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Nachgefragt
14. November 2017

„Ein Kohleausstieg wäre ein Signal an die Welt“

Die Klimakonferenz in Bonn soll das Pariser Klimaabkommen konkretisieren und ein sogenanntes Regelbuch entwickeln. Zur Halbzeit der COP23 haben wir mit Rixa Schwarz von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch über die Stimmung vor Ort, das Auftreten der USA und die Rolle der Bundesregierung gesprochen.


14.11.2017 – Rixa Schwarz beobachtet als Teamleiterin für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch die jährlich stattfindenden Klimaverhandlungen und ist auch in Bonn vor Ort.

Die Klimakonferenz läuft bereits seit einer Woche, wie ist die Stimmung vor Ort?

Die Stimmung ist relativ gut würde ich sagen. Die COP hat die Arbeit extrem schnell aufgenommen, es gab wenige Diskussionen um die Agenda. Wir haben bei dieser Konferenz viele technische Agendapunkte, dafür war es gleich am Anfang ziemlich politisch mit der Forderung der Entwicklungsländer, über die Aktivitäten und Maßnahmen gegen den Klimawandel vor dem Jahr 2020 zu sprechen. Das hatte man nicht unbedingt erwartet, aber aus meiner Sicht ist das ein legitimer Punkt. Es gab viel Verständnis von den anderen Staaten, deshalb ist die Stimmung trotz der politischen Komplikation nicht gekippt.

Heißt das, Sie rechnen mit einem guten Ergebnis am Ende der Woche?

Das kann man noch nicht sagen. Wir waren erstmal froh, dass die Arbeit so schnell ohne Verzögerungen aufgenommen wurde und jetzt müssen wir schauen wie die Verhandlungen wirklich laufen. Es geht nun um die Regeln zum Umsetzen des Pariser Abkommens, das ist eine lange Agenda. Bislang gehen die Länder sehr konzentriert und praktisch an die Arbeit, am Anfang der Woche auch noch zielorientiert. Jetzt kommen – und das ist normal – noch einmal die Positionen auf den Tisch, bei denen man sich nicht einig ist. Darüber muss jetzt verhandelt werden, um ein gutes Ergebnis am Ende zu erreichen.

Was sind dabei die Streitthemen?

Es geht darum wie die nationalen Klimapläne genau strukturiert werden sollen, wie scharf die Berichterstattung sein wird, ob alle Länder tatsächlich die gleichen Berichtspflichten haben oder ob es Abstufungen gibt und wie die Klimazusagen der Länder vergleichbar gemacht werden können.

Erstmals sind Delegationen von Metropolen und Regionen dabei, gerade einige Großstädte preschen beim Klimaschutz voran. Wie treten diese auf?

Das ist in der Tat eine ganz interessante Entwicklung. Seitdem wir das Paris-Abkommen haben sind nicht nur die Vertreter der Länder dabei, sondern auch die, die es tatsächlich umsetzen müssen. Das ist sehr spannend, weil Großstädte und Kommunen oft schneller vorangehen wollen. Es gibt zum Beispiel Bürgermeister-Initiativen, die hier auf der Konferenz sehr breit und in großer Zahl auftreten und mitreden wollen. Das ist sehr erfreulich.

Es gibt eine ähnliche Bewegung in den USA, die sich gegen die US-Regierung richtet.

Das ist die Initiative „We are still in“, ein Zusammenschluss von US-Bundesstaaten, Städten und Unternehmen. Es ist die direkte Reaktion auf die Ankündigung von Donald Trump aus dem Klimaabkommen auszusteigen. Die Akteure versuchen sozusagen an Trump vorbei die Klimaziele der USA umzusetzen. Man muss abwarten, wie hoch der Beitrag wirklich sein kann, aber die Initiative könnte große Relevanz entwickeln. „We are still in“ wirkt zwar nicht direkt auf die Verhandlungen, dennoch zeigt die Initiative, dass die Signale zum Beispiel aus der Wirtschaft so eindeutig sind, dass am Klimaschutz kein Weg mehr vorbeiführt. Und der Zusammenschluss macht anderen Ländern Mut und zeigt ihnen, dass sie auch in den USA einen Partner für mehr Klimaschutz haben.

Wie verhält sich dagegen die offizielle US-Delegation in Bonn?

Die USA sitzen zwar mit am Tisch, verhalten sich aber relativ ruhig. Die Beiträge sind seltener als gewohnt, in den Hintergrundgesprächen sind sie dagegen schon aktiv. Da gibt es bislang keine großen Überraschungen.

Entwickeln die übrigen Nationen nach dem angekündigten Austritt der USA ein „Jetzt erst Recht“-Gefühl oder nehmen die Verhandlungen ihren normalen Gang?

Im Juli konnte man auf dem G20-Gipfel in Hamburg beobachten, dass sich 19 Staaten zum Klimaschutz und dem Pariser Abkommen bekannt haben und gegen die USA gestellt hatten. Das ist auch hier auf der Konferenz der Spirit: Alle stehen zusammen und machen weiter. Mit den USA fällt zwar eine Stimme raus, dagegen sind mit Nicaragua und Syrien die letzten Länder dem Klimaabkommen beigetreten. Die Amerikaner stehen also sehr alleine da, das sehen die anderen Länder als positives Zeichen und konzentrieren sich auf die Verhandlungen. Es gibt keine große Diskussion um die Rolle der USA und deren Verhalten.

China drängt auf eine Führungsrolle beim Klimaschutz, will allerdings weiterhin als Entwicklungsland behandelt werden. Welche Rolle spielt die chinesische Delegation bislang?

China ist durch den angekündigten Ausstieg der USA mehr ins Rampenlicht gerückt. Aber wir haben mittlerweile eine so breite Klimaagenda, dass es kaum ein Land gibt, das die absolute Führungsrolle einnehmen kann. Unterschiedliche Länder nehmen in verschiedenen Bereichen die führende Rolle ein. China ist sehr stark bei dem Thema Ausbau der Erneuerbaren Energien, auch im Verkehrsbereich mit der Elektromobilität. In den Verhandlungen ist China bislang nicht großartig aufgefallen. Sie pochen natürlich darauf, dass Entwicklungs- und Schwellenländer anders behandelt werden als Industrieländer.

Die Bundesregierung ist zwar nur geschäftsführend im Amt, zugleich aber sogenannter technischer Gastgeber, um die Präsidentschaft Fidschis zu unterstützen. Wie tritt Deutschland also auf?

Als guter Gastgeber hat Deutschland gleich am Montag Zusagen gemacht, den Anpassungsfonds und den „Least Developed Countries Fund“ mit mehr Geld zu unterstützen. Das haben wir sehr begrüßt, denn das trägt hier dazu bei, eine gute Arbeitsatmosphäre aufzubauen und Vertrauen zwischen den Ländern herzustellen. Außerdem hat Deutschland mit der Bonn Zone einen Raum geschaffen um den Dialog zu fördern. Das Wort Talanoa ist sozusagen das Motto der Konferenz, dabei geht es um eine Art Austausch, der in der Tradition Fidschis verankert ist. Das gelingt ziemlich gut.

Viel Austausch gibt es auch bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin, herausgekommen ist in Sachen Klimaschutz bislang nichts. Spielt die Regierungsbildung und die Diskussionen um einen deutschen Kohleausstieg in Bonn eine Rolle?

Auf jeden Fall. Die Zivilgesellschaft hatte am Samstag vor der Konferenz eine große Demonstration zum Thema Kohleausstieg organisiert. Das hat unter anderem dazu beigetragen, dass die Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt wurde. Und es hat Wissen darüber vermittelt, dass Deutschland immer noch einer der Weltführer beim Thema Kohleabbau und Kohlenutzung ist. Dadurch schauen die Teilnehmer stark auf die Koalitionsbildung in Berlin und beobachten, ob Deutschland bei dem Thema Kohle vorankommt.

Was würde eine Einigung von Jamaika zum Kohleausstieg bewirken?

Es wäre ein sehr starkes Signal! Nicht nur aus der nationalen Notwendigkeit heraus, um die eigenen Klimaziele noch einzuhalten. Sondern auch ein Signal an die Welt, dass man den Kohleausstieg tatsächlich angehen kann. Für viele Länder ist Deutschland ein wichtiges Vorbild: Wenn eine solch große Wirtschaft auf Erneuerbare umschwenken kann, ermöglicht das anderen Ländern dieses Ziel ebenfalls anzugehen.

Das Interview führte Clemens Weiß.


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