächen. Der Änderungsantrag fand aber keine Mehrheit im Bundesrat.

Was waren weitere Forderungen?

Der Vorschlag sah weiter vor, die Flächen nur mit heimischen Arten zu bepflanzen. Das hätte viele Agroforstsysteme ausgeschlossen, die zu Ernährungszwecken angelegt werden, z.B. durch den Anbau von Feigenbäumen. Oder Esskastanien wären in einigen Regionen voraussichtlich gefördert worden und in anderen nicht. Eine weitere Forderung war, dass jedes Agroforstsystem im Vorfeld mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmt werden sollte. Das hätte einen enormen Verwaltungsaufwand geschaffen und andererseits den einzelnen Behörden viel Entscheidungsgewalt gegeben.

Aber Letzteres ist doch nicht unbedingt schlecht?

In besonders wertvollen Schutzgebieten macht das auf jeden Fall Sinn, aber dort wird ohnehin sehr viel genauer hingeschaut, beispielsweise in einem Naturschutzgebiet oder Teilen eines Naturparkes. Dort wo seltene Feldvögel brüten, kann man nicht beliebig wirtschaften und Lebensräume zerstören. Dort sind Einschränkungen berechtigt, aber so harte Auflagen von vornherein überall zu installieren, halte ich nicht für angemessen.

Wie muss es nun weitergehen, damit viele Landwirte Agroforstsysteme etablieren?

Da ist jetzt das Bundeslandwirtschaftsministerium am Zug. Dort wurde das Thema in den letzten Jahren eher stiefmütterlich behandelt, aber es ist eine Trendwende zu erkennen, auch dank des Engagements einzelner Vorkämpferinnen. Was jetzt im Bundesrat gefordert wurde, sollte schnell umgesetzt werden. Denn die Rechtssicherheit ist eine wichtige Basis für langfristige Investitionen – und das sind Agroforstsysteme ja letztlich. Die jetzigen Pioniere auf diesem Gebiet bewegen sich noch in einer Grauzone.

Welche Linie vertritt die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft?

Wir als AbL setzen uns für weite Handlungsspielräume ein, sowohl was die Arten als auch die Flächenanteile betrifft. Eine Vorgabe für die zulässige Anzahl der Gehölze befürworten wir nicht, das sollten die Praktiker selbst entscheiden, aber die Flächenanteile zu definieren halten wir für sinnvoll. Die Einstiegshürden für die Landwirte sollen möglichst niedrig sein und nach oben viel Luft für diejenigen lassen, die mehr machen wollen. Fördermöglichkeiten auf Landesebene und Bundesebene sind notwendig, aber auch Anschubfinanzierungen. Ein Beratungsangebot wäre ebenfalls sinnvoll, denn es gibt kaum Erfahrungen und es geht um langfristige Entscheidungen und Strukturen.

Hat die Zukunftskommission Landwirtschaft das Thema ausreichend berücksichtigt?

Man muss den Gesamterfolg sehen. Dass sich in der Zukunftskommission Landwirtschaft so viele Verbände auf gemeinsame Zielsetzungen geeinigt haben, werten wir als großen Erfolg. Der Klimaschutz in der Landwirtschaft wurde gestärkt, aber auch naturschutzfachliche Ansätze. Gemeinwohlorientierte Leistungen zukünftig zu honorieren ist ebenfalls ein wichtiger Meilenstein, da waren die Positionen am Anfang sehr konträr wie auch bei vielen anderen Themen. Die Agroforstwirtschaft wird mitgedacht, aber nicht in dem Maße, wie es sich der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) gewünscht hätte. Die Leitplanken für eine umweltfreundliche und klimafreundliche Landwirtschaft wurden durch diese Kommission gesetzt. Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung an.

Das Gespräch führte Petra Franke.

Hier lesen Sie, welches Potenzial Agroforst als Teil der Landwende entwickeln kann.

Milchbauer Felix Rieken hat bereits losgelegt und baut in seinem Betrieb ein Agroforstsystem auf.


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