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Nachgefragt
13. März 2018

„Wir müssen das Tempo der Energiewende um den Faktor vier steigern“

Der renommierte Wissenschaftler Volker Quaschning vertritt seit langem die Auffassung, dass die Energieversorgung vollständig durch Erneuerbare Energien gedeckt werden muss. Wir haben mit ihm über Sektorenkopplung, klimafreundliche Heizungen und die notwendigen Maßnahmen der neuen Regierung gesprochen.

Volker Quaschning, Professor Regenerative Energiesysteme HTW Berlin

Volker Quaschning, Professor Regenerative Energiesysteme HTW Berlin
Foto: Silke Reents

13.03.2018 – Volker Quaschning ist seit 2004 Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.

Herr Prof. Quaschning, die Heizung der Zukunft wird eine Elektroheizung sein. Das ist eine weit verbreitete Prognose vieler Experten der Erneuerbare-Energien-Branche. Natürlich gibt es auf der anderen Seite eine ebenso große Zahl von Lobbyisten, die die fossilen Brennstoffe nicht missen wollen und deshalb eine andere Sicht haben. Wie denken Sie darüber?

Das Leugnen des Klimawandels ist mit Donald Trump ja wieder salonfähig geworden. Doch wenn wir die Probleme ignorieren, werden sie am Ende nicht verschwinden, sondern uns mit noch größerer Wucht treffen. Wir müssen endlich akzeptieren, dass die Zeit für den Abschied von den fossilen Brennstoffen gekommen ist. Und wir müssen den dafür nötigen Wandel als Chance verstehen. Die Botschaft sollte nicht lauten: Oh Schreck, wir dürfen keine fossilen Heizungen mehr einbauen. Die Botschaft lautet, wir müssen in Millionen von Haushalten schon sehr bald ein nachhaltiges Heizungssystem einbauen, das mit einer Solaranlage, einem Batteriespeicher und auch noch einem Elektroauto gekoppelt ist. Viele Menschen schieben den Tausch einer Heizungsanlage unverantwortlich lange vor sich her. Wenn wir keine Systeme aus dem vorigen Jahrhundert, sondern moderne und attraktive Anlagen installieren, kann das nur gut für das Geschäft sein. Viele werden sich aber erst mit der neuen Technologie vertraut machen müssen und das ist für die weniger Beweglichen sicher unpopulär.

Was verstehen Sie eigentlich unter Sektorenkopplung?

Der Begriff Sektorenkopplung wird in der Fachwelt erst seit kurzem intensiv diskutiert. Zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele müssen wir unsere Kohlendioxidemissionen aus der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle spätestens bis zum Jahr 2040 auf null zurückfahren. Weder im Sektor Elektrizität noch in den Sektoren Wärme und Verkehr dürfen dann noch fossile Energieträger eingesetzt werden. In Deutschland ist eine vollständige Dekarbonisierung der Sektoren Wärme und Verkehr nur durch einen deutlich gesteigerten Einsatz von regenerativem Strom erreichbar. Es kommt also zu einer Sektorenkopplung, indem der Elektrizitätssektor mit zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen der Wärme und des Verkehrs beiträgt.

Unter welchen Voraussetzungen ist Sektorenkopplung sinnvoll?

Wird Kohlestrom zum Betrieb von elektrischen Heizungen oder Elektroautos verwendet, steigen die Kohlendioxidemissionen sogar an. Wir brauchen für eine erfolgreiche Sektorenkopplung daher eine Elektrizitätsversorgung, die vollständig durch Erneuerbare Energien gedeckt wird. Um das zu erreichen, müssen der Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft deutlich gesteigert und ein Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 beschlossen werden.

Strom im Wärmemarkt galt bislang als verpönt. Das scheint heute anders zu sein.

Früher stammte der Strom im Wärmemarkt ja von Atom- und Kohlekraftwerken mit den bekannten Problemen und Risiken. Inzwischen kommt aber schon ein Drittel unseres Stroms aus erneuerbaren Kraftwerken. Die technischen und ökonomischen Potentiale in Deutschland zur Nutzung der Biomasse, Tiefengeothermie und Solarthermie im Wärmebereich sind begrenzt. Damit ist bei uns Strom aus Solar- und Windkraftanlagen die einzige Option, den Wärmebereich wirklich vollständig zu dekarbonisieren.

Was muss die neue Bundesregierung tun, um dies umzusetzen?

Zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele muss das Tempo der Energiewende um den Faktor vier gesteigert werden. Es reicht nicht, ein Abkommen ohne jeglichen Plan zu unterschreiben. Für das Erreichen der Ziele sind nun endlich auch Taten erforderlich. Neben einem deutlich schnelleren Ausbau der Photovoltaik- und Windkraft und einem sozialverträglichen Kohleausstieg bis 2030 ist für einen erfolgreichen Klimaschutz auch das baldige Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren und von Öl- und Gasheizungen erforderlich. Je länger wir damit warten, desto komplizierter und teurer wird am Ende die Energiewende, da wir dann fossile Heizungen und Autos schon vor dem Ende ihrer Lebensdauer wieder aus dem Verkehr ziehen müssen.

Ist ein Verbot von Öl- und Gasheizungen, wie Sie es fordern, überhaupt mit den Prinzipien unserer Marktwirtschaft vereinbar? Die deutsche Bevölkerung hat jetzt 70 Jahre lang Demokratie gelernt. Sie möchte sicher gefragt werden. Und nicht alle sind wirklich von der Notwendigkeit der Energiewende überzeugt.

Eine fossile Heizung, die heute noch eingebaut wird, läuft 20 bis 25 Jahre. Wenn wir Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen und 2040 keine fossilen Energieträger mehr nutzen dürfen, müssten Heizungen dann vorzeitig wieder verschrottet werden. Das wird sowohl für den Staat als auch den Bürger eine sehr teure und unpopuläre Aufgabe. Es ist doch deutlich sinnvoller, jetzt zu verhindern, dass falsche Anlagen installiert werden. Es ist ja kein Widerspruch zur Demokratie, wenn der Staat seine Bürger vor schädlichen Entwicklungen bewahrt. In Deutschland darf man ja auch kein Auto ohne Katalysator oder Rußfilter und auch keine Glühlampen mehr verkaufen. Über das Glühlampenverbot haben sich am Anfang auch alle aufgeregt. Nun gibt es preiswerte und technisch ausgereifte LED-Lampen, mit denen die Bürger viel Geld sparen. Wichtig ist, dass ein entsprechendes Verbot gut kommuniziert wird und die Bürger auch die Vorteile verstehen. Natürlich wird es auch einige geben, die sich aufregen und das versuchen zu verhindern. Auch das muss man in einer Demokratie aushalten. Wenn wir über Demokratie reden, dann machen wir doch eine Volksabstimmung, ob wir in Deutschland einen erfolgreichen Klimaschutz praktizieren wollen und dann konsequenterweise auch die nötigen Schritte dazu einleiten. Und wir müssen diskutieren, ob der Erhalt der Lebensgrundlagen unserer Kinder und der Klimaschutz nicht auch ins Grundgesetz gehören. Schließlich haben wir nur einen Planeten.

Das Interview führte Wilhelm Wilming.


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