Vor dem Ausblick eine kurze Bestandsaufnahme: Zum Jahreswechsel 2024/25 können wir (erneut) Rekordmarken beim Photovoltaik-Ausbau und beim Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch feiern. Selbst von der lange stagnierenden Windenergie sind mit nie da gewesenen Zuschlagsmengen wieder positive Signale zu vernehmen, die sich ab diesem Jahr auch wieder in deutlich wachsendem Ausbau niederschlagen werden. Global findet längst eine exponentielle Entwicklung Richtung Erneuerbare statt.
Alle Anzeichen deuten bisher daraufhin, dass es so auch 2025 weitergehen wird. Heißt: erneute Rekorde beim PV-Ausbau in Deutschland und endlich auch wieder beim Wind. Damit einhergehend: erneute Hochs bei der Ökostromproduktion hierzulande. Flankiert wird das Ganze durch den Beginn einer Zubauwelle bei Großspeichern, einem zwar zu langsamen, aber organischen Wachstum der Elektromobilität und dem jetzt wirklich gestarteten Smart Meter-Rollout – alles Maßnahmen, die das Stromsystem flexibilisieren und auf den immer höheren Anteil Erneuerbarer Energien umstellen.
Zudem steigen die Inbetriebnahmen neuer Stromnetzprojekte – die großen Gleichstromleitungen werden zwar nicht mehr 2025 an den Start gehen, aber noch in der bald beginnenden Legislaturperiode, sind also in Sicht. Auch bei der Wärmewende ist endlich ein Trend weg vom Gas spürbar, die ab 2026 fälligen kommunalen Wärmepläne werden dies verstetigen.
Politik muss Energie-Modernisierung konstruktiv begleiten
Also alles in Butter bei Klimaschutz und Energiewende?
Das hängt von der kommenden Regierung ab.
Mit dem dynamischen Erneuerbaren-Zubau sind zwar hervorragende Grundlagen gelegt, tatsächlich noch die Energie- und Klimaziele erreichen zu können. Dieser Umbau bringt aber auch neue Herausforderungen.
Die Energiepolitik muss Wind und Sonne – und deren dezentrale Nutzung – ins Zentrum stellen und eine Flexibilisierung der Nachfrage und des gesamten Systems vorantreiben. Damit der Erfolg beim Ausbau und der sektorenübergreifenden Verwendung der Erneuerbaren sich fortsetzen kann, braucht es einen stabilen Investitionsrahmen.
Absolut nicht hilfreich sind hingegen Gespensterdebatten über Vergangenheitstechnologien und mögliche Wundertechnologien, die irgendwann in ferner Zukunft vielleicht alle Probleme lösen könnten. Die Hände in den Schoß legen geht nicht, die völkerrechtlich verbindlichen wie grundgesetzlich bestätigten Klimaschutzverpflichtungen gelten für jede Regierung.
Was braucht es konkret von der nachfolgenden neuen Bundesregierung?
Erstens: faire Rahmenbedingungen, auch sozial. Also keine stillschweigende Unterstützung von klimaschädlichen Energieträgern durch althergebrachte fossile Subventionen mehr und einen richtungsprägenden CO2-Preis, der die enormen Schadenskosten fossiler Emissionen widerspiegelt. Da der CO2-Preis eine Steuerungswirkung entfalten soll, darf er auch bei hohen Preisen nicht gedeckelt werden.
Vielmehr sollte angesichts der tendenziell zunehmenden Ungleichheiten in unserer Gesellschaft diese verursachergerechte Verteuerung fossiler Energieträger zwingend mit einem –sozial gestaffelten – Klimageld sowie mit passenden Förderinstrumenten für den Umstieg auf klimafreundliche Technologien einhergehen. So kann der Anreiz zur Verbrauchsanpassung erhalten bleiben und die Mehrkosten können gerade für einkommensschwächere Haushalte kompensiert werden.
Voraussetzungen dafür: Die technische Möglichkeit zur staatlichen Zahlung eines Klimageldes an alle berechtigten Menschen, gute Erklärung und Kommunikation der Gesamtlösung an die Bürger und das politische Rückgrat auch bei Steigerung der reinen Energiekosten diese nicht gleich wieder zu deckeln.
Zweitens: passende Bedingungen für noch mehr Wind- und Solarstrom im Strommarkt. Einerseits bei der Refinanzierung der Projekte, für die es gleichermaßen auf stabile Rahmenbedingungen für geförderte Projekte wie auf ausreichende Vermarktungsfreiheiten für ungeförderte Projekte ankommt. Andererseits muss der Stromverbrauch sich mehr an die Stromerzeugung anpassen. Das war früher schon so - man denke nur an die zusätzliche Nachfrage in Nachtzeiten durch Nachtspeicherheizungen für die durchlaufenden Atomkraftwerke - muss aber jetzt fortentwickelt werden. Schlagworte sind hier Sektorenkopplung, Speicher, Smart Meter und dynamische Tarife.
Drittens: volle Kraft bei der Wärmewende, dem zwar seit Jahren etwas gerüttelten, aber weiterhin mindestens schläfrigen Riesen. Der Energieverbrauch für die Wärmeerzeugung ist der größte unter allen Sektoren, hier entscheidet sich das Einhalten der Klimaziele und hier hängt Deutschland im Vergleich zu vielen seiner europäischen Nachbarn zurück.
Mit dem Gebäudeenergiegesetz und dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung hat die Ampel-Regierung zumindest ansatzweise taugliche Grundlagen geschaffen. Kommunikativ war der Start jedoch aufgrund der populistischen Begleitdiskussion um die Wärmepumpe ein Desaster.
Die neue Regierung muss die Wärmewende weiter vorantreiben.
Zwar können einzelne Regelungen geändert werden, auch um kommunikativ gegenüber den Bürgern einen Neuanfang zu signalisieren und so den geschürten Ängsten entgegenzuwirken. Grundsätzlich zurückdrehen darf die Regierung das Rad aber nicht. Einen Verzicht auf durchgreifende Maßnahmen im Wärmebereich kann sich Deutschland vor dem Hintergrund der immer stärker sichtbaren Auswirkungen der Klimakrise und auch angesichts der eingegangenen – und bei Verfehlen strafzahlungsbewehrten – EU-Verpflichtungen schlicht nicht leisten.
Viertens: mehr Bürgerorientierung bei der Energiewende! Nur mit den Menschen in den Standortkommunen schaffen wir den notwendigen Umbau unseres Energiesystems. Wenn wir mehr Bürgerenergie zulassen, Energy Sharing ermöglichen, Direktversorgungsmodelle zulassen, dann können wir nicht nur die grundsätzlich hohe Akzeptanz der Energiewende erhalten, wir können auch zusätzliches Know-how und nicht zuletzt dringend benötigtes Kapital für diesen gewaltigen Modernisierungsprozess aktivieren.
Öko-Energiewirtschaft tritt gemeinsam gegenüber Politik auf
Die Punkte sehen übrigens nicht nur wir bei naturstrom so, sondern auch unsere Mitbewerber Green Planet Energy, Elektrizitätswerke Schönau und Bürgerwerke. Details können Sie in einem gemeinsamen Positionspapier zur kommenden Bundestagswahl nachlesen.
Wenn eine neue Regierung – insbesondere, wenn diese wie momentan wahrscheinlich unter Führung der teilweise energiewendeskeptischen Union stehen würde – diese Punkte entschlossen anpackt, stehen die Chancen tatsächlich gut, dass die Energiewende endgültig systemprägend wird und unsere Klimaziele erreicht werden können. Bis zur vollständigen Dekarbonisierung bräuchte es zwar weiterhin noch ein paar Jahre, aber die Dynamik des Systemumbaus wäre dann wohl unumkehrbar.
Dies ist unser großer Wunsch an die neue Regierung für 2025. Denn wir feiern gerne jedes Jahr Rekorde, z.B. bei der Energiewende. Aber auf die jährlich wiederkehrenden Temperaturhöchststände würden wir in Zukunft sehr gerne verzichten.