Verkehrspolitik im KoalitionsvertragFür (fast) alle etwas, für den Klimaschutz nicht immer gutes

Ein moderner Straßenbahnzug fährt bei tief stehender Sonne durch eine städtische Straße. Links fährt ein Fahrradfahrer mit Helm, rechts geht ein Fußgänger am Gehweg entlang. Die Szene ist in warmes Abend- oder Morgenlicht getaucht, was lange Schatten wirft. Im Hintergrund sind Bäume, Autos und Gebäude sichtbar, die den urbanen Charakter der Umgebung unterstreichen. Ein Verkehrsschild verbietet das Befahren der Straßenbahngleise mit Motorrädern.
Zwei der Fortbewegungsarten auf dem Bild gehen quasi leer aus (Foto von Zeki Binici auf Unsplash)

Viel Geld für die Bahn, technologieoffene Autoindustrie, Fortführung des Deutschlandtickets, weniger Auflagen für den Luftverkehr – In Sachen Klima ändert der Koalitionsvertrag ständig die Richtung. Für zwei Fortbewegungsarten bietet er fast nichts.

11.04.2025 – Licht im Nah- und Fernverkehr, Schatten beim klimaschädlichen Auto- und Flugverkehr. Der am Mittwoch veröffentlichte Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD bietet für die meisten Verkehrsbereiche etwas, für den Klima- und Umweltschutz bedeutet das nicht immer was Gutes.

Für was der Vertrag jedoch so gut wie nichts bietet, ist der Rad- und Fußverkehr. Den werde man „als Bestandteil nachhaltiger Mobilität stärken und fördern“. Das war es. Weitere konkreten Ziele und Maßnahmen gibt es nicht. Das klang im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung noch ganz anders. Auch wenn es bis zum Ampel-Bruch nur zaghafte Verbesserungen gab. Immerhin wurde mit der Reform des Straßenverkehrsgesetzes ein dicker Stein für den Rad- und Fußverkehr aus dem Weg geräumt, der künftig den schwächsten Verkehrsteilnehmern deutlich mehr Sicherheit ermöglicht, sollten Kommunen entsprechende Maßnahmen umsetzen.

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Langfristige Bahnfinanzierung gesichert

Vielfach positiv werden die Einigungen zum Nah- und Fernverkehr und deren künftiger Finanzierung bewertet. Vor allem die verbindliche Finanzierungszusage, mit dem sogenannten „Eisenbahninfrastrukturfonds“ lässt viele Aufatmen, dass es nun langfristig vorangeht. Das gilt auch für weitere Vorhaben bezüglich der Bahn. „Das Bekenntnis zur personellen Neuaufstellung des gescheiterten Bahnvorstandes, die Abschaffung der Nutzen-Kostenberechnung bei Elektrifizierungsvorhaben und die Stärkung der Schiene auch jenseits der ICE-Strecken in der Fläche sind ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Explizit wollen die künftigen Koalitionäre in „Haupt- und Nebenstrecken“ investieren. Investitionen in die Digitalisierung sollen mit einem Schwerpunkt auf digitale Stellwerke und eine flächendeckende ETCS-Ausrüstung priorisiert werden. Beim ETCS handelt es sich um das digitale europäische Zugsicherungssystem, dass in Deutschland noch in ungenügendem Maße ausgebaut ist. Die vielerorts noch analoge Welt des deutschen Schienennetzes trägt zu den ständigen Verspätungen der Deutschen Bahn bei. Mit dem ETCS soll und muss auch der grenzüberschreitende Schienenverkehr verbessert werden.

Auch die seit langem geforderte, stärkere Entflechtung der Infrastruktursparte vom Bahnkonzern soll „mittelfristig“ kommen. Damit soll sichergestellt werden, dass Investitionsvorhaben auch wirklich in die Infrastruktur fließen und nicht im Bahnkonzern versickern. Noch etwas schwammig formuliert ist die künftige Finanzierung für den ÖPNV. Bund und Länder werden diese „auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen und einen Modernisierungspakt starten“. Das gilt auch für den Güterverkehr. Allgemein steht dort: „Wir wollen mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.“

Positiv hebt der verkehrspolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclub VCD, Michael Müller-Görnert, vor allem einen Passus im neuen Koalitionsvertrag hervor: „Auf der Habenseite steht das Deutschlandticket: Es bleibt und soll erst 2029 teurer werden.“ Im geleakten Papier der Arbeitsgruppe Klima und Energie war noch von einem sozialverträglichen Anstieg der Nutzerfinanzierung ab 2027 die Rede. Nun also erst 2029. Den Nutzen des Deutschlandtickets für Bürger:innen und den Klimaschutz belegten zuletzt mehrere Analysen.

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Deutschland bleibt Autoland

Nun zum Negativen für Verkehrswende-Enthusiasten. „Deutschland soll Autoland bleiben. Und zusätzlich werden den Umweltverbänden Steine in den Weg gelegt. Kein guter Tag für Verkehrswende und Umweltschutz“, kommentiert Müller-Görnert die Passagen im Koalitionsvertrag zum Auto- und Luftverkehr.

Für den Luftverkehr soll künftig gelten: Wirtschaftswachstum vor Klimaschutz. „Die über das europarechtlich notwendige hinausgehende Power To Liquid (PtL)-Quote schaffen wir noch im Jahr 2025 ab“, so die wahrscheinlich künftigen Koalitionäre. Mit geeigneten Instrumenten wolle man zudem dafür sorgen, dass europäische Fluggesellschaften bei der Sustainable Aviation Fuel (SAF)-Quote nicht schlechter gestellt werden als außereuropäische. Immerhin wolle man Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel zur Förderung der Marktimplementierung von SAF nutzen.

Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sollen künftig komplett in die Sanierung von Straßen, Tunneln und Brücken fließen. Am viel kritisierten Bundesverkehrswegeplan will man festhalten. Immerhin soll der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ gelten. Der gültige Bundesverkehrswegeplan (BVWP) stammt noch von 2016 und enthält deutliche Klima-Lücken. Emissionen aus Neu- und Ausbau von Autobahnen seien deutlich zu gering angesetzt, kritisieren Umweltverbände.

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Auch die Warnungen vor der vermeintlichen Technologieoffenheit wurden von den Koalitionären in den Wind geschlagen. Zwar begrüße man eine Elektrifizierung der Fahrzeugflotten grundsätzlich, gesetzliche Quoten lehne man jedoch ab, genauso wie Strafzahlungen aufgrund von Flottengrenzwerten. „Im Automobilsektor planen Union und SPD massive Fehlanreize für den Bau übergroßer und klimaschädlicher Pkw mit Verbrennungsmotor – unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit. Die Einbeziehung von Plug-In-Verbrennern und die Ausdehnung der steuerlichen Förderung auf bis zu 100.000 Euro teure Luxus-Elektrofahrzeuge sind ein milliardenschweres Geschenk an die Automobilindustrie“, kommentiert DUH-Bundesgeschäftsführer Resch weitere Fehlsetzungen.

Zudem soll die Pendlerpauschale pauschal angehoben werden, von 35 auf 38 Cent pro Kilometer. Der undifferenzierte Pendelzuschuss nützt vor allem Besserverdienenden, die häufig mit dem Auto fahren. Auch wird damit der Trend zu längeren Arbeitswegen (mit dem Auto) befördert. Ein Mobilitätgeld statt Pendlerpauschale fordern etwa die Think Tanks Agora Verkehrswende und Ökoinstitut, unter anderem in Verbindung mit einer Klimaprämie. Am Ende sollen Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel und mit dem Fahrrad mehr bekommen, als Autofahrer.

Zum Schluss noch zu etwas positiven: Ganz leer geht die Elektromobilität im Koalitionsvertrag nicht aus. Man werde Maßnahmen ergreifen für: den beschleunigten Ausbau und die Sicherstellung der Finanzierung eines flächendeckenden, bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Ladenetzes und des Schnellladenetzes für PKW und LKW; eine Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos und ein Programm für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen aus Mitteln des EU-Klimasozialfonds, um den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität gezielt zu unterstützen. Manuel Grisard

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