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Brexit: Die Folgen für Umweltschutz und Energiepolitik

Umwelt- und Klimaschützer fürchten durch den Austritt Großbritanniens aus der EU weniger strenge Umwelt-, Klima- und Energiegesetze in ihrem Land. (Foto: Dave Kellam, flickr.com, CC BY-SA 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)
Umwelt- und Klimaschützer fürchten durch den Austritt Großbritanniens aus der EU weniger strenge Umwelt-, Klima- und Energiegesetze in ihrem Land. (Foto: Dave Kellam, flickr.com, CC BY-SA 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)

Nach dem Votum der britischen Bevölkerung für einen EU-Austritt wachsen die Sorgen vor der Zeit nach dem Brexit. Steigende Energiepreise und weniger strenge Umweltgesetze könnten die Folgen sein, EU-Naturschutzgebiete sind bedroht. Womöglich wird aber auch das geplante AKW Hinkley Point C nicht gebaut.

28.06.2016 – Als Großbritannien 1973 der Europäischen Gemeinschaft beitrat, gab es im Bereich des Umweltschutzes viel zu tun. Die großen Industriestädte hatten massive Probleme mit der Luftqualität, zeitweise versank ganz London im Smog. Das Trinkwasser war mit Nitraten verseucht, Schwermetalle belasteten Böden und Grundwasser. Erst die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft und später der Europäischen Union zwangen Großbritannien zu mehr Sorgfalt mit der Natur und der Gesundheit ihrer Bürger. Nun befürchten Umweltschützer und Verbände, dass mit einem Brexit etliche Umweltgesetze zugunsten der Industrie aufgeweicht werden könnten.

Denn nach Angaben der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth gehen 85 Prozent der britischen Umweltgesetze auf EU-Vorgaben zurück. In Positionspapieren riefen viele große Verbände und Klimaexperten ihre Landsleute zum Verbleib in der Europäischen Union auf. „Großbritanniens EU-Mitgliedschat hatte einen gewaltigen positiven Effekt auf die Sauberkeit unserer Strände, die Qualität unseres Wassers und Flüsse, unserer Luft und viele unserer seltensten Vogelarten, Pflanzen und Tiere sowie deren Lebensräume“, schrieb der grüne Thinktank Green Alliance vor einigen Wochen. Kurz nach dem erfolgreichen Referendum stehe „die Branche nun unter Schock“, schreibt Green Alliance in ihrem vielbeachteten Blog. „Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden wir die weltweit besten Naturschutzgesetze verlieren.“

Das Vorsorgeprinzip ist in Gefahr

Friends of the Earth befürchtet die Rückkehr des „dirty man of Europe“ wie Großbritannien in den 1970er und 1980er Jahren genannt wurde. Die Umweltschützer führen in ihrem Papier zum EU-Referendum die guten Seiten der EU und ihrer strengen Richtlinien auf. Als Beispiel dient immer wieder das EU-Verbot bienenschädlicher Pestizide gegen den Willen der britischen Regierung. Es ist besonders die oft industriefreundliche und neoliberale Politik der britischen Regierung, die die Umweltverbände fürchten. So ist Großbritannien bislang ein großer Fürsprecher für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und hat sich oft auf die Seite der großen Pestizidhersteller geschlagen. Nach dem Brexit-Votum ist ein erfolgreicher TTIP-Verhandlungsabschluss noch unwahrscheinlicher geworden.

„Falls wir die EU verlassen, wird das langanhaltende negative Folgen für unsere Umwelt haben“, warnte Friends of the Earth noch kurz vor der Abstimmung in einer Stellungnahme. Eines der zentralen Punkte ist dabei das Vorsorgeprinzip, das in der EU-Gesetzgebung verankert ist. Demnach müssen Firmen die Unbedenklichkeit ihrer Produkte für Umwelt und Menschen nachweisen, bevor diese in den freien Handel kommen. Selbst der Verdacht reicht für ein Verbot. Viele andere Länder wie die USA haben solche Vorschriften nicht, dort muss im Nachhinein die Gefährlichkeit eines Produkts nachgewiesen werden, um es vom Markt zu nehmen. Auch im britischen Gesetz ist das Vorsorgeprinzip so nicht vorhanden.

Führende Politiker halten Umweltschutz für zu teuer

Green Alliance fürchtet zudem, die ökonomische Krise des Landes nach dem EU-Austritt könnte zur Abschwächung von Umweltstandards führen. Denn Wirtschaftskrisen hätten bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass Naturschutzgesetze und Klimaziele aufgegeben wurden, um der Industrie zu helfen. Die ökonomische Instabilität könne etwa dazu führen, dass Lobbyisten und Klimaskeptiker Klimaschutzgesetze mit Hinweis auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes in Frage stellten, so die Sorge.

Auch wenn die Auswirkungen stark ausfallen könnten, spielten Umwelt-, Klima- und Energiepolitik keine Rolle beim Referendum, alles drehte sich um die Identität des Landes und die Einwanderungspolitik. Einigen führenden Politikers sind die Folgen für den Umweltschutz allerdings bewusst. Landwirtschaftsminister George Eustice kündigte an, er wolle das Vorsorgeprinzip für Pestizide reformieren und ein System nach dem Vorbild der USA einführen. Die EU-Naturschutzgebiete Natura 2000, ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der gesamten Union und besonders wichtig für den Vogelschutz, will Eustice ebenfalls loswerden. Finanzminister George Osborne hatte bereits mehrfach erwähnt, dass er die Kosten für die EU-Umweltschutzmaßnahmen für zu hoch hält.

Besonders für den Erhalt der wichtigen Naturschutz- und Wildtiergebiete kämpfen die Umweltverbände seit Bekanntgabe des Austrittwunschs der Bevölkerung. Über 1.000 Tiere und Pflanzenarten würden durch die EU-Schutzgebiete geschützt, rechnet Friends of the Earth vor. 200 Habitate in ganz Großbritannien sind demnach bedroht, unter anderem Cannock Chase, Flamborough Head, Dartmoor and Snowdonia.

Auch wenn die Erfolge des EU-Umweltschutzes nun gefeiert werden, in der Union ist nicht alles gut. Die Umweltverbände kritisieren beispielsweise die EU-Landwirtschaft als „Umwelt-Desaster“. Die Luftqualität in britischen Städten sei zwar durch EU-Vorgaben sehr viel besser als noch in den 1980er Jahren, aber noch immer nicht zufriedenstellend. Direkter Druck aus der Bevölkerung auf die britische Politik könnte strenge Grenzwerte zur Folge haben. Auf diesen Effekt hoffen Umweltschützer, wahrscheinlich ist das allerdings nicht. Denn sollte Boris Johnson, ehemaliger Bürgermeister Londons und Wortführer der Brexit-Kampagne, tatsächlich neuer Premierminister werden, könnten sich die Befürchtungen bewahrheiten. Johnson gilt nicht als Befürworter ehrgeiziger Umwelt- und Klimapolitik und setzt sich offensiv für Fracking ein.

AKW-Neubau Hinkley Point C auf der Kippe

Etwas Gutes könnte der Brexit dennoch haben: Die Pläne zum Bau des neuen Atomkraftwerks Hinkley Point C im Südwesten Großbritanniens könnten scheitern. Denn der französische Energiekonzern EDF zögert als Hauptgeldgeber bereits seit Monaten eine endgültige Entscheidung hinaus. Der Ausstieg der Briten aus der EU dürfte noch mehr Unabwägbarkeiten mit sich bringen und ein Investment im zukünftigen EU-Ausland unsicherer machen. Zudem müsste Großbritannien durch den Brexit eigentlich aus dem EURATOM-Vertrag aussteigen, dem Fundament der europäischen Atomwirtschaft. Infolgedessen könnten die Briten nicht mehr auf EURATOM-Förderungen für Hinkley Point C zurückgreifen, zusätzlich könnten die anderen Atomkraftwerke auf der Insel unter wirtschaftlichen Druck geraten.

Gleichzeitig könnten die Energiepreise auf der Insel steigen, warnen Experten. Denn der EU-Austritt würde womöglich auch den Strom- und Gashandel zwischen Großbritannien und seinen Nachbarn treffen, die Folge wären steigende Kosten für Industrie und Haushalte. Als Konsequenz könnten neue fossile Kraftwerke gebaut werden. Für den Umwelt- und Klimaschutz bedeutet der Brexit nichts Gutes. Clemens Weiß


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Starkstrompilot 07.07.2016, 14:33:44

+161 Gut Antworten

Wie sagt Obelix in so einem Fall: Die spinnen, die Briten.

Man kann den Briten eigentlich nur wünschen, dass sie irgendwann wieder zur Vernunft kommen oder sie es schaffen, ihrem Volk zu sagen, dass so eine alberne Abstimmung gar nichts bedeutet und Britannia natürlich in der EU bleibt.

Aber dazu braucht es Politiker und nicht solche Upper Class Schlaffis wie Cameron, Johnson oder Farage.


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