Neue MobilitätE-Trucks statt Diesel-LKW

Elektro-LKW an der Ladestation
Elektro-LKW an der Ladestation, Wind-, Solar- und Biogas-Anlagen liefern Ökostrom. (Foto: Jörg Böthling)

Der schleswig-holsteinische Biogasanlagenbetreiber Ara wird eine Stromtankstelle für LKW direkt an der Autobahn A7 errichten. Der dafür bereitgestellte grüne Strom ist ein kluger Mix aus Wind, Solar und Biogas.

15.01.2025 – Auffällig viele Olivenbäume, gesetzt in großen Pflanzcontainern, zieren das weitläufige Gelände der Ara Biogas GmbH & Co KG. Melonen gedeihen im betriebseigenen Gewächshaus. Man könnte meinen, man sei im Süden. Doch weit gefehlt, der Standort der insgesamt 4,8 Megawatt großen Biogasanlage liegt in der Mitte Schleswig-Holsteins, genauer gesagt in Brokenlande, unmittelbar an der Autobahn A7.

Die geografische Lage ist strategisch bereits jetzt vorteilhaft - „hier gab es schon immer Biomasse im Überfluss“ – könnte aber in Zukunft wie ein Sechser im Lotto sein. „Wir beabsichtigen direkt an der Autobahn eine Stromtankstelle für Lastkraftwagen zu bauen“, sagt Gründer und Firmenchef Christian Saul.

Zum Termin fährt der 55-Jährige natürlich elektrisch vor, tankt sein Auto an der firmeneigenen Ladesäule. Im bescheidenen Betriebsbüro, in einem 20-Fuß-Container untergebracht, skizziert er das Vorhaben, für das er rund 20 Millionen Euro investieren will. „Es werden 28 Ladesäulen in Reihe installiert“, erläutert Saul, „an denen können die Lkw-Fahrer ihre Fahrzeuge gleichzeitig mit der neuesten Ladetechnik innerhalb kürzester Zeit laden. Wir befinden uns hier an der Hauptachse zwischen Skandinavien und Mitteleuropa und genau hier wird der Bedarf nach Ladestrom in Zukunft extrem hoch sein.“

Überzeugt vom technologischen Wandel im Schwerlastverkehr

In den Augen des Biogaserzeugers funkelt die Begeisterung für sein geplantes Pionier-Projekt, das in dieser Dimension sicherlich ein Alleinstellungmerkmal hat. Obwohl noch viele Unbekannte in der zukünftigen ökonomischen Matrix existiere, ist Saul davon überzeugt, dass der technologische Wandel, vom Diesel hin zum Strom, auch im Schwerlastverkehr schneller als erwartet stattfinden wird.

Dabei hat er auch lange Zeit über die Umstellung seiner Anlage auf die Erzeugung von Biomethan nachgedacht, doch „im letzten Jahr endgültig die Reißleine gezogen.“ Aus seiner Perspektive hätte sich die Umstellung auf Biomethan wegen der hohen Kosten aktuell nicht wirtschaftlich darstellen lassen. Zumal er den CNG-Markt für den Schwerlasttransport als „marginal“ erachtet – zumindest in Deutschland.

Allerdings hat Saul nach einem Vierteljahrhundert Engagement in den Erneuerbaren Energien schon viele abrupte Richtungswechsel erlebt, so dass er die Biomethan-Ambitionen nicht gänzlich ad acta legen möchte. Falls der Preis für CO2 – wann auch immer – mal kräftig steigen sollte, dann könnte es doch noch ein Geschäftsmodell werden.

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Interesse an neuen Antriebstechniken steigt

Unterdessen herrsche in der Welt der Trucker eine ungeahnte Elektrifizierungseuphorie. „Schauen sie mal bei YouTube die Beiträge zum Elektro-Trucker an, dann erfahren sie, was in dem Bereich gerade abgeht“, freut sich Saul über eine derzeit offenbar rasant verändernde Rezeption in der Schwerlast-Szenerie.

Tatsächlich spiegelte die Messe IAA Transportation in Hannover im September dieses Jahres genau die Einschätzung von Saul wider: Alle großen Hersteller, ob nun Iveco, Volvo, Daimler, DAF oder MAN, gehen mit neuen E-Trucks in die technologische Offensive. Sowohl das Angebot als auch das Interesse an den neuen Antriebstechniken war enorm: 1.700 Ausstellern aus 41 Ländern zeigten ihre zumeist elektromobilen Innovationen vor mehr als 145.000 Besuchern.

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In unruhigen Zeiten und einem konstanten Jammern auf hohem Niveau sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, in Hannover fast trotzig in Richtung Politik: „Wir liefern. Unsere Branche ist Treiber der Transformation. Die IAA hat eindrucksvoll gezeigt, dass unsere Branche den Wandel hin zu klimaneutralen und digitalen Lösungen aktiv mit Investitionen und Innovationen vorantreibt, dass wir die Produkte für die vielfältigen Herausforderungen bereits entwickelt und zur Serienreife gebracht haben.“

Aber gleichzeitig wurde in Hannover auch deutlich, so Müller weiter: „Das größte Hindernis für einen schnellen, erfolgreichen und flächendeckenden Hochlauf klimaneutraler Antriebe ist die dafür notwendige Infrastruktur – das gilt insbesondere für die Ladeinfrastruktur und den vorauseilenden Netzausbau, genauso auch für Wasserstofftankstellen. Alle relevanten Akteure müssen nun in die Pflicht genommen werden, es muss ein klarer Fahrplan mit regelmäßigem Monitoring und entsprechenden Nachbesserungsmöglichkeiten etabliert werden. Um hier entscheidend voranzukommen, müssen Berlin und Brüssel nun eine Infrastruktur-Offensive ausarbeiten und schnellstmöglich umsetzen.“

Kluges Konzept zur Sektorenkopplung für einen fairen Preis

Aussagen, die sicherlich Wasser auf den Mühlen eines Christian Saul sind. „Ich will an der Autobahn ja etwas bauen, was überall wortgewaltig gefordert wird“, unterstreicht der gelernte Gärtner und studierte Betriebswirt. Obgleich, und das gehört auch zur Wahrheit, bisher nur ein Bruchteil der in Höhe Brokenlande vorbeiheizenden Lkw tatsächlich ohne Diesel angetrieben wird. Zum heutigen Zeitpunkt gäbe es aller Wahrscheinlichkeit noch keine Schlangen an den Schnellladesäulen von Saul.

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Dabei will der Vorreiter zusammenbringen, was aus einer Sicht ohnehin zusammengehört. Um langfristig einen günstigen Ladepreis von ca. 20 Cent pro Kilowattstunde den Speditionen dieser Welt anbieten zu können, will er Wind- und Solarstrom aus der Umgebung beziehen und direkt zur Biogasanlage leiten und dort mit flexiblem Biogasstrom ergänzen, so dass am Ende ein Preisoptimum an der Ladesäule entsteht. Den Anteil des Biogasstroms schätzt Saul dabei auf nicht mehr als 15 Prozent an; viel wichtiger ist für ihn aber, dass die Biogaserzeugung die zentrale Schnittstelle für Strom, Speicher und Preis sein wird.

Nebenher bleibe man wie bisher Wärmeversorger für das Gewächshaus, für Gemeindegebäude in Brokenlande als auch in der Ortschaft Großenaspe. Jedoch wird die Vergärung von Reststoffen und Gülle aufgrund der Anrechenbarkeit der THG-Quote für Kraftstoffe den daraus resultierenden Mehrerlösen auf einen Anteil von 60 Prozent anwachsen und infolgedessen der Einsatz von Mais wesentlich reduziert werden, so Saul weiter.

Um aber am Ende wirklich unter dem Dieselpreis anbieten zu können, braucht es die Befreiung von den üblichen Netzkosten. „Da wir eine Direktleitung vom Wind- und Solarpark zur Biogasanlage und dann weiter zur Stromtankstelle legen werden, sehe ich nicht, weshalb wir zukünftig Netzdurchleitungsgebühren bezahlen müssten.“

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Politik verspricht Unterstützung

Allerdings ist diese Frage mit dem Netzbetreiber SH Netz noch nicht letztgültig geklärt. Zumindest erhält der Entrepreneur aber beim schleswig-holsteinischen Landesministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN) schon jetzt ein positives Feedback: „Das Ministerium begrüßt die geplante Errichtung einer Stromtankstelle mit 28 Ladesäulen an der A7. Diese Investition unterstützt maßgeblich die Bestrebungen des Landes und der Bundesregierung, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität zu schaffen.

Insbesondere an strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie Autobahnen leistet eine solche Infrastruktur einen entscheidenden Beitrag, um die Elektromobilität auch für Langstreckenfahrten zu ermöglichen und damit den Umstieg auf klimafreundliche Antriebe zu beschleunigen. Die Initiative reiht sich nahtlos in die nationalen Anstrengungen im Rahmen des Deutschlandnetzes ein, welches den Aufbau eines engmaschigen Schnellladenetzes in Deutschland vorantreibt“, lässt Pressesprecherin Martina Gremler verlautbaren. Und Staatssekretär Joschka Knuth fügt hinzu: „Das Vorhaben wird einen wertvollen Beitrag zur Energiewende beisteuern und zur Erreichung unserer Klimaziele in Schleswig-Holstein. Wir unterstützen die Anstrengungen von Betreibern, die die nachhaltige Mobilität in der Region weiter voranbringen.“

Pioniergeist und langer Atem

Ist doch alles paletti? Eigentlich schon, doch ist Christian Saul aufgrund seiner eigenen Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten gewarnt. Hiobsbotschaften kennt er. Ob es der gescheiterte Einstieg in den CO2-Zertifikate-Markt war oder die einstigen Havarien seiner BHKW-Aggregate, bei dem er vor mehr als zehn Jahren haarscharf am Konkurs vorbeischlitterte und ihn zum Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft Biogasmotoren werden ließ.

Schillernd war auch der Börsengang der Repower AG, den Saul als zuständiger Mitarbeiter der damals finanzierenden Westbank Anfang der 2000er Jahre einfädelte und die später nach einer zwischenzeitlichen Umbenennung in Senvion von Siemens übernommen wurde.

Fürwahr, es ist viel in Bewegung und doch ist zumindest Saul am Markt geblieben. Sein Firmenkonglomerat zählt mittlerweile 25 Mitarbeiter und neben dem Standort Brokenlande gibt es noch drei weitere Betriebsstätten, an denen die Ara beteiligt ist. Rund 35 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt man pro Jahr allein in Brokenlande und erzielt mit der Strommenge, erfolgreich vermarktet von der Wemag, in „einem normalen Jahr“ rund sieben Millionen Euro.

„Es lohnt sich“, konstatiert Saul und verschweigt nicht, dass nach Kriegsbeginn in der Ukraine außerordentliche Gewinne abgeschöpft werden konnten. Für Saul überhaupt kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Vielmehr will er jetzt diese Überschüsse nutzen, um seine Biogasproduktion als integrale Steuereinheit zwischen Wind, Wasser und Solar nachhaltig für die Zukunft fit zu machen. Entsprechend dem Motto: „Wer Gülle fährt, sollte nicht irgendeinen Mist fahren“. So zu lesen auf einem der LKWs, die auf dem Ara-Gelände vorbeipesen. Im Übrigen: Einer der betriebseigenen Lastkraftwagen ist schon elektrisch unterwegs, obschon in der Anschaffung fast doppelt so teuer wie ein herkömmliches Modell. Aber: Zu spät Gekommene bestraft bekanntlich das Leben. Dierk Jensen

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