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SchieneninfrastrukturNoch fehlen die Investitionen für ein sauberes Schienennetz

Zwei Dieselloks auf Westerland.
Wie hier auf Sylt, müssen vielerorts in Schleswig-Holstein Diesellokomotiven Zugreisende an ihr Ziel bringen. (Bild: Niederkassler / WikiCommons, CC BY-SA 3.0)  

Es soll das Jahrzehnt der Schiene werden. Doch bislang fällt Deutschland Europaweit zurück. Die Pro-Kopf-Investitionen des Staates in die Schieneninfrastruktur sind fatal. Ein großes Manko ist die Elektrifizierung. Kann Wasserstoff helfen?

23.07.2020 – Während in den vorherigen fünf Jahren zumindest ein leichter Anstieg bei den Pro-Kopf-Investitionen Deutschlands in die Schieneninfrastruktur zu beobachten war, gab es 2019 einen – wenn auch geringfügigen – Abschwung. 76 Euro Pro Kopf gab die Bundesregierung 2019 für die Schiene aus, wie das Bündnis Allianz pro Schiene ermittelt hat. 2018 waren es noch 77 Euro Pro-Kopf. Damit vergrößerte sich noch einmal der Investitionsrückstand zu anderen Ländern erheblich. Österreich und die Schweiz – bisherige Spitzenreiter – steigerten ihre Investitionsvolumen. Neu hinzugekommen, und nun Spitzenreiter im europaweiten Vergleich, ist Luxemburg, mit Investitionen in die Schieneninfrastruktur von 448 Euro Pro-Kopf.

Deutschland hingegen liegt auf Platz neun im europäischen Vergleich und rutschte damit einen Platz ab. Und nicht nur das, auch im Vergleich verkehrspolitischer Prioritäten bei staatlichen Infrastruktur-Investitionen gab es einen leichten Negativtrend. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Investitionen in Erhalt, Neu- und Ausbau von Fernstraßen 2019 im Vergleich zum Schienennetz. Mit 55,7 Prozent wurde im letzten Jahr deutlich mehr in die Straßeninfrastruktur investiert.

Neben der schleppenden Reaktivierung stillgelegter Strecken, fehlender Strecken und allgemein maroder Schienen, ist die Elektrifizierung ein weiteres großes Manko. Seit 2005 wurden gerade einmal vier Prozent Schienennetz elektrifiziert. Lag der Wert damals bei 57 Prozent elektrifizierter Strecken, können heute 61 Prozent der Schienen elektrisch befahren werden. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Vor allem in Schleswig-Holstein hapert es bei der Elektrifizierung der Strecke. Dort ist gerade einmal 33 Prozent des Schienennetztes elektrifiziert.

Dabei hat die Bahn große Pläne. Bis 2025 soll ein Elektrifizierungsgrad von 70 Prozent erreicht werden. Im Jahr 2038 sollen die Züge in Deutschland zu 100 Prozent mit Ökostrom fahren. Dafür kündigten Bund und Bahn an massiv zu investieren. Allein in den kommenden 10 Jahren beträgt das angekündigte Investitionsvolumen 170 Milliarden Euro. Nach Berechnungen von Allianz pro Schiene steigen die Investitionen im Bundeshaushalt 2020 bereits um 40 Prozent. „Eine solche Steigerung haben wir nie zuvor gesehen“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

Für Jubel sei es aber noch zu früh. „Erst wenn der Ausbau der Schiene klar Priorität bekommt und der Bund seine Schieneninvestitionen dauerhaft und nachhaltig hochfährt, können sich die Menschen auf eine Verkehrswende mit einer Schieneninfrastruktur auf europäischem Spitzenniveau freuen“, so Flege weiter. Dafür müssen auch viele neue Stellen besetzt und die Digitalisierung der Bahn vorangetrieben werden.

Ist Wasserstoff die Lösung?

Dort wo bislang Dieselloks Orte miteinander verbinden, schlägt die FDP-Fraktion – neben einer Elektrifizierung mit Oberleitungen – auch die Nutzung von Wasserstoff als Antrieb vor. Der Vorteil von Wasserstoff als Antrieb gegenüber batteriebetriebenen Zügen: die Reichweite. 1.000 Kilometer pro Tag können etwa Züge der Firma Alstom fahren, die eine Brennstoffzelle für Wasserstoff besitzen. Erste Erfahrungen auf einigen Regionalstrecken werden positiv bewertet.

Das Problem: Noch ist nicht geklärt, wo all die Energie für den massenhaften Einsatz von Wasserstoff in Deutschland herkommen soll. Grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien, ist die nachhaltigste Lösung. Doch noch fehlen in Deutschland die Kapazitäten für die Selbstversorgung mit grünem Wasserstoff. Er müsste zum Teil importiert werden. Um Importabhängigkeit zu vermeiden, setzt Deutschland für die kommenden Jahre auch auf sogenannten blauen Wasserstoff, der Mittels Gas und CO2-Abscheidung gewonnen wird. Doch klimaneutral ist das nicht.

Darüber hinaus hat der Verband der Elektrotechnik in einer aktuellen Studie ermittelt, dass batterieelektrisch betriebene Züge in Anschaffung und Betrieb wesentlich wirtschaftlicher sind als Züge, die mit Brennstoffzellen betrieben werden. Hauptproblem sind, neben den Energiekosten, die Kosten für den Tausch der Brennstoffzellen. Ein Brennstoffzellenfahrzeug ist demnach bis zu 35 Prozent teurer als ein batterieelektrischer Zug, der ähnlich wirtschaftlich ist, wie ein Triebzug, der an Oberleitungen fährt. Der Einsatz von Wasserstoff sollte daher gut durchdacht und mögliche Alternativen bevorzugt werden. mf


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Kommentare

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irgend ein typ 26.07.2020, 13:59:24

Die Studie des VDE ist lesenswert. Viele interessante Details enthalten.

 

Was die Studie jedoch verschweigt sind zwei wesentliche wichtige Punkte

- bisher sind keine Batteriebetriebenen Züge für diese Größenordnung vorhanden/lieferbar. Die Studie bezieht sich auf Annahmen und skaliert diese. Der H2-Zug ist bestellbar und steht kurzfristig zur Verfügung.

 

- in dem Szenario wurden keine Umlaufzeiten berücksichtigt. Batteriebetriebene Züge müssten u.U. nach jedem Umlauf geladen werden. Da im Fahrplan jedoch keine langen Pausen berücksichtigt sind, sondern ein direkter Umlauf stattfinden soll, funktioniert das entweder mit dem Einsatz von mehr Zügen ( = höherer Invest), so dass immer einer nachgeladen werden kann, oder durch den Einsatz von Zügen mit einem großen Energiespeicher (= höherer Invest, als in der Studie UND noch nicht verfügbar)


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