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Arbeitsbedingungen in Wind- und Solarenergiebranche

Die IG Metall hat eigene Umfragen bei Beschäftigten der Branchen Windkraft und Photovoltaik ausgewertet und kommt zu einigen negativen Ergebnissen. Die betroffenen Unternehmensverbände weisen auf die schlechten Branchenbedingungen der letzten Jahre hin, können aber nicht alles erklären.

04.12.2014 – „Nachhaltig – aber auch sozial?“ So lautet der Titel einer Studie, die die IG Metall unlängst veröffentlichte und in der sie den Arbeitsbedingungen und Löhnen in den Branchen Windkraft und Photovoltaik nachspürte. Nach Umfragen in verschiedenen Betrieben von 2011 bis 2013 gab es 4700 Fragebögen auszuwerten, und die Ergebnisse sind überwiegend schlecht:

 

  • Die Mehrzahl der Befragten sieht ihre Arbeit als eher unangemessen entgolten an. Das gilt bei der Photovoltaik auch für diejenigen, die in Verwaltung und Entwicklung arbeiten.
  • Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekommt lediglich knapp die Hälfte der Befragten (wobei es aber für manche von ihnen andere Sonderzahlungen gibt).
  • „Eine Schlechterstellung der weiblichen Beschäftigten ist insbesondere mit Blick auf die innerbetrieblichen Aufstiegschancen, aber auch bei Bruttoentgelten und Sonderzahlungen belegbar“, schreibt die IG Metall. Hier fällt auf, dass die Bezahlung der Frauen deutlich schlechter ist, als es der Unterschied bei den vertraglichen Arbeitszeiten nahelegen würde. In den meisten Arbeitsbereichen geben Frauen dementsprechend im Durchschnitt einen schlechteren Lebensstandard an als Männer.
  • Die Mehrzahl der Befragten glaubt nicht, dass sie ihre Arbeit bis ins Rentenalter ausüben können wird.

Ausgesprochen positiv fällt nur das Ergebnis in Sachen Arbeitssicherheit aus. Ob es eine Erfolgsmeldung ist, dass eine Mehrheit Zuschläge für Schicht-, Wochenend- oder Feiertagsarbeit bekommt, ist hingegen wohl Ansichtssache.

Eine generelle Erkenntnis: In der Windenergie-Branche wird besser bezahlt, sind die vertraglichen Arbeitszeiten geringer und dementsprechend die Zufriedenheiten größer als bei der Photovoltaik. „Dies liegt auch daran, dass es bei den Windkraftanlagenherstellern mehr und stärkere gewerkschaftliche Strukturen und vor allem im Bereich der Zulieferer aus dem Maschinenbau eine insgesamt höhere Tarifbindung gibt“, analysiert die IG Metall. Dafür geben dort mehr Menschen an, regelmäßig Überstunden zu leisten.

Eine weitere Erkenntnis: Die in der Produktion Arbeitenden sind viel unzufriedener mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie als die Mitglieder von Verwaltungen und Forschungsabteilungen, was offensichtlich mit den vielen Schicht-, Wochenend- und Feiertagsdiensten zu tun hat, die sie nach eigenen Angaben leisten müssen.

Bei der erwähnten Frage „Glauben Sie, dass Sie Ihre derzeitige Tätigkeit bis zum Rentenalter ausüben können?“ kann es sein, dass ein Teil der Antworten sich nicht auf den körperlichen Aspekt bezieht, sondern auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes, wie Slave Cubela vom Vorstand der IG Metall auf Anfrage zugibt. Er hält die Interpretation dieser Antworten in der Studie aber für gerechtfertigt, weil es „in einer Branche mit einem hohen Leiharbeiteranteil, vergleichsweise niedrigen Löhnen, niedriger Entgeltzufriedenheit sowie langen und flexiblen Arbeitszeiten weder attraktiv noch wahrscheinlich ist, bis ins hohe Rentenalter zu arbeiten“.

Der Bundesverband Solarwirtschaft möchte nicht zu einzelnen Punkten Stellung beziehen. Er sagt nur generell, „dass viele Photovoltaik-Hersteller in den vergangenen Jahren unter der Vielzahl der scharfen politischen Einschnitte in die Solarförderung sowie unter dem harten internationalen Wettbewerb gelitten haben. Einige zum Teil namhafte Firmen haben das Geschäftsfeld reduziert oder sind in andere Geschäftsfelder ausgewichen, nicht wenige haben Insolvenz anmelden müssen. Das hat natürlich immer auch Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation.“ Von den 14 Photovoltaik-Unternehmen, in denen die IG Metall Umfragen durchgeführt hatte, sei die Hälfte von Insolvenz oder Verkauf betroffen gewesen.

Der Bundesverband Windenergie teilt auf Anfrage mit, dass er schon grundsätzliche Bedenken zur Aussagekraft der Studie hat. So habe es in den Befragungsjahren 2012 und 2013 „aufgrund der politischen Rahmenbedingungen eine deutliche Verunsicherung“ gegeben, vor allem im Sektor der Meereswindanlagen, und das habe zu einem „Beschäftigungsrückgang“ geführt. Die Studie werde im Verband aber diskutiert, mit der IG Metall gebe es zudem „regelmäßigen Austausch“.

Zur Frauenfrage teilt der Windenergieverband mit, Frauen seien stärker in der Verwaltung beschäftigt, wo weniger Überstunden anfielen und somit die entsprechenden Lohnaufschläge geringer seien. Die Bewertung seitens der IG Metall könne er „nicht nachvollziehen“. Dass sich aber auch über die Frauen hinaus so viele Menschen zu schlecht bezahlt vorkommen, kann der Verband nicht erklären, vom Hinweis auf die erwähnten Unsicherheiten 2012 und 2013 abgesehen.

Ein Verdienst der Studie ist auf jeden Fall ihr Schlaglicht auf die auch in diesen Branchen zu verzeichnende Prekarität. So antworteten die Befragten, die in Leiharbeit tätig sind, generell deutlich negativer auf die Fragen nach Lebensstandard und Entgeltzufriedenheit. Im Anhang der Studie findet sich zudem ein Fallbeispiel einer Arbeiterin aus der brandenburgischen Solarindustrie. Sie kommt trotz Vollzeitarbeit auf nur 1.500 Euro brutto im Monat und schildert die eigenen Nöte sowie die der Kollegen, von denen einige einen Zweitjob machen und andere zur Ernährung der Familie ALG 2 bekommen. Ralf Hutter


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