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Nachgefragt
08. Januar 2018

„Die Natur entscheidet über die Zukunft der Skigebiete“

Im gesamten Alpenraum müssen sich Skigebiete heutzutage verstärkt mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Während die wirklich hoch gelegenen Gebiete eine positive Zukunft haben, wird es die tiefer gelegenen in ihrer derzeitigen Form zum Großteil nicht mehr geben, prophezeit Josef Reiter.

Anlagenbetrieb am Penken im Zillertal. (Foto: © Mayrhofner Bergbahnen)
Anlagenbetrieb am Penken im Zillertal. (Foto: © Mayrhofner Bergbahnen)

08.01.2018 – Josef Reiter ist nicht nur Vorstand der in Österreich ansässigen Mayrhofner Bergbahnen, sondern auch Obmann der Interessengemeinschaft der Zillertaler Seilbahnen.

Herr Reiter, weltweit sind die Auswirkungen des Klimawandels ein viel besprochenes Thema. Nehmen die Bergbahnbetreiber im Zillertal bereits Umweltveränderungen war?

Ich glaube so richtig wahrnehmen wird man derartige Veränderungen erst nach Beobachtungen über einen wesentlich längeren Zeitraum. So aus dem Gefühl heraus haben sich die Niederschlagsmengen vor allem in Form von Schnee eher in den Januar hineinverlegt. Auch werden die Wärmeperioden im Sommer immer länger und auf der anderen Seite die Niederschlagsereignisse heftiger. Das ist natürlich unser subjektives Empfinden. In welcher Form und in welchem Ausmaß derzeitige Klimaprognosen aber zukünftig wirklich zutreffen, muss über einen Zeitraum von 50 Jahren beobachtet werden. Erst dann kann man die Klimaveränderungen seriös belegen.

Studien dokumentieren aber bereits jetzt drastische Veränderungen in den Alpen?

Es gibt natürlich von allen möglichen Seiten Studien zu diesem Thema. So gibt es auch eine von den Seilbahnen, die vor allem auf einer statistischen Auswertung beruht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es auf den Bergen im Winter im Durchschnitt sogar kälter wird. Der globale Zusammenhang eines Klimawandels ist nicht wirklich auf die Alpen übertragbar, hier herrscht ein ganz spezielles Kleinklima. Und was Wissenschaftler teilweise machen, muss nicht unbedingt eine Aussagekraft für das Thema Klimawandel haben. So werden zum Beispiel aus statistischen Auswertungen durchschnittliche Tagestemperaturen abgeleitet und mit den Wintertemperaturen in Zusammenhang gebracht. Gerade aus den Durchschnittstemperaturen lässt sich allerdings überhaupt nichts herauslesen. So ist es zum Beispiel im Raum Kitzbühel im Winter im Durchschnitt um rund zwei Grad kälter geworden, was aber wiederum keine Aussagekraft hinsichtlich des Schneefalls oder der Möglichkeiten einer technischen Schneeproduktion hat. Bei uns in den Bergen schmelzen die Gletscher auch nicht wegen der Klimaveränderungen im Winter ab, sondern wegen der Erwärmung im Sommer.

Haben Sie den Eindruck, dass auch der Tourismus einen negativen Einfluss auf die Alpenregion hat?

Ich glaube, dass der Tourismus wie er sich jetzt gerade entwickelt, in Zukunft behutsamer mit dem Thema umgehen wird. Das kommt mit Sicherheit, weil sich die Meinungen zu bestimmten Themen geändert haben und die Branche damit auch sehr sorgsam umgeht. Ich glaube auf der anderen Seite nicht, dass gerade das Thema Klimawandel umgekehrt auch negative Auswirkungen auf den Tourismus haben wird. Es werden sich Dinge verschieben und durchaus auch Herausforderungen ergeben, weil man das Angebot anpassen muss. Wenn die Klimaprognosen eintreffen, werden niedriger gelegene Skigebiete mit Sicherheit einfach keine Skigebiete mehr sein. Auf der anderen Seite erleben wir, dass es im Winter grundsätzlich sehr stark um das Thema Bewegung geht. Dabei stehen Skifahren und Snowboarden natürlich noch im Mittelpunkt. Trotzdem gibt es aber auch heute schon andere Betätigungen wie Winterwandern, die sich dann ganz gut ausbauen lassen.

Wie wichtig ist Umweltschutz für die Bergbahnbetreiber im Zillertal?

Ich kann jetzt hauptsächlich für die Mayrhofner Bergbahnen sprechen und sagen, dass wir das Thema sehr ernst nehmen. Dabei geht es nicht nur um die Sorgfalt wenn wir etwas bauen, es geht allgemein um den Umgang mit der Natur. Bei uns ist die Landesumweltanwaltschaft unsere Kontrollinstanz. Zu dieser Institution pflegen wir ein gegenseitiges und absolutes Vertrauensverhältnis. Erst vor kurzem wurde eine Großbaustelle bei uns besichtigt. Man war von der Art der Bauabwicklung und den ökologischen Begleitmaßnahmen wirklich begeistert. Deshalb wurden wir offiziell in einem Presseartikel wegen unserer vorbildlichen Arbeit erwähnt. Wir verursachen bei der Umsetzung unserer Projekte Wunden, aber wir sorgen auch dafür, dass diese wieder heilen und dass das Gesamtbild am Ende passt.

Wie umweltfreundlich sind die Mayrhofner Bergbahnen denn beim Thema Energie?

Grundsätzlich stammt unser gesamter Strom aus Erneuerbarer Energie. Ansonsten haben wir bei unseren letzten Projekten immer gleich eine Photovoltaik-Anlage mitgebaut. Das ist die Energieform, die sich für uns am sinnvollsten einsetzen lässt. Wasserkraft haben wir hier am Berg nicht zur Verfügung. Die auf den Baustellen installierten PV-Anlagen haben inzwischen einen erstaunlichen Wirkungsgrad. Sie sind deswegen für uns so sinnvoll, weil wir nicht gezwungen sind, Strom in das Netz einzuspeisen. Wir haben selbst im Stand-by-Betrieb einen hohen Stromverbrauch, den wir dann mit sauberem Strom decken können.

…und der hohe Wasserbrauch der künstlichen Beschneiungsanlagen ist kein Problem?

Wir haben in den Alpen so viel Wasser, dass die Wassermenge tatsächlich kein Problem ist. Was wir in der Schneeerzeugung machen ist ja nur eine zeitliche Verlagerung des Schmelzwasserabflusses.

Wodurch wurde in den letzten Jahren die Nachhaltigkeit gestärkt und Umweltauswirkungen des Skitourismus im Zillertal reduziert?

Wir setzen schon seit Jahren den Hebel vor allem bei der Schneeerzeugung an, indem wir die Effizienz erhöhen. Wir waren immer schon die ersten beim Thema Schneemanagement und beim sorgsamen Umgang mit Ressourcen, dazu führen wir auch weiterhin laufend Versuche durch. Beim Anlagenbetrieb selbst, also bei dem Betrieb der Seilbahnen, können wir relativ wenig tun. Die Anlage benötigt eben eine bestimmte Leistung. Aber bei der Beschneiung ist noch sehr viel möglich. Teilweise entstehen Einsparpotentiale in Zusammenarbeit mit den Herstellern der Schneekanonen, teilweise muss man sich aber auch einfach selbst hinsetzen und mit der Frage beschäftigen, wie die Schneeanlage am ressourcenschonendsten eingesetzt werden kann. Wir arbeiten mittlerweile sehr stark mit verbesserten Wetterprognosen und können dadurch klare Entscheidungen treffen. Wir beschneien so wenig wie möglich bei Grenztemperaturen, weil da der Effizienzgrad am schlechtesten ist. So gibt es eine ständige Entwicklung, dass wir trotz größerer beschneiter Skiflächen vom Energieverbrauch konstant bleiben können. Das ist einerseits natürlich wirtschaftlich notwendig, aber andererseits auch eine Grundhaltung im Umgang mit den Ressourcen. Dieser wird ja sehr sensibel beobachtet.

Glauben Sie, es wird zukünftig eine künstliche Beschneiung geben, die auch bei Plusgeraden eingesetzt wird?

Zu diesem Thema fällt mir die Piefke-Saga ein. Das war eine satirische Fernsehproduktion, wo man den Tourismus sehr stark überzeichnet dargestellt hatte. Das hat zum Teil damit geendet, dass schöne Almwiesen mit einem Reißverschluss versehen waren und darunter eine Mülldeponie lagerte. Damals war die Schneeproduktion noch in ihren Anfängen und wurde in allen Auswüchsen ganz schwarz dargestellt. Wenn der Klimawandel in der Dimension kommt, wie es zurzeit prognostiziert wird, dann betrifft das die Wintersportgebiete bis 1.600 Meter. Die Natur entscheidet über die Zukunft der Skigebiete und wird dann auch bestimmen, dass sich die Areale unterhalb dieser Grenze zu Bergsportgebieten entwickeln. Aber ich wäre absolut nicht dafür, dass man eine neue Kunstschneeart erfindet, die dann auch bei Plusgraden besteht. Da muss sich der Mensch einfach der Natur beugen und entsprechend umstellen. Meine persönliche Meinung: Skifahren auf Schnee, der Plusgrade überlebt, ist für mich wie Urlaub auf „The Palm“ in Dubai – das würde ich aus Überzeugung nie machen. Genauso würde ich nie eine solche Art von Kunstschnee – und hier trifft der Name auch mal zu – wollen. Ich denke, dass es ein solches Konzept nicht geben wird.

Trotz Rückgang des Gletschers bleibt der Hintertuxer Gletscher das einzige Ganzjahresskigebiet in Österreich. Wie lange kann Ihrer Meinung nach dieser Status noch aufrechterhalten werden?

Da muss ich um Verständnis bitten, der Hintertuxer Gletscher wird vom Mitbewerber betrieben und deshalb möchte ich das überhaupt nicht kommentieren – auch nicht persönlich. Mir fehlt dazu auch das nötige Hintergrundwissen.

Gibt es schon Diskussionen und Ideen, wie Touristen auch zukünftig ihren Winterurlaub verbringen können, wenn bedingt durch die Klimaerwärmung ein Skitourismus nicht mehr aufrechterhalten werden könnte?

Auf jeden Fall. Ich glaube, dass die Angebotspalette insgesamt breiter wird, wobei das nicht immer unbedingt nur mit dem Klimawandel zu tun haben muss. Zur Weihnachtssaison kommen zum Beispiel viele Familien hierher, wo dann vom Enkel bis zum Opa alle mit dabei sind. Gerade in solche Zeiten wollen die Gäste nicht nur Skifahren. Teilweise weil es zu anstrengend ist, aber auch weil man hier einfach genügend andere Dinge machen kann. Wir hatten jetzt zwei Winter, wo wir den Saisonbeginn vom Pistenangebot wirklich gut hinbekommen haben. Da waren aber auch zwei Weihnachten, wo durchaus viel die Sonne schien. Teilweise hatten wir dadurch Bedenken, weil die Pisten nicht immer die volle Breite hatten. Das war dann aber trotzdem überhaupt kein Thema, weil die Gäste einfach die Luft, die Natur und die Sonne genossen haben. Mir geht das ja selbst auch so, dass ich im Urlaub manchmal einfach nur abschalten möchte. Ich glaube, dass sich dabei in den letzten Jahren das Konsumverhalten geändert hat. So gibt es beim Skifahren nicht mehr so das „Ausfahren der Skipässe“, wie es vielleicht früher einmal war. Teilweise ist das aber auch durch die modernen Anlagen bedingt, da ein Durchschnittsgast ja nur zehn bis elf Widerholungsfahrten pro Tag macht. Die hat man dann spätestens gegen Mittag erledigt.

Laut der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA gehen immer weniger Menschen heutzutage Skilaufen und immer mehr dagegen auf Skitouren. Können Sie diese Entwicklung bestätigen?

Ich glaube nicht, dass die beiden Themen unbedingt miteinander zusammenhängen. Das Skitourengehen passt schon ganz gut in die generelle Zeitströmung. Das ist Natur, das ist Entspannung – ich mache es auch. Ich gehe speziell am Abend teilweise auf den Pisten nach oben und genieße dann die Ruhe. Skifahren ist für mich einfach Spaß und das Thema Tourengehen nehme ich als Entspannung. Wenn ich dann einen ganzen Tag Zeit habe, genieße ich es in der freien Natur unterwegs zu sein. Ich sehe das Skitourengehen aber insofern kritisch, dass die Masse auch zu groß werden kann. Dann ist es für die Natur ein wesentlich größeres Problem als unsere Skipisten. Das liegt daran, dass vielen einfach die Disziplin fehlt und sie oftmals nicht nur die Weggebote missachten, sondern auch Wildschutzgebiete für Abfahrten nutzen. Teilweise bringen sich die Leute auch noch selbst in Gefahr, weil sie nicht so erfahren sind. Ich glaube, dass es sich dabei im Moment um einen Modetrend handelt. So gab es vor ein paar Jahren noch die Phase mit den Schneeschuhen, was heutzutage wieder viel weniger Leute machen. Dafür hat sich bei der Tourenausrüstung ja sehr viel getan. Heutzutage hat man auch auf der gewöhnlichen Piste als Oberbekleidung oft eine Tourenskibekleidung an, das ist einfach total modern.

Empfinden Sie den Klimawandel grundsätzlich als existenzbedrohend für Ihre Branche?

Nein, nach Stand der heutigen Prognosen empfinde ich den Klimawandel keineswegs als existenzbedrohend. Die Prognosen besagen ja, dass sich der Skibetrieb nach oben verlagern wird. Im Endeffekt wird es damit enden, dass die wirklich hoch gelegenen Gebiete eine positive Zukunft haben und es die tief gelegenen zum Großteil nicht mehr in der derzeitigen Form geben wird. Wir in Mayrhofen gehören natürlich nicht zu den ganz hohen Skigebieten, weswegen sich in den mittleren Lagen bei uns zwar ein paar Dinge ändern werden. Insgesamt sehe ich da aber trotzdem kein Problem. Unsere Pisten fangen bei 1.700 Metern an und liegen deshalb knapp oberhalb der besagten Grenze.

Das Interview führte Joschua Katz.


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