Bild: © Hans-Josef Fell

Meinung 07.05.2024

Ambitionierte IRENA-Vollversammlung unter Wasser

Die diesjährige IRENA-Vollversammlung in Abu Dhabi hatte Erfolge beim Ausbau Erneuerbarer Energien zu vermelden, wurde aber auch von Mahnungen nach deutlich mehr Anstrengungen für den Klimaschutz begleitet. Schließlich fielen Teile der Veranstaltung der Klimakrise selbst zum Opfer. Die Region wurde von nie dagewesenen Niederschlägen überflutet.

Ein Bericht aus Abu Dhabi von Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group


Meinung 07.05.2024

Ambitionierte IRENA-Vollversammlung unter Wasser

Die diesjährige IRENA-Vollversammlung in Abu Dhabi hatte Erfolge beim Ausbau Erneuerbarer Energien zu vermelden, wurde aber auch von Mahnungen nach deutlich mehr Anstrengungen für den Klimaschutz begleitet. Schließlich fielen Teile der Veranstaltung der Klimakrise selbst zum Opfer. Die Region wurde von nie dagewesenen Niederschlägen überflutet.

Bild: © Hans-Josef Fell

Ein Bericht aus Abu Dhabi von Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group



Mitte April fand in Abu Dhabi die diesjährige Vollversammlung der International Renewable Energy Agency (IRENA) statt. Über 180 Nationen, und damit fast alle der bei den Vereinten Nationen anerkannten Nationen, nahmen als Mitglieder der IRENA teil. Die IRENA ist eine Regierungsorganisation, die seit ihrer Gründung im Jahr 2010 das Ziel verfolgt, den globalen Ausbau Erneuerbarer Energien zu unterstützen. Während meiner Zeit im Bundestag war ich intensiv am Gründungsprozess beteiligt.

Im Mittelpunkt der Vollversammlung standen die neuen Analysen der IRENA zum Ausbau Erneuerbarer Energien. Ein Bericht beleuchtete auch das globale Ziel der Verdreifachung Erneuerbarer Energien bis 2030, das auf der Klimakonferenz COP 28 in Dubai beschlossen wurde.

Erfolg: Der Ausbau Erneuerbarer Energien ist wesentlich stärker und stellt die Atomenergie in den Schatten

Nach diesem IRENA-Bericht ist der Ausbau erneuerbarer Energien wesentlich erfolgreicher und stärker als noch vor Jahren für möglich gehalten wurde. Im Jahr 2023 wurden etwa 473 Gigawatt neue Kapazitäten an erneuerbaren Energien installiert. Dies betrifft hauptsächlich PV (346 GW) und Wind (116 GW), aber auch Wasserkraft (7 GW), Bioenergie (4 GW), Geothermie (0,2 GW) und Meeresenergien (0,002 GW).

Der Generalsekretär der IRENA, Francesco La Camera, betonte in seiner Rede, dass der Zubau an Erneuerbaren Energien allein im letzten Jahr mit 473 GW deutlich höher liegt als die gesamte Atomwirtschaft in den letzten 70 Jahren aufgebaut hat. Tatsächlich liegt die aktuell installierte elektrische Nettoleistung der Atomkraft im Jahr 2023 bei etwa 378 GW, wobei ein geringfügiger Nettozubau von 4 GW verzeichnet wurde, also etwa so viel wie allein an Bioenergiekapazitäten zugebaut wurde.

Herausforderung: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss weiter forciert werden

Allerdings betonte der IRENA-Bericht auch, dass die gegenwärtig erfreulich hohen Ausbaugeschwindigkeiten immer noch nicht ausreichen, um das Ziel der Verdreifachung bis 2030 zu erreichen. Daher wurde auf der IRENA-Vollversammlung immer wieder die Mahnung laut, die Ausbaugeschwindigkeiten weiter zu beschleunigen.

In meinem Redebeitrag betonte ich ebenfalls, dass selbst das Ziel der COP 28, nämlich die Verdreifachung der Erneuerbaren-Energien-Kapazitäten bis 2030, viel zu niedrig angesetzt ist, um effektiven Klimaschutz zu erreichen. Das Ziel müsste die Erreichung von 100 % Erneuerbaren Energien bis 2030, spätestens 2035 sein.

Deutsche Regierung tritt offensiv für Erneuerbare Energien auf

Anders als viele andere Regierungen trat die deutsche Regierung auf der IRENA Versammlung offensiv mit Forderungen zum beschleunigten Ausbau und dafür notwendigen politischen Rahmenbedingungen auf. Dies war wohltuend stärker als in der Zeit unter Kanzlerin Merkel.

Deutschland wurde durch Staatssekretär Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) vertreten. In seiner Rede hob Wenzel sich deutlich von den zahlreichen allgemeinen Aussagen zu Erneuerbaren Energien ab, die viele andere Regierungsvertreter boten, und machte klar, dass viele dieser Staaten weiterhin an Atomenergie, Kohle, Erdöl und Erdgas festhalten möchten.

Wenzel konkretisierte den Bedarf von ausgebauten, verlässlichen und flexiblen Netzen und Speichern für den steigenden Anteil Erneuerbarer Energien. Zudem könnten ländliche Gebiete, die bisher keinen Zugang zu Strom hatten, mit netzfernen Erneuerbaren Lösungen erschlossen werden. In Ländern mit schwieriger wirtschaftlicher Entwicklung, hohen Zinssätzen oder hoher Inflation bräuchte es zudem Instrumente, um Investitionsrisiken – ob real oder vermeintlich – zu mindern. Das könnten zum Beispiel Garantiezahlungen von öffentlichen Entwicklungsbanken sein. Daran arbeite man mit verschiedenen Instrumenten und Partnern, so Wenzel.

IRENA Coalition for Action

Neben der eigentlichen Aktivität der Regierungen gibt es bei der IRENA seit 2014 auch ein Beratungsgremium, welches unabhängig von Regierungsinteressen die IRENA-Aktivitäten unterstützt: Die IRENA Coalition for Action. Von Anfang an konnte ich daran mitwirken. Diese hat in ihren Arbeitsgruppen bereits vielbeachtete Vorschläge erarbeitet, die auf das Ziel der Erreichung von 100 % Erneuerbaren Energien, den Ausbau der Bürgerenergien sowie die Einbindung der Landwirtschaft mit Agri-PV und nachhaltigen Biokraftstoffen abzielen.

Auf der IRENA-Versammlung wurde die neueste Studie der IRENA Coalition for Action vorgestellt: Eine Übersicht über alle weltweit verfügbaren wissenschaftlichen Untersuchungen zur Deckung des globalen Energiebedarfs mit 100 % Erneuerbaren Energien. Die Vorstellung dieser Übersicht durch die IRENA ist besonders bedeutsam, da immer noch einige Regierungen die Machbarkeit von 100 % Erneuerbaren Energien anzweifeln. Die Studie wurde aufgrund meines Vorschlags von der Coalition for Action aufgegriffen und umgesetzt.

Die wichtigsten Empfehlungen daraus lauten wie folgt:

  • Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien und Ausstieg aus fossilen und atomaren Brennstoffen.
  • Erhöhung der politischen Ziele für Erneuerbare Energien, um einen Anteil von bis zu 100 % aus Erneuerbaren Energien zu erreichen. Dies erfordert die Schaffung von Rahmenbedingungen und Anreizen für ihren Einsatz und Ausbau, einschließlich der Planung und Entwicklung von Stromnetzen und lokalen Versorgungsketten.
  • Aufgrund ihrer Ausgereiftheit, rasch sinkenden Kosten und Einsatzfähigkeit bieten Erneuerbare Energien eine sichere Energieversorgung, ohne dass auf neue Innovationen oder riskante und schädliche nukleare und fossile Technologien zurückgegriffen werden muss.
  • Angesichts der Wettbewerbsfähigkeit Erneuerbarer Energietechnologien sollte die Erkundung und Förderung fossiler Brennstoffe sowie der Bau neuer Infrastrukturen und Anlagen für fossile Brennstoffe vollständig eingestellt werden. Die Fortsetzung der Förderung fossiler Brennstoffe und des Ausbaus der Infrastruktur führt zu Fehlinvestitionen sowie sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen und Folgekosten. Zudem besteht die Gefahr, dass die globale Erwärmung den Grenzwert von 1,5°C überschreitet. Ein vollständiger Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und Subventionen für fossile Brennstoffe auf gerechte und ausgewogene Weise sollte daher eine Priorität auf der energiepolitischen Agenda darstellen.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Analyse ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Erstmals ist es gelungen, die Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien als machbar und ökonomisch vorteilhaft auf globaler Ebene den Regierungen der Welt vorzustellen.

Klimawandel hat auch die Vereinigten Arabischen Emirate erreicht

Während der IRENA Konferenzen in Abu Dhabi wurden die schlimmen Konsequenzen der Erdaufheizung sichtbar: Es gab es einen solch heftigen Regensturm, wie man ihn im trockenen Wüstenstaat seit Jahrzehnten nicht mehr kannte. Die Ölscheichs der Emirate können wohl Öl bohren, aber die von ihnen verursachten Klimawandelschäden können sie offensichtlich nicht abfedern.

In dem Hotel, wo die Irena Vollversammlung stattfand, war das Dach so undicht, dass es in den riesigen Versammlungsräumen Wassereinbrüche wie unter einer Dusche gab. Es war beängstigend. Die Technik der IRENA Tagung fiel vielfach aus. Dolmetscher konnten nicht mehr arbeiten, die großen Bildschirme wurden schwarz. Ausgerechnet unsere Veranstaltung, der IRENA Coalition for Action, musste abgebrochen werden. Tagelang war in großen Teilen Abu Dhabis das Internet und der Verkehr massiv eingeschränkt. Ich selbst und die Teilnehmer der Konferenz haben zum Glück alles bestens überstanden – tausende umgeknickte Palmen leider nicht.

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