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Ein Multifunktions-Elektroauto, nicht nur für Afrika

Der aCar ist für den Personen- und Gütertransport konzipiert und auch für den europäischen Automobilmarkt interessant. Hier bei der Testfahrt in Ghana. (Foto: © Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik / TUM)
Der aCar ist für den Personen- und Gütertransport konzipiert und auch für den europäischen Automobilmarkt interessant. Hier bei der Testfahrt in Ghana. (Foto: © Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik / TUM)

Forscher der TU München haben ein Elektroauto für den afrikanischen Kontinent entwickelt, das auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten ist, die ländliche Struktur stärkt und die Wirtschaft ankurbelt – und auch für den hiesigen Markt interessant wäre.

24.08.2017 – Für viele Menschen in Afrika ist der Zugang zu Strom oder zu Fahrzeugen nicht selbstverständlich. Kleinbauern in abgelegenen ländlichen Gebieten haben häufig weder Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung, zu Bildung, noch zum politischen Geschehen. Um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, sind sie auf Transportunternehmen angewiesen, die ihre Erzeugnisse zum Verkauf in die nächste Stadt fahren. Viele Menschen verlassen daher die ländliche Umgebung, weil sie in der Stadt auf bessere Lebensbedingungen hoffen.

„Wir haben mit dem aCar ein Mobilitätskonzept entwickelt, das diese Probleme lösen kann“, sagt Prof. Markus Lienkamp, Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der TUM. „Es handelt sich um ein Fahrzeug, das sich die Menschen dort finanziell leisten können, es ist geländegängig und kann große Lasten transportieren. Der modulare Aufbau erlaubt außerdem noch weitere Nutzungen wie zum Beispiel Wasseraufbereitung.“ Gemeinsam mit Bayern Innovativ initiierte die TUM 2013 das Projekt „aCar mobility - Ländliche Mobilität in Entwicklungsländern“, um ein Fahrzeug zu konzipieren, das genau auf die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara zugeschnitten ist.

Ein Fahrzeug, viele Anforderungen, mehrere Funktionen

Für die Straßen in Afrika, die größtenteils nicht asphaltiert sind, ist Allradantrieb Pflicht. Das Team entschied sich für einen elektrischen Antriebsstrang. „Ein Elektroantrieb ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch technisch die bessere Lösung, da er wartungsarm ist und sein volles Drehmoment direkt beim Anfahren entfalten kann“, erklärt Martin Šoltés, der gemeinsam mit Sascha Koberstaedt das Projekt am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik leitet.

Alleskönner: Transportieren, Strom liefern, Therapieren, Wasser aufbereiten

Der Hauptzweck des Fahrzeuges ist der Transport von Personen und Gütern, wobei es eine Gesamtlast von einer Tonne transportieren kann. Die Batterie bietet zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten wie zum Beispiel als Energiequelle oder zur Nutzung leistungsstarker Verbraucher, wie etwa einer Seilwinde. Hierfür wurden bereits unterschiedliche Aufbauten für die Ladefläche konzipiert, die modular verwendet werden können. Mithilfe weiterer Module kann sich das Auto unter anderem in eine mobile Arztpraxis oder eine Wasseraufbereitungsstation verwandeln.

Ziel: einfach und vor Ort produzieren

Die Batteriekapazität von 20 kWh ermöglicht eine elektrische Reichweite von 80 Kilometern. Sie kann an einer normalen Haushaltssteckdose mit 220 Volt innerhalb von 7 Stunden vollständig geladen werden. Solarmodule, die auf dem Dach des Fahrzeugs angebracht sind, liefern ebenfalls Energie für die Batterie und erhöhen die Reichweite. Solarplanen, die optional erhältlich sind, können noch deutlich mehr Solarenergie zum Laden der Batterie erzeugen.

„Hightech-Komponenten wie die Batterie und die Elektromotoren werden wir am Anfang natürlich importieren müssen“, sagt Martin Šoltés. Jedoch sollen möglichst viele Komponenten des aCar vor Ort gefertigt werden, um die lokale Wirtschaft zu stärken. „Gussknoten und eine einfache geschraubte Bauweise ermöglichen eine einfache Produktion mit sehr niedrigen Investitionskosten“, erläutert Prof. Wolfram Volk, Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen. Der Preis für das Basis-Fahrzeug in Afrika solle langfristig unter 10.000 Euro liegen.

Erster Prototyp: Erprobung der Technik und Nutzerstudien

Im Mai 2016 wurde der erste Prototyp in Deutschland getestet, für den Feldversuch wurde das Fahrzeug nach Ghana verschifft, wo die Wissenschaftler vor kurzem erst die Technik und das Konzept unter lokalen Bedingungen prüften. „Es war sechs Wochen im Container unterwegs, wir haben es ausgeladen, eingeschaltet und es hat bis zum letzten Erprobungstag einwandfrei funktioniert“, berichtet Sascha Koberstaedt. Auch die Menschen vor Ort durften mal testen und waren begeistert.

Damit die Idee vom aCar keine Idee bleibt, sondern das aCar wirklich in Serie geht, haben Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés die Firma „Evum Motors GmbH“ gegründet. In einer Modellfabrik sollen die ersten Fahrzeuge in Europa gefertigt werden. Wenn die Technik voll ausgereift ist, sollen die Menschen in Ghana vor Ort geschult werden. Doch auch für den europäischen Automobilmarkt wäre das Auto interessant. Der neue Prototyp wird vom 12. bis 15. September 2017 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt der Öffentlichkeit vorgestellt.

Technische Daten:
Leistung: 2 x 8 Kilowatt elektrische
Reichweite: 80 Kilometer
Zulassungsklasse L7e
Spannungslevel: 48 Volt
Batteriekapazität: 20 kWh
Höchstgeschwindigkeit: 60 km/h Leergewicht 800 kg
Zuladung 1000 kg
Länge 3.7 m; Breite 1.5 m; Höhe 2.1 m; Sitzplätze 2


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