Menü öffnen

Berliner EnergiewendegesetzAmbitioniert, mit Luft nach oben

Torbögen einer Brücke, dahinter der Sonnenaufgang
Die Berliner Oberbaumbrücke im Sonnenaufgang. Sonnenstrom ist ein wesentlicher Faktor für die Berliner Energiewende. (Bild von Michael Bußmann auf Pixabay)

Berlin soll zur Solarstadt sowie Wärmewende und E-Mobilität konsequenter vorangetrieben werden. Das neue Energiewende- und Klimaschutzgesetz der Stadt klingt ambitioniert. Und doch müsste vieles noch schneller gehen.

23.08.2021 – Fünf Jahre alt war es, das bisherige Berliner Energiewendegesetz. Am 22. März 2016 verabschiedet, stammte es noch von der damals regierenden Koalition aus SPD und CDU in Berlin. Dass es einer Überarbeitung bedurfte, darin war sich die neue Regierungskoalition aus SPD, Linke und Grüne, nach der Wahl im September 2016 einig. Letzte Woche Donnerstag wurde das neue Berliner Energiewendegesetz schließlich vom Abgeordnetenhaus verabschiedet, das zusätzlich um den Passus Klimaschutzgesetz erweitert wurde. Wieder einmal stehen die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus kurz bevor – am 26.09., zeitgleich zur Bundestagswahl, wird gewählt.

Dabei wurde eine Senatsvorlage vom Februar noch einmal verschärft. So gilt nun das Ziel, die Emissionen in Berlin bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Bis spätestens 2045 soll die Reduktion 95 Prozent betragen. Bis Ende 2020 erreichte Berlin eine Reduktion von 40,7 Prozent. Des Weiteren werden im Energiewendegesetz CO2-Budgets für die einzelnen Sektoren angekündigt, die jedoch noch genauer definiert werden müssen.

Das Wie ist entscheidend

Erreicht werden sollen diese Ziele durch konkrete Energieeffizienzvorgaben, einer Solarpflicht, saubere Fahrzeugflotten und Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie einer deutlich ambitionierteren Wärmewende. Die Maßnahmen sehen im Detail wie folgt aus:

  • Öffentliche Gebäude sollen bis 2045 umfassend saniert und somit der Primärenergieverbrauch der Gebäude um 80 Prozent reduziert werden. Bei Sanierungen soll der KfW-Effizienzhaus 55-Standard erreicht werden. Das bedeutet, dass ein solches Gebäude 55 Prozent der Primärenergie im Vergleich zu einem klassischen Referenzgebäude einspart. Auch wird so der bauliche Wärmeschutz um 30 Prozent verbessert. Beim Neubau öffentlicher Gebäude soll mindestens der KfW-Effizienzhaus 40-Standard eingehalten werden.
  • Es wird eine Solarpflicht für öffentliche Gebäude geben und das bis Ende 2024. Auf allen geeigneten Dächern öffentlicher Gebäude soll dann die gesamte technisch nutzbare Dachfläche mit Solaranlagen ausgestattet werden. Darüber hinaus wird gesetzlich festgelegt, dass alle öffentlichen Gebäude, Schulen und Liegenschaften künftig ausschließlich mit Erneuerbaren Energien betrieben werden dürfen.
  • Fahrzeuge der öffentlichen Hand sollen bis 2030 komplett auf einen CO2-freien Betrieb umgestellt werden. Ausgenommen sind besonders wichtige Fahrzeuge, wie Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge, für die bis dahin kein CO2-freier Antrieb auf dem Markt zur Verfügung steht. Damit auch der Anteil privater und gewerblicher Elektroautos deutlich steigt, soll die Ladeinfrastruktur durch die öffentliche Hand deutlich und im gesamten Stadtgebiet bedarfsgerecht ausgebaut werden. Ziel ist mindestens ein Ladepunkt je zehn zugelassene E-Autos. Bis Ende 2025 soll dieses Ziel zu 30 Prozent erreicht sein. Die Berliner Stadtwerke sollen den Ausbau in die Hand nehmen.
  • Das neue Gesetz verpflichtet die Betreiber der Berliner Fernwärmeversorgung bis Mitte 2023 einen Dekarbonisierungsfahrplan aufzustellen, der an dem Ziel einer CO2-freien Fernwärmeversorgung spätestens zwischen den Jahren 2040 und 2045 ausgerichtet ist. Als Zwischenziel gilt, dass 2030 mindestens 40 Prozent der transportierten Wärme in den Netzen aus Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme stammen muss. Der Ausstieg aus der Steinkohle bis spätestens 2030 bleibt dabei bestehen. Auch der Anteil von Gas im Wärmenetz soll so sukzessive heruntergefahren werden.

Des Weiteren soll das Monitoring zu den Folgen des Klimawandels in der Stadt ausgebaut, sowie entsprechende Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden. Auch die schulische und vorschulische Bildung hinsichtlich Klimawandel, Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels soll gestärkt werden.

Klimaschutz „zur Leitschnur“ machen

Stefan Taschner, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, sieht Berlin mit dem neuen Gesetz bundesweit als Vorreiter. „Das ist der Einstieg in eine echte Klima-Governance, die den Klimaschutz bei allen politischen Entscheidungen zur Leitschnur macht“, so Taschner. Und Michael Efler, energie- und klimapolitischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, sagte: „Mit dem neuen Klimaschutzgesetz unternimmt Rot-Rot-Grün einen weiteren wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Klimakrise.“

Nun müssten laut Efler weitere Schritte folgen, wie zum Beispiel eine bessere Personalausstattung der Bezirke und eine Aufstockung von Haushaltsmitteln für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude. Nur so könne das Gesetz effektiv umgesetzt werden. Die Initiative Klimaneustart Berlin dagegen begrüßte zwar einige Punkte des neuen Gesetzes, mahnte aber zugleich deutlich mehr Tempo und ambitioniertere Ziele an.

Die Solarpflicht und die neuen Energiestandards für öffentliche Gebäude seien lobenswerte Schritte. Auch der Einstieg in die ökologische Regulierung der Fernwärme sei richtig und wichtig, dabei sei der Zeitraum der Dekarbonisierung jedoch zu lang. Ebenso seien die Emissions-Reduktionsziele unzureichend. „Das Zieljahr 2045 für die Klimaneutralität reicht aber bei weitem nicht aus, um das Risiko für eine Heißzeit schon Ende dieses Jahrhunderts zu minimieren“, so Jessamine Davis, Sprecherin von Klimaneustart Berlin.

Seit Juli sammelt die Initiative Unterschriften für ein Volksbegehren, mit dem Klimaneutralität bereits 2030 erreicht werden soll. Dabei sollen die CO2-Emissionen bis 2025 bereits um 70 Prozent und bis 2030 um 95 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. In die Verursacherbilanz soll auch der Flughafen BER aufgenommen sowie alle Treibhausgase berücksichtigt werden, sobald Daten dazu vorliegen. Bis zur Wahl will die Initiative 20.000 Unterschriften sammeln, damit Senat und Abgeordnetenhaus sich mit dem Thema beschäftigen. Sollte das Gesetz nicht entsprechend verschärft werden, sollen mehr Unterschriften und ein anschließender Volksentscheid Berlin dazu verpflichten Klimaneutralität 2030 anzustreben. mf


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft