Verkehrspolitik: Sozialer Klimaschutz trifft Betonpolitik

Einerseits sozial ausgewogene Kaufanreize für E-Autos, andererseits neue Milliarden für den Straßenneubau und Willen für das Aus des Verbrenner-Aus – die Verkehrspolitik der Bundesregierung bleibt widersprüchlich.
10.10.2025 – Es gibt sie, die positive Erkenntnis aus Koalitionsausschuss und Automobildialog für Klimaschutz Belange. Gezielte Kaufanreize für E-Autos für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen kommen. Ein entsprechendes Förderprogramm soll bis 2029 rund 3 Milliarden Euro betragen und aus dem deutschen Klimatransformationsfonds (KTF) und dem EU-Klimasozialfonds gestemmt werden. Das ist einer der Beschlüsse des Koalitionsausschusses nach einer Marathonsitzung in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Beim anschließenden Automobildialog – auch Autogipfel genannt – einigte sich die Bundesregierung auch mit der Automobilindustrie darauf.
Damit folgt die Bundesregierung Empfehlungen der EU-Kommission über den Klimasozialfonds entsprechende „Social Leasing“ Programme zu fördern. Der Klimasozialfonds soll sich vor allem aus Einnahmen des ab 2027 geltenden ETS II speisen – dem neuen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr auf EU-Ebene – und inklusive nationaler Beiträge ein Volumen von bis 115 Milliarden Euro betragen.
Frankreich fährt bereits seit 2024 ein Social-Leasing Programm, das eine starke Nachfrage verzeichnet. So wurden E-Autos mit Leasinggebühren von rund 100 Euro pro Monat offeriert, was 90.000 Anmeldungen zu dem Programm innerhalb von sechs Wochen nach sich zog, wie die NGO Transport & Environment (T&E) in einer Analyse schreibt. In derselben Analyse kommt T&E zu der Prognose, dass allein in den fünf größten EU-Ländern bis 2032 etwa 3 Millionen Haushalte von Social Leasing profitieren könnten.
Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt die neue E-Autoförderung, die schon im schwarz-roten Koalitionsvertrag angekündigt war. Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD, sagt: „In anderen Ländern gibt es das längst, nun kommt es auch in Deutschland: 'Social Leasing' ermöglicht es einkommensschwächeren Haushalten, aufs E-Auto umzusteigen. Wir fordern das seit langem, nun hat die Regierung ein Einsehen. Endlich.“ Die Förderung müsse allerdings an klare Kriterien geknüpft sein. So sollten für den Kauf oder das Leasing nur kleinere und effizientere E-Autos in Frage kommen – die Subventionen für 100.000-Euro-Luxuskarossen seien ein Irrweg.
Der VCD begrüßt zudem, dass die Koalition 3 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität für die Sanierung von Bundestraßen und den Brückenbau verwenden will. Dies sei dringend notwendig. Dass allerdings jene Mittel, die dadurch im regulären Haushalt freiwerden, in neue und breitere Straßen fließen sollen, das kritisiert der VCD „Der Ausbau des Straßennetzes ist ein Anachronismus, der unsere Verkehrsprobleme nicht lösen wird.“
Verkehrsminister Patrick Schnieder hatte ursprünglich rund 15 Milliarden Euro zusätzlich für dringend nötige Straßenverkehrsprojekte gefordert. Ein Bedarf, der der Überprüfung im Koalitionsausschuss nicht standhielt. Die zusätzlichen 3 Milliarden werden dem Bereich Mikroelektronik entzogen und sollen in den Jahren 2026 bis 2029 fließen. Sie kommen zu den 52 Milliarden Euro hinzu, die aus dem Sondervermögen in den nächsten Jahren – bis zum Ende der Legislaturperiode – bereitgestellt werden.
Grundsätzlich gilt für den Straßenverkehr und die Mittel aus dem Sondervermögen „Erhalt vor Neubau“. Doch wie der VCD auf Nachfrage erläutert, steht im Koalitionsbeschluss auch drin, dass durch die zusätzlichen 3 Milliarden Spielräume in den Einzelplänen des Bundesverkehrsministeriums entstehen, die für Maßnahmen mit Baureife gelten. Verkehrsminister Schnieder sagte nach dem Koalitionsbeschluss: „Wir nutzen alle verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten, um unsere Verkehrswege zu modernisieren, zu erhalten und gezielt auszubauen.“ Dabei verwies er auch auf konkrete Neubauprojekte.
Enttäuschend aus Sicht des VCD sei, dass im Koalitionsbeschluss die klimafreundliche Mobilität offensichtlich keinen Platz fand. „Viel besser wäre das Geld in die Schiene, in den Rad- und den Fußverkehr investiert. Doch diese klimaschonenden Verkehrsarten gehen bei den Koalitions-Beschlüssen leer aus. Planreife Schienenbauprojekte stehen weiter auf der Kippe. So wird das nichts mit dem Ziel, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern“, sagt Kerstin Haarmann. Vor zwei Wochen hatte der Verkehrsminister eine Schienenstrategie vorgelegt, die aber weiterhin viele Fragen offenließ.
Streitthema Verbrenner-Aus
Keine Einigung dagegen erzielte die schwarz-rote Koalition beim Dauerstreitthema Verbrenner-Aus. Die Union will das EU-weite Verbrenner-Aus 2035 kippen. Der bisherige Plan ist, dass ab 2035 keine Autos mit Verbrenner mehr neu zugelassen werden dürfen, die CO2-Emissionen verursachen. Eine Hintertür für sogenannte E-Fuels gibt es bereits. Die SPD will an den bisherigen Plänen festhalten.
Doch nach dem Automobildialog am gestrigen Abend bekräftigte Bundeskanzler Friedrich Merz zwar: „Der Weg zur Elektromobilität ist eröffnet. Dieser Weg wird weitergehen“, Es sei aber richtig, dass es Zeit für die Markteinführung brauche. Daher werde es „einen harten Schnitt 2035" mit ihm nicht geben, so Merz. Die Bundesregierung werde sich für eine Öffnung und Flexibilisierung der europäischen Regulierung der CO2-Flottengrenzwerte – dem Verbrenner-Aus – einsetzen. Die Automobilindustrie solle auf alle denkbaren Antriebstechnologie setzen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Denn nur so könne sie im weltweiten Wettbewerb bestehen.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, kritisierte sogleich: Das ist eine fatale und kurzsichtige Entscheidung, die schlecht ist für die Jobs in der Automobilindustrie und verheerend für den Klimaschutz.“ Während weltweit das Elektroauto Fahrt aufnehme, lege Deutschland den Rückwärtsgang ein und drohe international den Anschluss zu verlieren. „Statt Klarheit über den Kurs zu geben, stiftet das Infrage stellen des Verbrenner-Aus neue Unsicherheit bei Kund:innen, Investoren und Beschäftigten.“ Arbeitsplätze in Deutschland seien damit massiv gefährdet, so Dröge.
Immerhin bekräftigte Die Bundesregierung nach dem Autogipfel auch die Kfz-Steuerbefreiung für Elektro-Autos über 2030 hinaus um weitere fünf Jahre verlängern, sowie den Masterplan Ladeinfrastruktur voranzutreiben. Mit dem Ausbau des Deutschlandnetzes – einem engmaschigen Schnellladenetz insbesondere an Autobahnen –, Maßnahmen für bidirektionales Laden und schnellerem Ausbau von Ladepunkten in Mehrparteienhäusern werde die flächendeckende Versorgung mit Ladestationen möglich gemacht. Auch wolle man Forschung und Entwicklung von Batterien in Deutschland stärker vorantreiben. mg





















































