Aktionsplan für die europäische Automobilindustrie: E-Automarkt ankurbeln und Klimaziele aufweichen

Was die EU-Kommission mit dem Aktionsplan für die europäische Automobilindustrie vorlegt, könnte Schwung in den E-Automarkt bringen. Zugleich droht das Aus des Verbrenner-Aus.
06.03.2025 – Wichtige Details gab die EU-Kommission schon Anfang der Woche bekannt, am gestrigen Mittwoch legte die Behörde dann offiziell ihren „Aktionsplan für Europas Automobil-Industrie vor“. Es ist das Ergebnis eines Dialogs der Kommission mit der europäischen Automobilindustrie. Ziel sei es unter anderem eine kostenmäßig wettbewerbsfähige EU-Batterie-Zellproduktion zu erreichen. Dafür will die Kommission 1,8 Milliarden Euro für eine sichere und wettbewerbsfähige Lieferkette für Batterierohstoffe bereitstellen. Rund eine Milliarde Euro Unterstützung soll es in den kommenden drei Jahren für die Entwicklung des autonomen Fahrens in der EU geben.
Zudem will die EU staatlich finanzierte Leasingprogramme von E-Autos für einkommensschwache Haushalte fördern. Auch wird ein Gesetz angekündigt, das eine verpflichtende Elektrifizierung von Dienstwagenflotten vorsieht. Dienstwagen machen derzeit 60 Prozent der Neuzulassungen in Europa aus. Insgesamt wird, nach einem schwachen Absatz 2024, eine deutliche Erholung auf dem europäischen Markt der Elektromobilität erwartet.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zur Veröffentlichung des Aktionsplans: „Es gibt so viel ungenutztes Potenzial auf dem Weltmarkt, wenn es um Innovation und saubere Lösungen geht. Ich möchte, dass unsere europäische Automobilindustrie die Führung übernimmt. Wir werden die inländische Produktion fördern, um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden, insbesondere bei der Batterieproduktion. Wir werden an unseren vereinbarten Emissionszielen festhalten, jedoch mit einem pragmatischen und flexiblen Ansatz.“
Die EU-Kommission will an dem grundsätzlichen Verbrenner-Aus 2035 festhalten, jedoch, wie bereits Anfang der Woche angekündigt, eine Änderung der festgelegten Flottengrenzwerte vorlegen. Strafen für verfehlte Flottengrenzwerte sollen nicht mehr sofort greifen, sondern die Autohersteller bekommen drei Jahre Zeit – zwischen 2025 und 2027 – ihre Reduktionsleistungen zu erreichen. Defizite in einem Jahr können durch Übererfüllung in anderen Jahren ausgeglichen werden.
In einem wegweisenden Beschluss einigten sich Im April 2019 die Institutionen der Europäischen Union für die Folgejahre deutlich schärfere Flottengrenzwerte für die Automobilindustrie festzulegen. Flottenemissionen der Hersteller dürften, im Durchschnitt und bezogen auf alle Neuzulassungen von Pkws, nur noch rund 95 Gramm CO2 pro Kilometer betragen, sonst drohen Strafzahlungen. Seit Anfang 2025 gilt ein Grenzwert von 93,6 g CO2/km, ab 2030 ein Grenzwert von 49,5 g CO2/km Für jedes Gramm drüber wird eine Strafe von 95 Euro pro verkauftes Auto fällig. Überschreitet ein Hersteller etwa den Grenzwert um 2 g CO₂/km und hat 100.000 Fahrzeuge verkauft, wären dies 19 Millionen Euro an Strafe.
Ziel war es die CO2-Emissionen neuer Pkws bis 2030 um mindestens 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 zu reduzieren. 2023 wurde dieses Ziel noch einmal verschärft mit einem Reduktionsziel von 55 Prozent bis 2030. Zudem wurde festgelegt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Pkws – wie auch leichte Nutzfahrzeuge – neu zugelassen werden dürfen. Eine Ausnahme gibt es für sogenannte E-Fuels, also Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Diese dürfen auch nach 2035 neu zugelassen werden.
Zuvor dafür, jetzt dagegen
Es waren Beschlüsse, die mit großer Mehrheit im EU-Parlament angenommen wurden, aber jetzt von denselben Abgeordneten und Fraktionen wieder in Zweifel gezogen werden. Allen voran die EVP die Europäische Volkspartei, in der auch Abgeordnete von CDU/CSU vertreten sind, setzte sich in den vergangenen Tagen und Wochen vehement für eine Aufweichung geltender Regelungen ein. Mit Erfolg.
Der Grüne Europaabgeordnete Michael Bloss warnte bei einem Presse-Briefing diese Woche: „Die Büchse der Pandora wurde geöffnet.“ Mit der von der EU-Kommission angekündigten Aufweichung der Flottengrenzwerte, seien noch weitergehende Maßnahmen zur Abschwächung der Klimaziele im Verkehr zu befürchten. Grundsätzlich sei die vorgeschlagene Aufweichung der Flottengrenzwerte hinnehmbar, so Bloss, doch es sei zu befürchten, dass die EVP nun auch das 2035er Ziel abschaffen wolle.
In einem Statement der EVP, nach der offiziellen Veröffentlichung seitens der EU-Kommission am gestrigen Mittwoch, erklärte der CDU-Abgeordnete und Verkehrssprecher der Fraktion, Jens Gieseke: „Wir als EVP-Fraktion haben uns deutlich mehr erhofft, mit einem klaren Bekenntnis zu einer zügigen Überarbeitung des Verbrennerverbots. Für das Ziel der Klimaneutralität 2050 brauchen wir alle verfügbaren Technologien.“
Bloss bekräftigte jedoch, dass ein Aufweichen des 2035er Ziels nicht mit den Parteien der Mitte, wie seiner Grünen-Fraktion im EU-Parlament zu machen sei. Man werde eine Mehrheit dafür nur mit den rechten Kräften im Parlament hinbekommen. Dann seien noch weitergehende Maßnahmen gegen Klimaschutz zu befürchten. Seit der Europawahl im Juni vergangenen Jahres verfügen Konservative von EVP über EKR – die Europäischen Konservativen und Reformer – bis zu den Rechten von Identität und Demokratie (ID) und weiteren Fraktionslosen (etwa von der AfD) über eine Mehrheit im EU-Parlament. Zu den Änderungen hinsichtlich der Flottengrenzwerte will die EU-Kommission noch in diesem Monat eine konkrete gesetzliche Änderung vorlegen. Der Streit in Parlament und EU-Rat scheint vorprogrammiert. mg